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Horst Köhler bei der festveranstaltung "50 Jahre Konrad-Adenauer-Stiftung" am 5. November 2005 im Plenarsaal des Deutchen Bundestags. Horst Köhler bei der festveranstaltung "50 Jahre Konrad-Adenauer-Stiftung" am 5. November 2005 im Plenarsaal des Deutchen Bundestags. © KAS/Harald Odehnal

Horst Köhler

Volkswirt, Finanzfachmann, Bundespräsident, Professor Dr. rer. pol. 22. Februar 1943 Skierbieszów/Polen
von Ina vom Hofe
Krieg, Flucht und Neuanfänge haben das Leben Horst Köhlers geprägt. Nach seiner überraschenden Wahl zum Bundespräsidenten setzte er sich für ein „Deutschland der Ideen“ ein und für eine stärkere Kooperation mit den afrikanischen Staaten. Ein Jahr nach seiner zweiten Wahl trat er unerwartet als Bundespräsident zurück, aus Pflichtbewusstsein und wegen fehlenden Respekts vor ihm und dem Amt wie er sagte.

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Jahre der Flucht

Als siebtes von acht Kindern einer Bauernfamilie aus Bessarabien wurde Horst Köhler am 22. Februar 1943 im polnischen Ort Skierbieszów geboren. Ein Jahr später, am 18. März 1944, floh die Familie Köhler vor der sowjetischen Armee nach Markkleeberg. In dem sächsischen Ort nahe Leipzig wurde Köhler 1949 eingeschult.

1953 flüchteten die Köhlers nach Baden-Württemberg, um einem Leben unter kommunistischer Diktatur zu entgehen. Über West-Berlin und ein Übergangslager in Weinsberg erreichte die Familie im Oktober 1953 Ludwigsburg. Hier wohnte sie zunächst in einem Flüchtlingslager. In seinen Erinnerungen schilderte Horst Köhler die kargen Verhältnisse: „Wir hatten eine Ecke mit drei Stockbetten. Diese Zimmerecke wurde mit grauen Militärdecken abgehängt.“

Im April 1957 konnten die Köhlers in eine eigene Wohnung einziehen. Im gleichen Jahr wechselte Horst Köhler von der Oststadtschule auf das Mörike-Gymnasium. Hier beendete er 1963 seine Schulzeit mit dem Abitur.

 

Soldat und Student

Mit bestandenem Abitur trat der 19-Jährige bei der Bundeswehr, die sich noch im Aufbau befand, seinen Wehrdienst an. Für weitere sechs Monate verpflichtete er sich als Zeitsoldat. Im März 1965 begann er dann ein Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität in Tübingen, das er mit einem Darlehen und Nebenarbeiten finanzierte. Nach nur vier Jahren schloss er das Studium als Diplom-Volkswirt ab.

 

Einstieg ins Berufsleben, politisches Engagement und Familiengründung

1969 heiratete Köhler seine langjährige Freundin Eva Luise Bohnet. Sie hatte im gleichen Jahr ihre Erste Prüfung für das Lehramt abgeschlossen und war im Anschluss an Sonderschulen tätig. Horst Köhler arbeitete als wissenschaftlicher Referent am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen. Dort legte er bereits mit der Abfassung einer Studie zum Thema des technischen Fortschritts und der Arbeitsproduktivität in der Bundesrepublik Deutschland seinen thematischen Schwerpunkt, der in seiner späteren Doktorarbeit mit dem Titel: „Freisetzung von Arbeit durch technischen Fortschritt“, von Bedeutung war.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses seiner Promotion 1977 war Horst Köhler bereits in der Grundsatzabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft unter dem damaligen Minister Otto Graf Lambsdorff (FDP) tätig. „Ich war damals 33 Jahre alt, und das Wirtschaftsministerium suchte einen theoretisch versierten, ordnungspolitischen, standfesten Ökonomen. Diese Formulierung hatte es mir angetan“, so begründete Köhler später seine Entscheidung, dort zu arbeiten.

Auch die Familiengründung fiel in diesen Zeitraum. Das Ehepaar Köhler bekam 1973 eine Tochter und 1977 einen Sohn.

