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Marlene Lenz Marlene Lenz

Marlene Lenz

Übersetzerin, MdEP, Vizepräsidentin der EVP 4. Juli 1932 Berlin
von Denise Lindsay M.A.
„Europa schafft Chancen, auch für Frauen...“: Marlene Lenz engagierte sich in ihrer langjährigen politischen Karriere auf vielerlei Gebieten. Die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und die Weiterentwicklung des europäischen Gedankens waren ihr ebenso wichtig wie der Einsatz für die Menschenrechte weltweit. Das Empfinden für Gerechtigkeit und der Sinn für die Politik waren ihr von Kindheit an durch ihr Elternhaus vertraut.

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Herkunft, Ausbildung und erste berufliche Tätigkeit

Geboren wurde Marlene Lenz am 4. Juli 1932 in Berlin als zweites von vier Kindern des Juristen Dr. Otto Lenz und seiner Frau Marieliese, geb. Pohl. Weil ihr Vater dem NS-Staat nicht als Richter dienen wollte, schied er 1938 aus dem Reichsjustizministerium aus und ließ sich als Rechtsanwalt in Berlin nieder. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Otto Lenz von den Nationalsozialisten wegen seiner Verbindung zum Widerstandskreis um Carl Goerdeler inhaftiert und vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Nach der Befreiung durch sowjetische Soldaten aus der Haft am 28. April 1945 gehörte Lenz zu den Mitbegründern der CDU in Berlin. 1946 zog die Familie nach München, wo der Vater als freier Rechtsanwalt in Partnerschaft mit dem CSU-Politiker Dr. Josef Müller arbeitete, den er noch 1944 in einem Hochverratsprozess vor dem Reichskriegsgericht vertreten hatte. 1951 wurde Lenz von Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt berufen.

Marlene Lenz legte 1950 ihr Abitur am St. Anna-Gymnasium in München ab und studierte von 1951 bis 1953 Volkswirtschaft und Sprachen an der Universität Heidelberg. Ihr Studium schloss sie als akademisch geprüfte Übersetzerin für Englisch und Französisch ab.

Ihr Interesse für Europa zeigte sich früh, eine erste berufliche Tätigkeit führte sie von 1954 bis 1956 nach Paris, wo sie als Übersetzerin bei der französischen Europa-Union tätig war. Nach beruflichen Stationen bei der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft in Bonn (1956–1958), der EWG-Kommission in Brüssel – als Sekretärin im Kabinett Jean Rey (1958–1963) sowie als Sachbearbeiterin in der Generaldirektion für Auswärtige Beziehungen (1966–1968) –, trat sie 1968 wieder als Frauenreferentin in die Bundesgeschäftsstelle der CDU ein, wo sie schon einmal von 1963 bis 1966 tätig gewesen war. Hier oblag ihr als verantwortlicher Redakteurin auch viele Jahre die Herausgabe der Zeitschrift „Frau und Politik“ der CDU-Frauenvereinigung. Von 1968 bis 1971 war sie zudem als Generalsekretärin der Europäischen Frauen-Union aktiv, die Vizepräsidentschaft der Organisation übernahm sie 1977 für sechs Jahre. 1972 wurde sie Referentin im Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU. 1976 bis 1979 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin in der Enquetekommission „Frau und Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages.

 

Mitglied im Europäischen Parlament

1979, bei der ersten Direktwahl, gelang Marlene Lenz als eine von zwölf deutschen Frauen der Einzug in das Europäische Parlament. Mit ihr vertraten Hanna Walz und Renate Charlotte Rabbethge die CDU. Ihr Mandat übte sie 20 Jahre lang aus, bis sie sich 1999 von der politischen Bühne Europas verabschiedete. In einem Interview mit der „Bonner Rundschau“ am 10. Januar 1979 bezeichnete die Kandidatin „die Beziehungen Europas zu den Ländern der dritten Welt“ und die „Stellung der Frau in Europa“ als Hauptschwerpunkte ihrer künftigen Arbeit. Geprägt durch ihren Vater sah sie in der Einigung Europas einen Baustein für eine dauerhafte Friedenssicherung auf dem Kontinent. Ebenso wichtig war ihr der Einsatz für die Menschenrechte weltweit.

Von 1994 bis 1997 hatte sie den Vorsitz des Unterausschusses Menschenrechte im Europäischen Parlament inne. Verschiedentlich reiste sie nach Mittel- und Südamerika, wo sie sich über die Lage der Menschen vor Ort informierte und die Bemühungen nach Demokratisierung unterstützte. In ihren Augen waren eine fest verankerte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit die besten Mittel für eine Garantie der Menschenrechte. In der Zusammenführung von Entscheidungsstrukturen der Außen- und Entwicklungspolitik der Europäischen Union, der effizienteren Koordinierung der Aufgaben und dem gezielten Einsatz der zur Verfügung stehenden Instrumentarien sah sie die Möglichkeit, die Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte gezielter durchzusetzen. Sie begrüßte die Tatsache, dass alle Handels- oder Kooperationsabkommen mit Nicht-EU-Ländern eine Menschenrechtsklausel enthielten, deren Nichtbeachtung zur Aufkündigung der Abkommen führen konnte. Für Marlene Lenz stand der politische Dialog immer im Vordergrund, denn politische Zwangsmaßnahmen waren ihrer Meinung nach nur Ursache für neue Auseinandersetzungen.

