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Country Reports

Japans mutiges Bekenntnis

by Thomas Awe

Pendeldiplomatie zwischen Tokio und Taipeh

Japans über 200 diplomatische Missionen unterhalten zu 195 Staaten (einschließlich der 193 UN Mitglieder, außer zu Nordkorea) offizielle außenpolitische Beziehungen; darunter auch zum Vatikan, der Republik Kosovo und den Cookinseln. Keine formalen Verbindungen bestehen zu Taiwan (Eigenbezeichnung „Republik China“) und nach Palästina.

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Japans Premierminister Shinzo Abe. | © #G7Charlevoix / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 © #G7Charlevoix / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0
Japans Premierminister Shinzo Abe. | © #G7Charlevoix / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Japan ist Teil der 1945 von 51 Staaten gegründeten Vereinten Nationen, deren Vollmitgliedschaft das Land allerdings erst 1956 nach mehreren Anläufen und der Unterzeichnung eines japanisch-sowjetischen Normalisierungsvertrages erreichte.

Mit gegenwärtig fast 300 Millionen USD gehört Nippon nach den USA (600 Millionen USD) zu den finanzstärksten Beitragszahlern. Trotz wiederholter Anstrengungen, einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat der VN zu erlangen, sind diese Bemühungen bislang zum Scheitern verurteilt gewesen.

Da die Inselnation, neben Deutschland und Italien, zu den Verlierernationen des Zweiten Weltkriegs gehört, wird hierin - und im kontinuierlichen Veto der VR China - das Haupthindernis einer Aufwertung Nippons innerhalb der Staatengemeinschaft gesehen.

Seit Jahrzehnten versucht das Land deshalb über massive finanzielle Zuwendungen im Rahmen seiner offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) an internationale Organisationen und Einzelstaaten auch nationales Prestige und politischen Einfluss zu erlangen.

In den 1990er Jahren des vorigen Jahrhunderts war Nippon der weltweit mächtigste ODA Einzahler.

Japans friedenserhaltende Missionen (PKO, Peace Keeping Operations) bilden neben den VN- und globalen (WTO) sowie regionalen Wirtschaftsforen (ASEAN, APEC) und der offiziellen Entwicklungshilfe das dritte Gerüst seiner staatenübergreifenden Architektur.

Aktuelles Sicherheitsgefüge

Die Pazifikpolitik Japans blieb über Jahrzehnte konstant, d.h. von etablierten Bündnissystemen gekennzeichnet, und geprägt von der Angst vor einem ständig erstarkenden China und der unberechenbaren militanten DVRK (Nordkorea).

Als scheinbar unverbrüchliches primäres Kernelement galt bis 2017 das Verhältnis Japans zu den Vereinigten Staaten. Der sicherheitspolitische Aktionsradius des bisher geltenden Koordinatensystems aller auswärtigen Beziehungen wurde stets in Übereinstimmung mit den geostrategischen Interessen der USA gezogen. Zwischen Beiden bestand eine Art reziproke Relevanz.

Tokios Handlungsspielräume erfuhren allerdings in den letzten Monaten sowohl durch die innerkoreanische und US-nordkoreanische Annäherung als auch den nach wie vor forcierten militärischen Griff der VR China nach Aufrüstung und Hegemonie besonders im Südchinesischen Meer erweiterte sicherheitspolitische Herausforderungen.

Nordkoreas irrationale, gleichwohl besorgniserregende Drohungen der Zerstörung gerade Japans als asiatischen Hauptfeind in der Region (auch unter Inkaufnahme der eigenen Selbstvernichtung) veranlassten das Land, sich umso enger an die USA gebunden zu fühlen.

Doch Donald Trumps erratische Volten haben auch im Land des Lächelns hinter aller Diplomatie und hektisch vorauseilender Gestik aufseiten Japans bilaterales Vertrauen und bündnisgesicherte Verlässlichkeit zwischen Tokio und Washington verspielt. Seit Trump wissen die Japaner nicht mehr genau, woran sie bündnis- und sicherheitspolitisch eigentlich sind, und seit dem Singapur-Gipfel im Juni d. J. zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem nordkoreanischen Staatschef haben bislang ungeahnte Vorstellungen über wechselvolle Großmachtkonstellationen zwischen China und den USA, aber auch deren Auswirkungen auf die koreanische Halbinsel, Hochkonjunktur.

