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Ursula Bendix, Portrait. Ursula Bendix, Portrait. © KAS/Peter Bouserath

Ursula Benedix-Engler

Lehrerin, Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete 12. September 1922 Neurode 17. Mai 2014 Emden
von Dorothea Oelze
Durch Krieg und Vertreibung nahm Ursula Benedix-Englers Lebensweg einen ganz anderen Verlauf, als sie sich das einmal vorgestellt hatte. Die Erfahrung von Diktatur, Krieg und Besatzung liess in ihr aber das Pflichtgefühl gegenüber der Demokratie erwachen, das sie in die Politik führte.

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Kindheit in der schlesischen Provinz und Studentenzeiten

Ursula Benedix kam am 12. September 1922 im kleinen schlesischen Neurode zur Welt. Ihre Eltern, Robert Benedix und seine Frau, waren wohlhabende und angesehene Geschäftsleute mit einer eigenen Lebensmittelgroßhandlung, Spirituosenfabrik und Weinhandlung. Sie verstanden sich als Partner und waren gleichermaßen im Betrieb eingespannt. Ursula verlebte unter der Obhut von Kindermädchen eine unbeschwerte und fröhliche Kindheit in der schlesischen Provinz.

Da sie das einzige Kind war, sollte Ursula später einmal den elterlichen Betrieb übernehmen. Daher absolvierte sie auf Wunsch ihrer Eltern nach dem Besuch des Progymnasiums in Neurode von 1937 bis 1940 zunächst eine kaufmännische Lehre im Groß- und Außenhandel. Die 18-jährige gab sich indes nicht mehr mit dem kleinen Neurode zufrieden und überzeugte  ihre Eltern davon, sie auf eine höhere Schule zu schicken. Zu deren Entsetzen zog es Ursula Benedix ausgerechnet in den „Sündenpfuhl“ Leipzig. Dort machte sie 1943 Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium und begann anschließend ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule Leipzig. Bald schon aber erreichte der Krieg die Universitätsstadt. Weil sie zunehmend Luftangriffen ausgesetzt war, wechselte Benedix nach wenigen Monaten ins ruhigere Breslau. Doch auch hier war sie nicht lange vor dem Krieg sicher. 1944 schloss die Universität ihre Pforten und Benedix wurde zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Als Flakhelferin wurde sie vor allem bei Pilsen zum Schutz der Škoda-Werke eingesetzt.

 

Flucht aus dem Reichsarbeitsdienst, Bauernmagd und Hilfslehrerin

Angesichts der aussichtslosen Lage organisierte Benedix im März 1945 die Flucht aller Kameradinnen aus ihrer Stellung. Sie selbst wollte sich zu den Eltern ins schlesische Neurode durchschlagen. Doch machten die Nachrichten der ihr entgegenkommenden Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten ihre Pläne bald zunichte. Um sich eine Lebensgrundlage zu sichern, verdingte sich Benedix stattdessen in Sachsen und Brandenburg auf Bauernhöfen, wo sie zu allen Arbeiten hinzugezogen wurde.

Schließlich verschlug es sie ins brandenburgische Prießen. Dort wurde sie 1945 vom örtlichen Schulrat auf Grund des Lehrermangels als Hilfslehrerin eingestellt. Obwohl sie sich für unqualifiziert hielt, unterrichtet sie Kinder in überfüllten Klassen, wurde mit der Integration zahlloser Flüchtlingskinder in die schulische und dörfliche Gemeinschaft konfrontiert und kämpfte gegen Mangelversorgung und Hoffnungslosigkeit.

Nun erhielt sie auch endlich ein Lebenszeichen ihrer Eltern, die sich aus Neurode in die britische Besatzungszone ins Grenzgebiet zur SBZ hatten retten können. Mit mehreren illegalen Grenzübergängen konnte Benedix den Kontakt zu ihren Eltern halten. Von deren Wohlstand war ihnen lediglich ein Sack mit Wertgegenständen geblieben.