Die jährliche Erstellung eines Berichts über die Lage der Menschenrechte in der Welt, die Durchführung von öffentlichen Anhörungen zu deren Situation, Dringlichkeitsentschließungen, die Beobachtung und Unterstützung von freien Wahlen sowie die Vergabe des Sacharow-Preises für geistige Freiheit waren in ihren Augen ein überaus geeignetes Instrumentarium zum Schutz und zur wirksamen Durchsetzung der Menschenrechte.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dehnte Marlene Lenz ihre Aktivitäten nach Mittel- und Osteuropa aus. Hier stand die Entwicklung partnerschaftlicher Beziehungen zu den ehemaligen Ostblockstaaten im Fokus ihres Interesses. Es war ihr ein Anliegen, den dort zum Teil neu entstandenen Staaten eine klare Perspektive für die EU-Erweiterung zu geben. Auch der Schutz von Minderheiten spielte in ihren Augen eine zunehmend wichtigere Rolle in den Mitgliedsstaaten der EU.

Es war und ist für Marlene Lenz eine Selbstverständlichkeit, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Im Europäischen Parlament war sie von 1984 bis 1999 Mitglied im „Ausschuss für die Rechte der Frau“, dessen Vorsitz sie von 1984 bis 1987 innehatte. Der Ausschuss setzte sich als Ziele: gleiches Entgelt für Frauen und Männer, gleicher Zugang zum Beruf, Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit, Durchsetzung flexibler Arbeitszeiten sowie Bekämpfung der Frauenarbeitslosigkeit. Für die unverheiratet gebliebene Marlene Lenz bedeutete Chancengleichheit für Frauen immer auch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies bedingte in ihren Augen die Schaffung neuer Arbeitszeitmodelle. Wichtig war es ihr auch, die gleichberechtigte Teilhabe für Frauen in allen Lebensbereichen zu erreichen. Dazu gehörten für sie die bessere Vertretung von Frauen in den Entscheidungsgremien von Parteien und Gewerkschaften ebenso wie der Schutz vor Gewalt und Diskriminierung.

Ihren europapolitischen Sachverstand brachte Marlene Lenz zudem in den Deutschen Bundestag ein. Von 1984 bis 1990 war sie Mitglied im Unterausschuss Europäische Gemeinschaft, einem Teil des Auswärtigen Ausschusses, und von 1995 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Europäischen Parlament gehörte sie dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages an.

 

Weiteres Engagement

Über viele Jahre hinweg engagierte sich Marlene Lenz auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), wo sie dem Geschäftsführenden Ausschuss angehörte. Mehrere Jahre arbeitete sie in der Kommission 10 „Europa“ des ZdK mit.

Sehr verdient machte sie sich drüber hinaus in der Bonner Kommunalpolitik und im Kreisverband der Bonner CDU. Zudem war sie stellvertretende Vorsitzende der Kreisfrauenvereinigung in ihrem Wohnort Bonn sowie Mitglied des Vorstands der Landesfrauenvereinigung des Rheinlands. Nach dem Hauptstadtbeschluss setzte sie sich für Ausgleichsmaßnahmen für die betroffene Stadt Bonn ein. Die Zukunft der ehemaligen Bundeshauptstadt sah sie in der Ansiedlung bzw. dem Erhalt von europäischen Institutionen.

 

Lebenslauf

  • 4. Juli 1932 Geburt in Berlin, römisch-katholisch
  • 1950 Abitur am St. Anna-Gymnasium in München
  • 1951–1953 Studium an der Universität Heidelberg mit dem Abschluss akademisch geprüfte Übersetzerin
  • 1954–1956 Tätigkeit als Übersetzerin in Paris
  • 1956–1958 Tätigkeit bei der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft in Bonn
  • 1957 Eintritt in die CDU
  • 1958–1963 und
  • 1966–1968 Tätigkeit bei der EWG in Brüssel (Kabinett Jean Rey sowie in der Generaldirektion für Auswärtige Beziehungen)
  • 1963–1966 Frauenreferentin in der Bundesgeschäftsstelle der CDU in Bonn
  • 1967–1971 Generalsekretärin der Europäischen Frauen-Union
  • 1972–1975 Referentin im Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU-Bundesgeschäftsstelle
  • 1975–1981 Vizepräsidentin der Europäischen Frauen-Union
  • 1976–1979 Wissenschaftliche Referentin in der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages
  • 1979–1999 Mitglied des Europäischen Parlaments

Veröffentlichungen

 

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