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Ernst Lieber Ernst Lieber © Christian Lieber

Ernst Maria Lieber

Zentrumspolitiker Dr. jur. 16. November 1838 Camberg/Nassau 31. März 1902 Camberg
von Rudolf Morsey

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Der Sohn des kirchenpolitisch aktiven Rechtsanwalts Moritz Lieber (1790–1860) verzichtete auf eine wissenschaftliche Laufbahn, um seine Mutter bei der Weiterführung des ererbten Teegeschäfts und der Erziehung seiner jüngeren Geschwister zu unterstützen. Daneben betätigte er sich beim Aufbau des kirchlichen Vereinswesens. Nach 1866 söhnte sich der großdeutsch gestimmte Nassauer mit Preußen aus und trat als Verteidiger des Kirchenstaates sowie als Vorkämpfer für die Bekenntnisschule in Nassau hervor. Seit den 1880er Jahren zählte Lieber zu den führenden Mitgliedern seiner Fraktion, auch in der Budget-Kommission. Dazu übernahm er kommunalpolitische Ämter in Nassau. Nach 1890 betätigte er sich für den Volksverein für das katholische Deutschland in Mönchen-Gladbach. Der christlich-soziale Gegner der Kulturkampfpolitik sowie des borussianischen Staatsdenkens unterstützte eine arbeiterfreundliche Schutzgesetzgebung. Im Ringen um die Nachfolge Ludwig Windthorsts – zu dem Lieber zuletzt in einem gespannten Verhältnis gestanden hatte – als „geborener Führer“ des politischen Katholizismus siegte der „Demokrat“ Lieber 1893 über Franz Graf von Ballestrem. Er vermochte die sozial homogene Zentrumsfraktion zusammenzuhalten. Lieber äußerte sich betont national, unterstützte die Handelsvertragspolitik von Reichskanzler Leo von Caprivi und machte die Zentrumsfraktion zum Mitträger der Reichspolitik. Der „Reichsregent“ Lieber war beteiligt am Zustandekommen der Reichsfinanzreform (1894-95), des BGB (1896), der Militärstrafgerichtsordnung (1898) und des Zolltarifvertrags (1902), vor allem aber an der Flottenrüstung seit 1898. Seine Unterstützung der Heeresvermehrung und Kolonialpolitik war in den eigenen Reihen umstritten, zumal es nicht gelang, die Reste der Kulturkampfgesetzgebung zu beseitigen. So blieb der von Lieber 1900 begründete „Toleranzantrag“ des Zentrums, der freie Religionsausübung in allen Bundesstaaten forderte, auf der Tagesordnung des Reichstags. Lieber hielt Verbindung zu den nach den USA ausgewanderten Deutschen und reiste mehrfach dorthin. Während eines Aufenthalts in Italien zur Linderung eines Magenleidens, das seine Erregbarkeit und Sprunghaftigkeit teilweise erklären dürfte, wurde er 1899 von Papst Leo XIII. empfangen; das seit 1887 und 1893 gestörte Verhältnis des Zentrums zur Kurie konnte entkrampft werden. Seit Ende 1899 nur noch selten in Berlin, hielt Lieber auf dem Katholikentag 1901 seine letzte Rede über die christliche Demokratie. Er hat mit seinem Einsatz zu Gunsten von Parität und Freiheitsrechten für alle Staatsbürger dazu beigetragen, die katholische Volksminderheit mit dem Kaiserreich auszusöhnen.

Bestand: Landesarchiv Speyer.

 

Lebenslauf

  • 1848 Abitur in Hadamar, Studium der Rechtswissenschaft in Würzburg, München, Bonn und Heidelberg
  • 1861 Promotion
  • 1870–1902 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses
  • 1871–1902 Mitglied des Reichstages (Zentrum).

 

Literatur

  • R. Morsey, in: ZGiLB 4 (1980)
  • M. Traut: Der Reichsregent. Ernst Liebers Weg vom Männer-Casino Camberg an das Ruder kaiserlicher Großmachtpolitik (1984)
  • F. Klein: Reichsfinanzpolitik und „Nationalisierung“ des Zentrums unter Ernst Maria Lieber 1891–1900, in: Historisches Jahrbuch 108 (1988)
  • Das politische Wirken des Reichstags-Abgeordneten Dr. Ernst Maria Lieber. „Ich selbst, in Glimpf und Schimpf.“ Gesehen in den Karikaturen und Texten der zeitgenössischen Witzblätter. Eine Publikation der Lieber’schen Bibliothek. Zusammengetragen und in Form gebracht von Christian Lieber (2019).

 

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