Durch diese Irritationen, Spannungen und machtpolitische Traumatisierungen ist Japan unmittelbar betroffen; denn das Land sieht eine Front des Misstrauens gegen sich errichtet (zur großen Bestürzung Tokioter Politiker sowohl von China und Nordkorea als auch neuerdings den USA). Deren augenscheinlich diskutierte Aufkündigung direkter sicherheits- und vertrauenspolitischer Dialogbereitschaft im Vorfeld der Nordkorea-„Strategie“ der USA haben Japan stärker getroffen als die Feindschaft gegenüber Nordkorea oder der ewige Kampf mit China um die regionale Zentrumsfunktion in Ostasien.

Japans außenpolitischer Kurs ist massiv ins Schlingern geraten. Dennoch gelingt der Inselnation auf der interasiatischen Politikebene unter subtiler Wahrung von Grenzen und roten Linien anderer Mächte im Indo-Pazifik ein diplomatisches, sino-japanisches Kunststück. Denn neben dem perforierten US-Beziehungschaos, der Suche nach Abwehr bzw. Lösung nordkoreanischer Bedrohung und der kontinuierlichen Rivalität mit China ist eine überraschend erfolgreiche Pendeldiplomatie zwischen Tokio und dem taiwanischen Taipeh in Gang gesetzt und aufrechterhalten worden, als deren Motiv der sukzessive Wiedergewinn souveräner Selbstbehauptung Japans wirkt.

In der selbstbestimmten Verfügung innenpolitischer Entscheidungen, den eigenen internationalen Aktionsradius zu erweitern und sich ggfs. gegen den Trend realer Machtkonstanten durchzusetzen, spiegelt sich auch ein Stück Emanzipation eines Staates wider, der seit über siebzig Jahren außenpolitisch nie wirklich frei war.

1Name und Bedeutung

Als das Tokioter Außenministerium am 1. Januar 2017 den Titel der ständigen Vertretung (und Quasi-Botschaft) Japans auf Taiwan änderte, hat das nur Wenige interessiert.

Die Bezeichnung – aus der früheren „Interchange Association“ wurde nunmehr die „Japan/Taiwan Exchange Association“ schien eher eine lapidare Begriffserweiterung zu sein als das außenpolitische Bekenntnis zu einer zusehends verfemten chinesisch regierten, der kommunistischen Ostküste 130 Kilometer vorgelagerten, kleinen subtropischen Insel, etwa von der Größe Belgiens, deren international ungeklärter Status Quo der mächtigen Volksrepublik seit Langem ein Dorn im Auge ist. Und die nach wie vor nichts unversucht lässt, alle Staaten, die eine unabhängige, wenn auch nur paradiplomatische Beziehung zu Taiwan unterhalten, einzuschüchtern und abzustrafen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die neue Tokioter Namensgebung mutig, gewagt und überraschend. Denn gerade Japans auswärtige Politikgestaltung als „Kurs der Vorsicht“ vermied stets die exponierte Selbstbehauptung oder gar kalkulierte Provokation.

Geschichtlicher Rückblick

Nach dem für Japan siegreichen Chinesisch/Japanischen Krieg wurde Taiwan (Formosa) 1895 im Frieden von Shimonoseki Nippons erste Kolonie. Friedlich ging es nicht zu: der Inselwiderstand dort musste zunächst gewaltsam gebrochen werden, bevor das Kaiserreich mit dem infrastrukturellen Aufbau dieses wirtschaftlich und logistisch bedeutenden „Außenpostens“ beginnen und Taiwan auch militärisch „erschließen“ konnte. 1945 endete die japanische Oberhoheit über Formosa. Es mutet zynisch an, dass sich Japan später nach der Besetzung Taiwans als Befreier von Imperialismus und Fremdherrschaft – gemeint war wohl die mandschurische Qing-Dynastie - gerierte und feiern ließ.