1981 trat Köhler in die CDU ein. Nach einem Treffen mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg wechselte er als Referent vom Rhein an die Kieler Förde. Mit der Ernennung Stoltenbergs zum Bundesminister der Finanzen ein Jahr später änderte sich das Aufgabenfeld Horst Köhlers. Er kehrte zurück aus Kiel nach Bonn, wurde Leiter des Büros des Bundesministers und 1987 Abteilungsleiter für Grundsatzfragen der Finanzpolitik. Infolge der beruflichen Veränderungen zog auch seine Familie von Schwaben nach Bonn um.

 

Ernennung zum Staatssekretär

Nach drei Jahren rückte Horst Köhler in die höchste Position auf, die ein Beamter in einem Ministerium erreichen kann: Er wurde – als Nachfolger von Hans Tietmeyer am 1. Januar 1990 unter Bundesminister Theo Waigel – Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. In diesem Amt war er 1990 in die Verhandlungen über die deutsch-deutsche Währungsunion und zum Überleitungsabkommen für den Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der DDR eingebunden. Auch die Treuhandanstalt gehörte zu seinem Kompetenzbereich. Köhler erwirbt sich den Ruf, ein harter und hochqualifizierter Unterhändler zu sein – ein „Sherpa“, der wichtige Vorarbeit für ein späteres Abkommen auf höchster Ebene leistete. Besonders bei Absprachen im Vorfeld der Wirtschaftsgipfel der wichtigsten Industriestaaten (G8) von 1990 bis 1993 stellte er sein Können unter Beweis.

Nach drei Jahren verließ Köhler allerdings den Ministerialdienst und wechselte in das Amt des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Dies hatte vor allem private Gründe. Als konkreten Anlass nannte Köhler die Erblindung seiner Tochter und den Wunsch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.

 

Wechsel von der Politik in die Wirtschaft

Nach sechs Jahren an der Spitze der Sparkassenorganisation folgte ein Ruf in die internationale Wirtschaft: Auf Wunsch Bundeskanzler Helmut Kohls wechselte er zur 1991 gegründeten Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London. Seine Aufgabe dort war es, den Transformationsprozess in Ost- und Mitteleuropa und die Etablierung der Sozialen Marktwirtschaft zu koordinieren und zu unterstützen. Auf internationalem Parkett bewies er Führungsstärke, die Anerkennung fand. Nachdem zunächst die Berufung des Deutschen Caio Koch-Weser am Widerstand der USA gescheitert war, wechselte Köhler an die Spitze des Internationalen Währungsfonds. Am 1. Mai 2000 nahm er seine Arbeit in Washington auf. Er war der erste Deutsche, der diesen bedeutenden Posten innehatte. Seine vierjährige Tätigkeit war geprägt von Krisenprävention und seinen Einsatz für die Belange der Entwicklungsländer.

Die Universität Tübingen verlieh Köhler am 16. Oktober 2003 den Titel eines Honorarprofessors.

 

Bundespräsident

Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 23. Mai 2004 im ersten Wahlgang kehrte Köhler nach Deutschland zurück. Bei Amtsantritt war der damals 61-jährige der Öffentlichkeit kaum bekannt. So titelte die Bild-Zeitung: „Horst…wer?“. Mit dem Ziel, ein Bundespräsident aller Deutschen und für alle Menschen, die in Deutschland leben, zu sein, trat er seine erste Amtszeit an. Er setzte sich für ein „Deutschland der Ideen“ ein und sprach den Menschen Mut zu. Köhler wollte Reformen anstoßen und gab sich volksnah. Die Beliebtheit des Präsidenten in der Bevölkerung wuchs bald. Zu seinem Leitspruch wurde: „Ich will offen sein und notfalls unbequem“.

Köhler widersprach wirtschaftspolitischen Überlegungen der Bundesregierung, den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober auf den ersten Sonntag des Oktobers zu legen. Kurz vor Weihnachten 2004 forderte er die erneute Aufnahme der gescheiterten Verhandlungen über die Neuaufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Bis zur regulären Bundestagwahl 2006 sollten die Gespräche wiederaufgenommen werden.

Aufsehen erregte er ebenso mit seiner Anordnung, das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation nicht auszufertigen, da es gegen eine Bestimmung der Föderalismusreform verstoße.

