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Die Bundesrepublik beteiligt sich am Kosovo-Krieg

von Michael Hansmann
Der Kosovo-Krieg war der letzte der sogenannten Jugoslawienkriege von 1991 bis 2001. Zehn Jahre zuvor, am 28. März 1989, hatte das serbische Parlament die Autonomie der Provinz Kosovo aufgehoben und damit entscheidend zum Zerfall Jugoslawiens beigetragen.

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Die Desintegration Jugoslawiens, zu der es in den 1990er Jahren kam, war schon in den Strukturen des Landes angelegt. Die Gründe für den Krieg waren vielfältig. Neben ethnischen und religiösen Spannungen spielten auch ökonomische Probleme eine Rolle. All diese Aspekte waren miteinander verschränkt und schaukelten sich nach dem Tod von Staatspräsident Josip Broz Tito im Jahr 1980 mehr und mehr hoch.

Diese aktuellen Entwicklungen waren aber nicht allein für den Krieg verantwortlich. Vielmehr hatte der Kosovo-Konflikt eine lange Vorgeschichte, die eng mit der Geschichte Serbiens, aber auch mit der Expansion des Osmanischen Reiches und deren Folgen verbunden war. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts war das Kosovo ein Kerngebiet des serbischen Königreichs, und das serbisch-orthodoxe Patriarchat von Peć hatte dort seinen Sitz. Vor allem im Abwehrkampf gegen die Osmanen spielte das Kososvo eine wichtige Rolle. Die Schlacht auf dem Amselfeld vom 15. Juni 1389, in denen die Osmanen die serbischen, bosnischen und albanischen Fürstentümer in der Nähe von Priština geschlagen hatten, avancierte für die Serben zu einem nationalen Mythos, der 1989 von Slobodan Milošević, dem Vorsitzenden des Bundes der Kommunisten Serbiens, politisch instrumentalisiert wurde. Mit der Niederlage auf dem Amselfeld, das der heutigen Landschaft ihren Namen gegeben hat, begann für das Kosovo eine fünfhundertjährige osmanische Fremdherrschaft. Nur der serbisch-orthodoxen Kirche ist es zu verdanken, dass dort das serbische Kulturerbe bewahrt werden konnte.

Im Kosovo waren jedoch nicht nur Serben ansässig, sondern auch Albaner, deren Zahl in der Folgezeit durch Einwanderung stetig wuchs, während immer mehr Serben abwanderten. Als das Kosovo nach den Balkankriegen von 1912/1913 in das Königreich Serbien integriert wurde, stellten die Albaner bereits die Bevölkerungsmehrheit. Da im Laufe der Jahrhunderte eine Mehrheit von ihnen den islamischen Glauben angenommen hatte, hieß das, dass das nun zu Serbien gehörende Kosovo eine weitgehend muslimisch geprägte Region war.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Gründung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien entstand am 3. September die Autonome Region Kosovo und Metochien als Teil der Sozialistischen Republik Serbien. Nachdem es bereits in den 1960er Jahren zu Unabhängigkeitsbestrebungen gekommen war, wurde die Lage für die Albaner durch die Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien von 1974 verbessert. Sie brachte für das Kosovo und die Vojvodina eine weitere Verbesserung ihres Status. Als autonome Provinzen, obwohl formell noch Teil Serbiens, hatten sie einen De-facto-Status als Republik erreicht. Ihnen fehlte allerdings das Recht auf Selbstbestimmung und Sezession.

Nach dem Tode Titos 1980 übernahm das achtköpfige Präsidium, das aus je einem Vertreter der sechs Teilrepubliken und den zwei autonomen Provinzen bestand, die Regierung Jugoslawiens. Bereits 1981 kam es zu Demonstrationen und Forderungen nach der Aufwertung des Kosovo zu einer gleichberechtigten Republik Kosovo als Teil Jugoslawiens. Die ethnische Zusammensetzung des Kosovo veränderte sich weiter, denn Serben wanderten aus dem wirtschaftlich ärmsten Teil Jugoslawiens ab, während gleichzeitig die Geburtenrate der albanischen Bevölkerung hoch war. Der Bevölkerungsanteil der albanischen Kosovaren lag in den 1990er Jahren schon bei 90 Prozent.