Allerdings: nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen über eine bis dahin als unbesiegbar geltende westliche Großmacht im darauffolgenden Russisch/Japanischen Krieg (1904/05) erhielten panasiatische nationale Bewegungen unter charismatischen Politikern wie Nehru oder Sun Yat-sen tatsächlich neuen ideologischen Auftrieb mit dem Slogan „Asien den Asiaten“.

Seit 1949 agiert Taiwan de facto bis heute als ein unabhängiger, überwiegend proamerikanischer Staat, dessen Schwierigkeiten, Dilemmata und Paradoxien hinlänglich bekannt, doch nach wie vor noch immer Anlass für internationale Streitigkeiten und sino-amerikanische Spannungen sind (Gratulationstelefonat der taiwanischen Präsidentin Tsai mit dem amerikanischen Wahlgewinner Trump im Dezember 2016).

Japans Erbe: Mythos und Legende

Japans taiwanische Kolonialexpansion galt dem Kaiserreich als erste, erfolgreiche Bewährungsprobe seines militärisch modernisierten Staatswesens und schuf den bis in die Gegenwart spürbaren Mythos einer stolzen und ethnisch besonderen Nation.

Die erweiterte Machtsphäre, die Legende von der Achse asiatischer Staaten und das Image strategisch kluger Nachahmung westlicher Waffentechnik und Ingenieurskunst zementierten, ebenfalls bis heute, Nippons Eigenwahrnehmung. Vielleicht erklären die bis in unsere Zeit spürbaren Mentalitätskonflikte innerhalb der Tokioter Politikelite auch z. T. die für westliche, demokratische Beobachter oft frappierend reaktionäre Verklammerung von Vergangenheit und Zukunft zwischen einer nostalgischen Rückschau auf Glanz und Glorie sowie der Hoffnung auf eigenmächtiges nationalistisches Wiedererstarken bei gleichzeitiger militärischer Selbstbehauptung. Der einstigen orientalen Großmacht Nippon steht heute, nach Krieg, Kapitulation und globalen wirtschaftlichen Neubeginn erneut eine okzidentale Herausforderung entgegen, die das bisherige Selbstverständnis des Inselreiches provokant und nachhaltig erschüttert.

Chinas doppelter Kulturschock auf Taiwan

Im Laufe des Jahres 1949 floh KMT-General Chiang Kai-shek mit seinem gesamten Macht-, Regierungs- und Militärapparat, 600.000 Soldaten, 1.000 Panzern und 500 Transport- und Kampfflugzeugen, auf die Insel Formosa. Deren industriell hochentwickeltes Niveau, quasi das logistische Erbe der japanischen Herrschaft, wollte der „Generalissimus“ nutzen, um von dort aus den Widerstand gegen das kommunistische China fortzusetzen.

Doch Taiwans Bevölkerung haderte von Anfang an mit den „anderen Chinesen vom Festland“, die sich derart befremdlich, brutal und rücksichtslos benahmen und als neue Besatzer auftraten, dass sich nicht Wenige der Einheimischen die einstigen Diktatoren zurückwünschten. Aus gegenseitigem Missfallen wurde auf beiden Seiten Verachtung, später gar Hass. Während die Taiwaner nationales Prestige für ihre Insel erhofften, erwarteten die KMT-Festländer eine loyale Bastion antikommunistischen Widerstands gegen Peking. Alle wurden überaus herb enttäuscht.

In diesem Mentalitätskonflikt, der einem innerchinesischen Kulturschock entsprach, mag auch die bis heute überraschende (und wiederum paradox anmutende) Sympathie taiwanischer Bevölkerungsteile für die früheren Unterdrücker – und doch auch „Entwickler“ – der Insel liegen.