Da ihre Eltern auch das Abiturzeugnis ihrer Tochter mitgebracht hatten, entschloss diese sich für die Wiederaufnahme eines Studiums. Weil BWL oder VWL keine Option darstellten, blieb Benedix ihrer pädagogischen Arbeit treu und schrieb sich für Wirtschaftspädagogik an der Kölner Universität ein. In einer Nacht- und Nebel-Aktion verließ sie 1947 Prießen, um im zerstörten Köln einen Neuanfang unter ärmlichsten Lebensbedingungen zu wagen; Kälte und Hunger prägten das Leben der Stadtbewohner. Da sie für ihr winziges Zimmer keine Miete zahlen konnte, stahl sie Kohlen für ihre Wirtin. Trotz der widrigen Umstände der Nachkriegszeit bestand Benedix ihren Abschluss zur Diplomhandelslehrerin nach drei Jahren mit einem „sehr gut“. Ihr Referendariat begann sie 1950 in der Berufsfachschule im niedersächsischen Uelzen. Hier hatten ihre Eltern in der Zwischenzeit eine neue Spirituosenfabrik aufgebaut. Bis 1967 unterrichtete Benedix an der Kreisberufsschule und an verschiedenen Berichts- und Berufsfachschulen der Stadt.

 

„Um Gottes Willen, Fräulein Benedix, Sie machen doch nicht etwa in Politik?“

Ihre langen Wanderungen durch das besetzte Deutschland hatten in Ursula Benedix den festen Entschluss heranreifen lassen: Wenn sie nochmal in einem freien Land leben kann, dann wird sie am Erhalt dieser Freiheit mitarbeiten! So trat sie bereits in Prießen in die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) ein. Als Wahlhelferin bei der ersten Kommunalwahl in der SBZ erlebte sie 1946 mit, wie das Wahlergebnis manipuliert wurde. Mit ihrer Flucht in den Westen endete Benedix‘ parteipolitisches Engagement zunächst. Erst mit ihrem Umzug nach Uelzen war ihre Existenz so weit gesichert, dass sie sich wieder politisch einbringen wollte. 1953 trat sie der CDU bei. Die Entscheidung für die christliche Demokratie und gegen die ebenfalls um sie werbende DP oder den BHE fiel auf Grund der allgemeinen politischen Perspektive, die sie der CDU beimisst. Das „C“ spielte für die Katholikin dabei eher eine grundsätzliche als konkrete programmatische Rolle.

Als Benedix erstmals und sogleich erfolgreich bei einer Kommunalwahl kandidierte, musste sie zunächst die Erfahrung machen, dass sie zu Gunsten eines Mannes auf das Mandat verzichten sollte. Erst nach ihrer Wahl 1964 zog sie selbst in den Stadtrat von Uelzen ein.

Ihre politische Karriere nahm rasant an Fahrt auf. Sie engagierte sich in der Frauenvereinigung Niedersachsens und traf dort auf die profilierte Bundespolitikerin Margot Kalinke, die sich für die Lehrerin einbringt. Bei der Landtagswahl 1967 kam es allerdings zum Bruch zwischen Kalinke und Benedix. Obwohl sie die ihr von der Frauenvereinigung angetragene Kandidatur für den Landtag zuvor abgelehnt hatte, ließ Benedix sich vom Vorsitzenden des CDU-Bezirksverbands Lüneburg überzeugen, doch für den Landtag zu kandidieren. Dies führte zu einer erbitterten Auseinandersetzung mit der Frauenvereinigung, die sich inzwischen für eine andere Kandidatin entschieden hatte und nun fürchtete, keine weitere Frau in den Landtag bringen zu können. Tatsächlich zog Ursula Benedix über die Landesliste als eine von nur vier Frauen der 63-köpfigen CDU-Fraktion in den Landtag ein, während die Kandidatin der Frauenvereinigung bei der Wahl unterlag. Dieser erste Schlagabtausch auf dem politischen Parkett endete für Benedix zwar glücklich, sorgte aber dennoch für Ernüchterung und Enttäuschung. Benedix wurde Mitglied des Rechtsausschusses sowie des Unterausschusses Strafvollzug. Die Hinterbänklerin tastete sich langsam vor und fand in der Schul- und Kultuspolitik ihr Steckenpferd. Insbesondere den Einsatz für das Duale Ausbildungssystem empfand sie als einen ihrer größten Erfolge.