 

Der Weg in den Krieg

Das Kosovo blieb zunächst Teil Serbiens, geriet aber in den Fokus von Slobodan Milošević, der den serbischen Nationalismus seit 1988 unter anderem mit dem Verweis auf die angebliche Misshandlung und Unterdrückung von Serben im Kosovo anheizte. So wurden seit Ende 1988 zahlreiche albanische und auch serbische Vertreter des Kosovo durch Anhänger Miloševićs ersetzt. Dies erleichterte die Abschaffung der Autonomie des Kosovo am 28. März 1989. Zuvor war es zu Massenprotesten gegen die geplante Abschaffung der Autonomie gekommen, was am 1. März 1989 bereits zur Ausrufung des Ausnahmezustandes und zur Entsendung von Militär in das Kosovo geführt hatte. Nach dem Aufhebungsbeschluss kosteten die gewaltsam ausgetragenen Proteste dagegen das Leben von bis zu 140 Menschen. Schließlich lösten auch die Schließung der Universität von Pristina und das Verbot albanischer Vereine eine Emigration von Kosovo-Albanern aus.

Mit Beginn der Auseinandersetzungen um die Unabhängigkeit von Slowenien, Kroatien und später Bosnien-Herzegowina geriet das Kosovo-Problem zunächst aus dem Fokus der europäischen Öffentlichkeit, der Konflikt schwelte aber weiter. Obwohl sich das Parlament des Kosovo bereits vor der zwangsweisen Auflösung im Juli 1990 für die Loslösung von Serbien und die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, hatte dies zunächst keine Folgen. Auch die im September 1992 proklamierte Republik Kosova wurde zunächst nur von Albanien anerkannt. Mit Ibrahim Rugova wurde ein Präsident geheim gewählt, der sich für den passiven und friedlichen Widerstand gegen die Serben einsetzte.

 

Eskalation und Wende im Kosovo

Ab 1996 begann die UCK (Ushtria Çlirimtare e Kosovë, deutsch: Befreiungsarme des Kosovo) mit Aktionen und Anschlägen gegen serbische Einrichtungen. Nach einem Angriff der UCK auf eine serbische Patrouille am 28. Februar 1998 in der Nähe des Dorfes Likoshan, kam es zu Vergeltungsaktionen und Massakern der Serben gegen Zivilisten. Danach weiteten sich die Auseinandersetzungen zu offenen Gefechten aus, bei der die UCK zunächst fast ein Drittel des Kosovo unter ihre Kontrolle bringen konnte, bevor die wesentlich besser ausgerüsteten serbischen Einheiten die Gebiete zurückeroberte und dabei die albanische Bevölkerung aus ihren Dörfern vertrieb. Im August 1998 befanden sich deshalb bereits mehr als 200.000 Menschen auf der Flucht. Nachdem es zunächst am 18. August zu einem Waffenstillstand und in der Folge am 4. September zu einer Vereinbarung zwischen Milošević und Rugova über eine Autonomie kam, forderte Rugova am 12. September für das Kosovo einen gleichberechtigten Status als Republik in Restjugoslawien. Gleichwohl gingen zwischenzeitlich die Aktionen der Serben weiter, so dass der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1199 Maßnahmen androhte, falls es nicht zu einer Waffenruhe und zu Verhandlungen kommen sollte. Die NATO, unter Führung der USA, richtete ebenfalls eine scharfe Warnung an Restjugoslawien und bereitete einen möglichen Einsatz zum Schutz der albanischen Zivilbevölkerung vor serbischen Angriffen vor. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte dann in einer Dringlichkeitssitzung am 2. Oktober 1998 die Massaker im Kosovo. Am 5. Oktober 1998 drohte der EU-Ministerrat mit Sanktionen, am 7. Oktober schließlich forderte das Europäische Parlament ein militärisches Eingreifen der NATO auch ohne UN-Mandat.

 

Deutschland beteiligt sich am Kosovo-Krieg

Die Bundesrepublik Deutschland war seit Beginn des Zerfalls Jugoslawien politisch in die Geschehnisse involviert, hielt sich aber bis 1993 militärisch zurück. Dies hatte zu einem historische Gründe, denn es gab moralische Bedenken, deutsche Soldaten in Gebieten einzusetzen, in denen die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gekämpft und auch Kriegsverbrechen verübt hatte. Zudem gab es verfassungsrechtliche Vorbehalte gegenüber Out-of-Area-Einsätzen der Bundeswehr. Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl weitete das Engagement der Bundeswehr unter anderem in UNO-Einsätzen in Kambodscha und Somalia schrittweise aus, auch um die Akzeptanz für den Einsatz der Bundeswehr in der Bevölkerung und der Politik zu erhöhen.