Der Vorsprung, den Formosa gegenüber dem chinesischen Festland gewann, war und blieb lange uneinholbar. Wertschöpfung, Industrieproduktion und technische Leistungsfähigkeit, auch auf gesundheitlichem Sektor, erreichten damals Höchststände in Asien.

Taiwan dürfte das einzige asiatisch-pazifische Land sein, das eine überwiegend positive Erinnerung an die japanische Annexion pflegt.

Demokratie als chinesische Verfassungswirklichkeit

Formosas dramatischer sozialpolitischer Wandel vom Polizei- und Überwachungsstaat zu einer pluralistisch ausgereiften Demokratie (und damit kontraststarken Gegenmodell zum aktuellen Kontinentalchina Xi Jinpings) geschah in so kurzer Zeit, dass auch heute noch Respekt und Bewunderung hinsichtlich der erreichten Gesellschaftsordnung jede Beschreibung der Insel begleiten.

Obwohl Taiwan nach der sino-amerikanischen Annäherung in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts enorme außenpolitische Niederlagen, verbunden mit dem Rauswurf aus fast allen internationalen Organisationen und interkontinentalen Geschäftsbeziehungen – Ende Juli d.J. änderten auf Druck Pekings zuletzt gleich mehrere US-Airlines ihre Bezeichnungen: aus „Taiwan“ wurde „Taiwan, China“ – einstecken und verkraften musste, konnten gleichzeitig sensationelle wirtschaftliche Außenhandelserfolge erzielt werden.

Taiwans Demokratisierung bewies eindrucksvoll, dass auch alte hierarchische Strukturen aus einer Mischung von Despotie und Paternalismus (wie in der modernen VR) aufgebrochen und rechtsstaatliches Denken und Meinungsfreiheit in den chinesischen Kulturraum eingeführt werden können.

Dennoch: Heute wird Taiwan von lediglich 18 Ländern diplomatisch als eigenständiger Staat anerkannt; am wichtigsten ist (noch) der Vatikan.

Maritime Territorialkonflikte

Teilweise einander überschneidende, strategisch und wirtschaftlich motivierte Hoheitsansprüche auf Inseln und Inselgruppen in der maritimen Region durch Japan, China, Taiwan, Korea und die Philippinen haben auch die asiatische Meeresfläche mittlerweile zu einem brisanten Spannungsfeld regionaler und globaler Interessenkonflikte werden lassen. Der internationalen Politikgestaltung im ostasiatisch-pazifischen Raum wurden die Reaktion zwischen friedlich kompromissfähigen oder militärisch machtbesessenen Optionen eröffnet.

Die acht unbewohnten Inseln der Senkaku (jap.)/Diaoyu (chin.)-Gruppe, 2000 Kilometer südwestlich von Tokio gelegen und näher an Taiwan als an Okinawa, das erst 1972 von Japan repatriiert wurde, bilden seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein schier unüberwindliches Hindernis in den Peking/Tokio-Beziehungen, und erreichten im September 2012 einen vorläufigen Tiefpunkt, als bekannt wurde, dass die japanische Regierung einige der Gesteinsformationen von einem privaten „Investor“ zurückgekauft hatte.

Sowohl der erste ethnisch taiwanische Präsident Lee Deng-hui (taiwanischer Regierungschef 1988-2000, geboren auf Taiwan) als auch sein Nachnachfolger Ma Ying-jeou (2008-2016, geb. in Hong Kong), beide KMT, verfolgten, stärker als die gegenwärtig regierende DPP, einen vornehmlich japanfreundlichen Kurs, obgleich sich auch deren Parteivorsitzende und Staatschefin Tsai Ying-wen (seit 2016) bislang nicht ausdrücklich gegen Japan gewandt hat. Im Gegenteil.

Von Seiten Taipehs blieben die Besitzansprüche auf die Senkaku/Diaoyu-Inseln daher weniger vehement vertreten als bspw. der VR China, deren offensichtliches und rasantes Infrastrukturprogramm auf anderen Inselgruppen im Südchinesischen Meer den unverhohlenen Hegemonialanspruch Pekings unterstreicht und an den militärischen Absichten des Festlandes dort keinen Zweifel mehr lässt.

