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"Regierung kann nicht gegen ökonomische Realitäten ‚anregieren‘"

Susanna Vogt im Interview mit KAS.de

Vor zwei Wochen haben die Griechen ein neues Parlament gewählt und die sozialistische Partei „Syriza“ unter Alexis Tsipras zur stärksten Partei gemacht. Seitdem blickt Europa mit Sorge nach Athen, wo sich die neue Regierung sogleich aufgemacht hat, den von den Gläubigern geforderten Reformkurs zu beenden. Doch welchen Handlungsspielraum hat Griechenland? Und welchen Kurs wird die Europäische Union fahren, sollte Hellas wie nun angekündigt vom vereinbarten Reformkurs Abstand nehmen? Darüber sprach Susanna Vogt, Leiterin des Athen-Büros der Adenauer-Stiftung, im Interview mit KAS.de.

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Die Situation in Griechenland entbehre leider nicht einer gewissen Tragik, sagte Susanna Vogt im Interview mit KAS.de. Denn sie habe sich nach der Wahl politisch und wirtschaftlich zugespitzt, „obwohl es erstmals positive Zeichen nach fünf langen Reformjahren im Land gegeben hat“, so die Leiterin des Athen-Büros. Nicht nur habe der Staatshaushalt im Jahr 2014 einen positiven Primärsaldo erreicht, auch die Arbeitslosigkeit sei, wenn auch weiter auf hohem Niveau, erstmals rückläufig und die Stimmung der Wirtschaft deutlich besser gewesen.

Tsipras testet die Grenzen der griechischen Verhandlungsposition

Wahr sei jedoch auch, dass wichtige Strukturreformen spät oder gar nicht angegangen worden seien. „Wichtige Märkte wurden nicht liberalisiert und Privatisierungen stehen in weitem Umfang noch aus – beide Strukturmaßnahmen hätten die Situation der Bevölkerung verbessern können, die die bisherigen Reformen als reine Sparpolitik wahrnimmt.“ Davon habe Syriza bei der Wahl profitieren können, so Vogt.

Trotz aller Kritik aus Europa und einer erneuten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands bekenne sich Alexis Tsipras nach wie vor dazu, seine Wahlversprechen vollständig umsetzen zu wollen „und testet so ganz klar die Grenzen für die griechische Verhandlungsposition im europäischen Kontext aus“. Sein lautes Auftreten in der Heimat würde durch den rechtspopulistischen Koalitionspartner noch verstärkt. Der Kurs der neuen Regierung wolle zum Teil wichtige vollzogene Reformen zurückdrehen und verfolge insgesamt ein staatszentristisches Konzept, vor allem wirtschaftlich. „Doch das ist ein gefährlicher Kurs, der insbesondere auf europäischer Ebene auf eine Konfrontation hinausläuft und es ist nicht erkennbar, mit welchem Konzept die neue griechische Regierung in eine mögliche Verhandlung eintreten möchte.“

Umfang an Solidarität bisher einmalig

Am 28. Februar läuft das derzeitige Rettungsprogramm aus und trotz aller griechischer Ankündigungen erwarten die europäischen Partner, dass Athen eine Verlängerung beantragt und sich zu weiteren Reformen bekennt. Letztlich gäbe es jedoch keinen wirklichen Hebel, sodass man auf die Einsicht der Regierung setzen müsse. „Griechenland steht ökonomisch, fiskalpolitisch und damit auch zeitlich enorm unter Druck und es gibt keine Zeit für Experimente.“ Dazu komme, dass die Regierungskoalition nicht gegen die ökonomischen Realitäten ‚anregieren‘ könne.

Anders, als auch in Griechenland immer wieder diskutiert, müsse man sagen, dass der Ausgangspunkt dieser schwierigen Situation für das Land nicht die Kreditvereinbarungen mit den europäischen Partnerländern waren, sondern der faktische Staatsbankrott im Jahr 2010. „Die Solidarität der europäischen Steuerzahler hat versucht, diese Entwicklung mit Krediten zu verhindern.“ Dieser Umfang an Solidarität sei in der Geschichte der europäischen Integration einmalig und so werde nun auch erwartet, dass es dieses proeuropäische Bekenntnis auch vonseiten der griechischen Regierung gebe. „In dieser Hoffnung muss man auf die nächsten Tage blicken und darauf bauen, dass es einen Kompromissweg zwischen den Verhandlungspartnern geben kann.“

Das komplette Interview finden Sie als Audio-Mitschnitt in der rechten Spalte.

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26. Januar 2015
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