 

Link: Die Ära Kohl im Gespräch 2016: Handlungsspielräume im Balkankonflikt

 

Mit der Beteiligung deutscher Soldaten am Einsatz von AWACS-Maschinen zur Durchsetzung des Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina und der Billigung dieses Einsatzes durch das Bundesverfassungsgericht 1993 waren erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligt.

Nach dem Vertrag von Dayton beteiligte sich die Bundeswehr an der NATO-schutztruppe (SFOR) zur Friedenssicherung in Bosnien und Herzegowina. Die Kriegshandlungen im Kosovo und die internationale Debatte um ein mögliches militärisches Eingreifen machte schließlich auch eine klare Positionierung der Bundesrepublik notwendig. In der heißen Phase der Auseinandersetzungen im Kosovo und der politischen Aktivitäten von UNO und NATO fanden am 27. September 1998 die Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag statt, aus denen SPD und Grüne als Sieger hervorgingen, während die CDU/CSU/FDP Regierung unter Helmut Kohl abgewählt wurde. In den Wochen zwischen der Bundestagswahl, der Konstituierung des neuen Bundestages am 26. Oktober und der Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung, die am 27. Oktober mit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung ihr Ende fanden, mussten die politischen Entscheidungen zu einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr getroffen werden.

Nachdem das noch amtierende Bundeskabinett unter Helmut Kohl dem Einsatz zugestimmt hatte, wurde der Einsatz als Antrag „Deutsche Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt (Drucksache 13/11469) in den Deutschen Bundestag eingebracht. In der letzten Sitzung des 13. Deutschen Bundestages 1998 am 16. Oktober billigten die Abgeordneten grundsätzlich die Beteiligung der Bundesrepublik und damit den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo. Außenminister Klaus Kinkel führte in der Sitzung aus:

„Am 13. Oktober 1998 hat der NATO-Rat den Einsatzbefehl für begrenzte Luftoperationen zur Abwendung der humanitären Katastrophe im Kosovo gegeben. Das Bundeskabinett hatte am 12. Oktober 1998 nach vorheriger Abstimmung mit Ministerpräsident Schröder und dem Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn Fischer, die Zustimmung zu diesem Beschluss des NATO-Rates autorisiert.“

In dem Antrag wurde bereits der mögliche deutsche Anteil an dem Einsatz festgelegt. Er umfasste unter anderem bis zu 14 Kampfflugzeuge des Typs Tornado in der Aufklärungs- und ECR-Version sowie Lufttransport und Marinekräfte.
Von den 580 bei der Abstimmung anwesenden Abgeordneten stimmte eine sehr deutliche Mehrheit von 500 Abgeordneten für den Antrag, 62 votierten dagegen und 18 enthielten sich. Aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion gab es nur eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen.

 

Externer Link: Stenographischer Bericht der 248. Sitzung des Bundestages

 

Zunächst schien ein Einsatz der NATO jedoch nicht nötig zu sein, denn der US-Unterhändler Richard Holbrooke erreichte, dass sich Belgrad zu einer Truppenreduzierung im Kosovo verpflichtete sowie zu einem Abkommen, das die Luftüberwachung des Kosovo durch die NATO und Beobachter der OSZE beinhaltete. Als Folge der zwischenzeitlichen Entspannung kehrten 80.000 Flüchtlinge in den Kosovo zurück. Die Entspannung war allerdings nicht von langer Dauer, denn die im Februar 1999 im französischen Rambouillet aufgenommen Verhandlungen zur friedlichen Beilegung des Kosovo-Konfliktes scheiterten. Die Ursache hierfür waren nicht zuletzt neue Übergriffe jugoslawischer bzw. serbischer Einheiten, die erneut in den Kosovo verlegt wurden und ethnische Säuberungen und Massaker verübten.

So waren laut Angaben des UNO-Flüchtlingswerks UNHCR nun bis zu 460.000 Menschen, zumeist albanische Kosovaren, auf der Flucht. Hinzu kam, dass Jugoslawien sowohl die Vereinbarungen mit Hoolbroke, als auch Teile des bereits verhandelten Rambouillet-Abkommens in Frage stellte. Zwischenzeitlich hatte der Deutsche Bundestag am 25. Februar 1999 bereits der Beteiligung an der militärischen Umsetzung des Abkommens zugestimmt. Letzte Verhandlungen zwischen dem US-Unterhändler Hoolbroke und Milosevic scheiterten am 22. März 1999. Am 23. März wurde dann die bereits Ende Januar vom NATO-Rat an Generalsekretär Javier Solana erteilte Vollmacht, einen Angriff zu befehlen, wirksam.