Parteipolitische Affinitäten zwischen Japan und Taiwan

Japans kunstfertige Paradiplomatie zwischen Tokio und Taipeh verdient erhöhte Aufmerksamkeit, denn trotz der übermächtigen Volksrepublik und ihrer Drohpolitik gegenüber taiwanfreundlichen Staaten ist es Japan bislang gelungen, eine offizielle (Pekinger) und eine paradiplomatische (Taipeher) Beziehung gleichzeitig aufrecht zu erhalten.

Tokio legt großen Wert auf die Äquidistanz zwischen beiden Adressaten, um nicht eines Tages gegen ein japankritisches „Gesamtchina“ antreten zu müssen. Die Taipeher Regierung ihrerseits weiß um die japanischen Ängste und versucht deshalb, so viele Konzessionen zu erhalten wie möglich – ohne Peking übermäßig zu reizen.

Taiwan bemüht sich, die isolierte politische Lage der Insel wettzumachen durch eine Annäherung an andere demokratische Staaten, mit deren Verfassungswerten und gesellschaftlichen Grundüberzeugungen sich das kleine Land identifizieren und somit über nachbarschaftliche „Brücken“ eine Art Staatengemeinschaft errichten kann, in deren Kreis liberal verfasster Nationen auch für das moderne Formosa Platz und Anerkennung zu finden sind.

Tokio dient hier als Mittler und Fürsprecher; denn aus der einstigen Besatzungs-, Kolonial- und Modernisierungsmacht wurde mittlerweile ein unverzichtbarer Partner im Strebe n nach Prestige und Einhegung der zunehmenden Machtausdehnung Pekings.

Selbst die konservative japanische Regierungspartei LDP scheint sich – bei allem Unterschied in Programmatik und Politikstil – mit der progressiv auftretenden taiwanischen DPP arrangiert zu haben. Deren antichinesisches Konzept tangiert die unterschwelligen Sorgen vieler LDP-Politiker vor dem wachsenden Einfluss Chinas, und macht so ursprünglich wenig Gleichgesinnte zu strategischen Verbündeten gegenüber einem gemeinsamen Gegner.

Hinzu kommt, dass Japans Premier Shinzo Abe eine Art Taiwan-Erbe von seinen Verwandten (Premier Kishi Nobusuke 1956-1960, Premier Sato Eisaku 1964-1972 und seinem Vater, Außenminister Abe Shintaro 1982-1986) übernommen hat, die alle als sehr taiwanfreundlich galten und auch ihre Politik demzufolge ausrichteten. 2016 gratulierte Abe der taiwanischen Wahlgewinnerin Tsai Ying-wen zu deren Sieg über die KMT mit dem Versprechen herzlicherer Beziehungen und einer substantiellen Aufstockung der bilateralen Wirtschaftsleistungen.

Darüber hinaus leidet die DPP, anders als die KMT, nicht am Stigma einstigen anti-japanischen Widerstands im chinesischen (Bürger-)Krieg 1937-1945. Außerdem verbindet beide Parteien die entschiedene Ablehnung einer wie auch immer gearteten Vereinigung Taiwans mit der Volksrepublik China.

Gegenseitige Hilfe

Japans tragisches Tsunami/Reaktorunglück in Fukushima vom März 2011 offenbarte, vermutlich mehr als alle Formalpolitik, die engen Beziehungen Japans zu Taiwan, deren Bevölkerung 200 Millionen USD (Peking dagegen 4 Millionen USD) an Geld und Hilfsgütern spendete. Die USA unterstützten den Wiederaufbau mit 120 Millionen USD.

Aus Angst vor Chinas Missbilligung allerdings getraute sich Japan damals nicht, den Wohltätern von der kleinen Insel öffentlich zu danken. Doch helfend revanchierte sich Tokio später bei Naturkatastrophen, die diesmal Taiwan heimsuchten, und gab gleichfalls unbürokratisch und großzügig.