Auch in der CDU in Niedersachsen machte sich die Abgeordnete einen Namen. 1970 wurde sie in den Landesvorstand der CDU in Niedersachsen gewählt, zwei Jahre später zur Stellvertreterin des Landesvorsitzenden Wilfried Hasselmann. Diese Position behielt sie bis 1989. Den Zwist mit der Frauenvereinigung Niedersachsens hatte sie mittlerweile beigelegt. Als Margot Kalinke 1971 von ihrem Amt als Landesvorsitzende zurücktrat folgte ihr die inzwischen etablierte Kultuspolitikerin ins Amt. Erstmals musste sich Benedix auch aktiv um Frauenfragen kümmern – ein Politikfeld, das ihr offensichtlich lag. Bis sie 1990 auf eine erneute Kandidatur verzichtete, schenkten ihr die Frauen der niedersächsischen CDU immer wieder das Vertrauen als Vorsitzende.

 

Sprung auf die Bundesebene

1972 verstarb die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Maria Henze, deren Mandat nun Ursula Benedix angetragen wurde. Diese lehnte zunächst ab, hatte sie sich doch in den letzten Jahren breite Kompetenzen, Sicherheit und ein Netzwerk im Landtag erarbeitet. Schließlich gab sie jedoch dem Druck aus dem Landesvorstand der Frauenvereinigung nach und wurde noch im gleichen Jahr über die Liste in den Deutschen Bundestag gewählt. Hier hatte die Newcomerin das Glück, dass ihr der Plenumssitz neben dem ebenfalls neu ins Parlament eingezogenen Karl Carstens zugewiesen wurde. Der erfahrene frühere Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes wurde ihr Protegé. „Wohin er gewählt wurde, zog er mich nach“, erinnerte sie sich (Mut zur Verantwortung, S. 39). Unter anderem berief er sie nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion in den engen Beraterkreis, mit dem er sich neben dem Fraktionsvorstand umgab. Im Bundestag wurde Benedix ihrem Ruf als Schul- und Kultusexpertin im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologie gerecht. Hier kämpfte sie vor allem gegen das SPD-Modell einer integrierten Gesamtschule, für die ausgewogene Darstellung deutscher Geschichte und des Deutschlandbildes im Schulunterricht sowie für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zur Demokratie. Aber auch bei Frauenthemen schwieg sie nicht, konnte dabei mitunter sogar „ziemlich erpresserisch vorgehen“ (Mut zur Verantwortung, S. 39). 1976 und 1980 zog sie erneut in den Bundestag ein, nun für den Wahlkreis Northeim-Osterode, den sie sich nach parteiinternen Querelen sichern konnte.

Besondere Überzeugungskraft bewies sie im Dezember 1976, als sie hinter den Kulissen auf Franz-Josef Strauß einwirkte, um den Kreuther Trennungsbeschluss zurückzuziehen.

Wenige Monate nach ihrem Einzug ins Parlament kam Benedix auch in der Partei auf der höchsten Entscheidungsebene an: Im April 1973 wurde sie in den Bundesvorstand der Frauenvereinigung gewählt, 1977 wurde sie stellvertretende Bundesvorsitzende. Ebenfalls 1973 erfolgte ihre Nominierung zur Kandidatin für den CDU-Bundesvorstand durch die Landesvorsitzenden der Frauenvereinigung. Sie willigte in die Kandidatur ein, nicht ohne sich jedoch zuvor mit dem anderen niedersächsischen Kandidaten, Rudolf Seiters, und dem Landesvorsitzenden Hasselmann abzusprechen. Für sie überraschend wurde sie als eine von nur zwei Frauen in den Bundesvorstand gewählt, während Seiters aus dem Bundesvorstand ausscheiden musste. Dem Gremium gehörte sie an, bis sie 1979 nicht erneut kandidierte. Für den Parteivorstand erarbeitete sie unter anderem als Vorsitzende eines eigens dafür gebildeten Arbeitskreises und zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Konzept zur politischen Bildung.