Von besonderer innenpolitischer Tragweite war die Entscheidung Köhlers zur Auflösung des Deutschen Bundestages, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage gestellt hatte. Am 18. September 2005 fanden vorzeitige Neuwahlen statt.

Auch außenpolitisch setzte Köhler neue Schwerpunkte. Seine ersten Staatsbesuche führten ihn nach Afrika. Mit dem stetigen Werben für eine stärkere Kooperation zwischen Deutschland und den afrikanischen Staaten zeigte er, wie wichtig ihn die Entwicklung dieses Kontinents war.

Die Herausforderung eines Staatsbesuchs in Israel meisterte Köhler: Seine Rede vor der Knesset und der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Februar 2005 fanden ein positives Medienecho.

Köhler empfing insgesamt 79 ausländische Staatsoberhäupter und Regierungschefs in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit.

Im Mai 2009 stellte er sich erneut zur Wahl als Bundespräsident und wurde wiedergewählt. Doch seine Amtszeit dauerte nur kurz. Nach einem Interview auf der Rückreise von einem Besuch der deutschen Soldaten in Afghanistan wurde ihm unterstellt, er fordere, die Bundeswehr auch zur Verteidigung wirtschaftlicher Interessen Deutschlands einsetzen zu wollen. Seinen überraschenden Rückritt als Staatsoberhaupt am 31. Mai 2010 begründete er mit dem fehlenden Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten. Er sei zurückgetreten, um Schaden vom Amt abzuwenden", sagte er später. 

 

"Elder Statesman"

Nach seinem Rücktritt war Köhler weiterhin an der Universität Tübingen und in zahlreichen Ehrenämtern, als Redner und Publizist aktiv.

Sein besonderes Interesse galt weiterhin der Lage der Menschen in Afrika. In Deutschland warb er deshalb für Investitionen in afrikanische Projekte. „Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas.“ 2012 wurde er von Ban Ki-Moon, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, zum Mitglied des High Level Panel of Eminent Persons on the Post-2015 Development Agenda ernannt. Das Panel erarbeitete die Grundlage für die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, die 2015 von der UNO verabschiedet wurde. Zusammen mit Kofi Annan leitete er 2016/17 ein Special Panel der Afrikanischen Entwicklungsbank, das die Bank bei der Umsetzung ihrer Strategien berät. 

Im August 2017 wurde Köhler vom UN-Generalsekretär António Guterres zum Sondergesandten für die frühere spanische Kolonie Westsahara ernannt. Im Mai 2019 trat er aus gesundheitlichen Gründen von diesem Amt zurück. 

 

 

Lebenslauf

  • 1963 Abitur
  • 1963–1965 Wehrdienst und Zeitsoldat
  • 1965–1969 Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft in Tübingen
  • 1969 Diplom-Volkswirt
  • 1969–1976 wissenschaftlicher Referent am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen
  • 1976–1980 Mitarbeiter der Grundsatzabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft
  • 1977 Promotion
  • 1981 CDU (2004–2010 ruhend)
  • 1981–1982 Referent beim schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg
  • 1982–1987 Leiter des Ministerbüros im Bundesministerium der Finanzen
  • 1987–1990 Abteilungsleiter im Bundesministerium der Finanzen
  • 1990–1993 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen
  • 1993–1998 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes
  • 1998–2000 Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London
  • 2000–2004 Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF)
  • 2003 Honorarprofessor an der Universität Tübingen
  • 2004–2010 Bundespräsident
  • Oktober 2005 Gründung der Initiative "Partnerschaft mit Afrika"
  • 2017– 2019 UN-Sondergesandter für die ehemalige spanische Kolonie Westsahara

 

Veröffentlichungen

  • Bundespräsidialamt (Hrsg.): Reden und Interviews, Berlin 2010.
  • Bundespräsidialamt (Hrsg.): Reden und Interviews, Berlin 2005.

 

Literatur

  • Langguth, Gerd: Horst Köhler. Biografie, München 2007.
  • Müller-Vogg, Hugo: Horst Köhler. „Offen will ich sein und notfalls unbequem“. Ein Gespräch mit Hugo Müller-Vogg, Freiburg 2004.
  • „Sie leisten wirklich Großartiges unter schwierigsten Bedingungen". Ein Gespräch Horst Köhler im Gespräch mit Christopher Ricke, gesendet am 22. Mai 2010 im Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur.

 

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