Japanomanie auf Taiwan

Die japanische Prägung Taiwans ist noch immer allerorten zu bemerken, nicht zuletzt an der Höflichkeit seiner einheimischen Bevölkerung.

Japans Kulturexport gibt es überall auf Formosa: in Pop-Musik, Manga, lokaler Küche, Modetrends, Büchern, Filmen und Unterhaltungsmotiven, von denen die wahrscheinlich populärsten Hello Kitty und Pokémon heißen.

Wirtschaft

Japans Wirtschaft braucht taiwanische Mittelsmänner, um über interchinesische Verbindungen oder im bevorzugten Tandem mit nationalchinesischen Firmen die eigenen Handelskontakte mit der Volksrepublik zu forcieren.

Die verhasste Kriegsvergangenheit Japans kann so mitunter oftmals vergessen oder zumindest nicht als Hindernis verlässlicher Beziehungen erfasst werden. Gleichzeitig wird sowohl für Japan als auch Taiwan die ökonomische Abhängigkeit von China verringert.

Japan ist Taiwans drittgrößter Handelspartner (50 Milliarden USD Aus- und 25 Milliarden Einfuhren), und die Insel stellt den zehnwichtigsten Exportmarkt für Tokio dar. Japanische Investitionen auf Taiwan haben mittlerweile einen Wert von fast 1 Billion USD erreicht.

Da Tokio um die chinesischen Empfindlichkeiten hinsichtlich wirtschaftlicher taiwanisch/japanischer Kooperationserfolge weiß, fährt Japan einen vorsichtigen Kurs, um Peking nicht auch (noch) auf diesem Sektor zu provozieren. Gleichwohl stellten die bisherigen Bemühungen um robuste und ausbaufähige Wirtschaftsbeziehungen die Fähigkeit beider Staaten zu Kompromiss und geschickter Außenhandelsdiplomatie unter Beweis.

Tourismus

Aus touristischer Perspektive bleibt Taiwan das bevorzugte asiatische Ziel für Reisende aus Japan.

Denn während sich dessen Besucher in China oder Südkorea zunehmend kritischen Fragen nach der historischen und aktuellen Tokioter Politik ausgesetzt sehen und als Nation nicht selten auch diskriminiert fühlen, müssen sie auf Taiwan derartige Willkommens-Verwerfungen kaum fürchten.

Taiwan erscheint vielen Japanern heute weniger als ehemalige Kolonie, sondern eher als japanaffines Paralleluniversum, in dem weder sprachliche Grenzen noch andere kulturelle Besonderheiten den uneingeschränkten Urlaubsgenuss schmälern.

Semioffizielle politische Kontakte

Zivilgesellschaftliche NRO-Aktivitäten, Städtepartnerschaften, informelle Handelsorganisationen, unzählige Kultureinrichtungen und Sprachzentren sowie die erwähnte Japan/Taiwan Exchange Association dienen alle dem Ziel nebenstaatlicher Unterstützung eines dichten bilateralen Geflechtes zwischen den Nachbarn. Sie alle waren und sind für die lautlose und diplomatisch unspektakuläre Beziehungspflege unerlässlich und verbuchen darüber hinaus auch konkrete politische Erfolge (2011er Luftfahrtsabkommen, 2013er Fischereiübereinkunft).

Fazit

Japans Pendel- und Paradiplomatie operiert im Radius VR-chinesischer Toleranzgrenzen. Deren mutige und zuweilen auch gewagte japanische Interpretation hat einen nicht unerheblichen Freiraum für wirtschaftliche und halboffizielle Kontakte und Unternehmungen zwischen Tokio und Taipeh geschaffen.

Unter Leitung des taiwan- und amerikafreundlichen Premiers Shinzo Abe bemüht sich Japan zwar nach wie vor um eine nach außen versöhnliche Äquidistanz zwischen Taiwan und der Volksrepublik, sucht allerdings auch zunehmend die ideologische Allianz mit der nationalchinesischen Insel, um der wachsenden militärischen Bedeutung Chinas auf nahezu allen Politikfeldern entgegentreten zu können.

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