 

Langsamer Rückzug ins Privatleben

Zur Bundestagswahl 1983 kandidierte Bendix nicht mehr. Für ihren Wahlkreis zog nun ihre frühere Mitarbeiterin und enge Freundin Gertrud Dempwolf in den Deutschen Bundestag ein. Die Gründe für diesen Rückzug waren privater Natur. 1979 hatte sie ihren langjährigen Lebensgefährten Arthur Engler, ehemals Mitglied und Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, geheiratet. Seitdem trug sie den Doppelnamen Benedix-Engler. Inzwischen war ihr Mann jedoch schwer erkrankt, so dass sie sich stärker um ihn kümmern wollte. Lediglich ihre Ämter als Vorsitzende der niedersächsischen Frauenvereinigung und stellvertretende Bundesvorsitzende der Frauenvereinigung behielt sie bis 1990 bei – ein ohnehin nicht unerhebliches Arbeitspensum, das nach dem Tode der Bundesvorsitzenden Helga Wex im Jahr 1986 noch größer wurde, weil Benedix-Engler bis 1990 kommissarisch den Vorsitz der Vereinigung, die sich 1988 in Frauen-Union umbenannte, übernahm.

Seit der Wiedervereinigung 1990 engagierte sich die Politikerin vor allem beim Aufbau Sachsen-Anhalts. Noch im gleichen Jahr verstarb ihr Mann, ein Schicksalsschlag, der eine große Leere in ihrem Leben hinterließ. Sie konnte sich jedoch auf ihre Familie stützen und fand schließlich in einem früheren Schulfreund aus Leipziger Zeiten einen Gefährten, mit dem sie ihrem Lebensabend entgegen gehen konnte.

Ursula Benedix-Engler verstarb am 14. Mai 2014. Zufrieden blickte sie auf ein reiches Leben zurück. Nach vielen politischen Erfolgen – aber auch mancher Enttäuschung – blieb der Frauenpolitikerin die Erkenntnis, dass Solidarität unter Frauen und ihre Bereitschaft, härter zu arbeiten, als es von ihren männlichen Kollegen erwartet wird, zwingend nötig sind. Dann ist Frauen große Wirkung in der Politik gewiss.

Lebenslauf

  • 12.09.1922 geb. in Neurode, kath.
  • bis 1937 Besuch eines Progymnasiums
  • 1937-1940 Kaufmännische Lehre im Groß- und Außenhandel
  • 1943 Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Leizpig
  • 1943-1944 BWL-Studium in Leipzig und Breslau
  • 1944-1945 Reichsarbeitsdienst
  • 1945-1947 Hilfslehrerin im brandenburgischen Prießen
  • 1947-1950 Studium der Wirtschaftspädagogik in Köln
  • 1950-1967 Berufsschullehrerin in Uelzen
  • 1953 Eintritt in die CDU
  • 1964-1967 Stadträtin in Uelzen
  • 1967-1972 MdL Niedersachsen
  • 1971-1990 Landesvorsitzende der Frauen-Union Niedersachsen
  • 1972-1983 MdB
  • 1972-1998 stellvertretende Landesvorsitzende der CDU in Niedersachsen
  • 1973-1979 Mitglied des CDU-Bundesvorstands
  • 1977-1990 stellvertretende Bundesvorsitzende der Frauen-Union
  • 1979 Eheschließung mit Arthur Engler
  • 17.05.2014 verstorben

Veröffentlichungen

 

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