Am 24. März 1999 setzten dann im Rahmen der Operation „Allied Force“ Luftangriffe der NATO gegen jugoslawische Stellungen im Kosovo und in Jugoslawien ein. Die Bundesrepublik beteiligte sich mit dem am 30. Juni 1995 im Zuge des Krieges in Bosnien-Herzegowina aufgestellten Einsatzgeschwader 1 der Luftwaffe, das auf dem Militärflugplatz Piacenza in Italien, stationiert war. Neben Aufklärungseinsätzen wurden vor allem Einsätze zur Unterdrückung der gegnerischen Flugabwehr geflogen.

 

Der Kosovo Krieg auf dem 12. Parteitag der CDU Deutschlands 1999 in Erfurt

Mitten in der militärischen Auseinandersetzung fand am 26. und 27. April 1999 der 12. Parteitag der CDU in Erfurt statt.

Mit dem Initiativantrag „Frieden für den Kosovo“, den der Vorsitzende Wolfgang Schäuble in seinem Bericht ansprach, war der Kosovo-Konflikt hier ein zentrales Thema. Schäuble trug vor, dass sich die CDU die Entscheidung zu einer Beteiligung an den Kampfeinsätzen der NATO nicht leichtgemacht habe. Die Loyalität gegenüber den NATO-Bündnispartnern sei aber aus Sicht der Christlichen Demokraten ein Gebot der Staatsräson: „Aber auch das gilt: Loyalität, Verlässlichkeit heißt nicht blinde Gefolgschaft, sondern heißt Partnerschaft. Dies erlaubt nicht nur, sondern erfordert sogar den eigenen Standpunkt.“ Schäuble führte weiter aus: „Vertreibung, ethnische Säuberung und Völkermord dürfen nicht geduldet werden, schon gar nicht mitten in Europa. Deshalb gibt es keine Alternative zum Eingreifen der NATO.“ Mit dieser Begründung forderte Schäuble die Delegierten auf, dem Antrag zuzustimmen. Als Gastredner trat anschließen Rupert Neudeck auf, der über die Lage im Kosovo und über die Situation der Flüchtlinge sprach. In der anschließenden Aussprache, die Hans-Gert Pöttering leitete, kam es zu einer lebhaften Debatte über die Situation im Kosovo. Zu Wort meldeten sich unter anderem Doris Pack, Friedhelm Pflüger, Hildegard Müller, Volker Rühe und Heiner Geißler. Sowohl Pflüger, als auch Rühe warnten vor einem Einsatz von Bodentruppen und plädieren für eine Rücksichtnahme auf Russland, um das Land nicht als Partner zu verprellen.

Der Antrag wurde schließlich einstimmig, bei wenigen Enthaltungen, angenommen. In Punkt 2 des Beschlusses wurde festgehalten: „Die NATO handelt in Übereinstimmung mit der UNO-Charta und zur Durchsetzung der UN-Sicherheitsresolutionen 1160, 1199 und 1203“. So eindeutig dieses Bild auch war, so gab es auch Widerspruch gegen die Beteiligung der Bundesrepublik aus den Reihen der Union. Einer der schärfsten Kritiker war Willy Wimmer, der von einem Angriffskrieg sprach und sich von einer Beteiligung distanzierte.

 

Schlussbemerkung

Die völkerrechtliche Bewertung des Kosovo-Einsatzes der NATO ist bis heute umstritten, da er nicht durch einen UNO-Beschluss gedeckt war. Aus Sicht der Befürworter sollte mit dem Einsatz jedoch eine humanitäre Katastrophe verhindert werden. Die Angriffe endeten am 10. Juni 1999 und führten zum Abzug der jugoslawischen Armee und serbischer Verbände. Die KFOR-Einheiten sicherten das Kosovo. Damit konnten die albanischen Flüchtlinge letztlich in ihre Heimat zurückkehren. Gleichzeitig flüchteten große Teile der serbischen Bevölkerung aus dem Kosovo nach Restjugoslawien.

 

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