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Reportajes internacionales

Noemi Sanín Präsidentschaftskandidatin der Konservativen Partei Kolumbiens

de Prof. Dr. Stefan Jost
Nach einem halben Jahr einer immer erbitterter geführten Auseinandersetzung ist die Entscheidung gefallen: Noemi Sanín ist die Präsidentschaftskandidatin der Konservativen Partei Kolumbiens (PCC) für die am 30. Mai 2010 (1. Wahlgang) stattfindenden Präsidentschaftswahlen.

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Zur Vorgeschichte

Die PCC hatte beschlossen, ihren Präsidentschaftskandidaten durch eine Consulta Popular (CP), d.h. nicht nur den Parteimitgliedern, sondern der gesamten Bevölkerung offen stehende Vorwahlen bestimmen zu lassen. Der Vorwahlkampf begann im Februar 2009 für die im September geplante CP. Andrés Felipe Arias (36), unter Staatspräsident Uribe zuletzt Landwirtschaftsminister und wegen seiner großen Nähe zu Uribe „Uribito“ genannt, galt lange als der aussichtsreichste Bewerber. Seine Ankündigung, im Falle einer erneuten Kandidatur von Staatspräsident Uribe, das Wiederwahlreferendum befand sich in der parlamentarischen Beratung, seine eigene Kandidatur zurückzuziehen, sollte sich jedoch als strategische Fehlentscheidung erweisen. Diese Kandidatur „unter auflösender Bedingung“ stieß auf den Widerstand derjenigen, die es nach zwei Wahlperioden, in denen die PCC zentraler Bestandteil der Uribe-Koalition war, für an der Zeit hielten, dass die Partei wieder „Willen zur Macht“ demonstriert, nicht bereits im ersten Wahlgang auf Koalitionen setzt, sondern mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen geht. An die Spitze dieser Bewegung setzte sich der ehemalige Staatspräsident Pastrana.

Dies bereitete den Boden für eine Kandidatur Saníns, damals Botschafterin in Großbritannien. Nach innerparteilichen Auseinandersetzungen wurde die CP von September auf den 14. März, den Tag der Kongresswahlen verlegt.

Die danach folgenden Monate der innerparteilichen Auseinandersetzung waren geprägt von einem Duell Arias – Sanín. Sanin wusste dabei hervorragend auszunutzen, dass Arias aus seiner Zeit als Landwirtschaftsminister zum Vorwurf gemacht wurde, ein Subventionsprogramm für landwirtschaftliche Betriebe (AIS) zugunsten von Großgrundbesitzern und parteinahen Spendern missbraucht zu haben.

Demgegenüber stellte Arias mit Blick auf den politischen Werdegang Saníns darauf ab, dass Sanín keine originär Konservative sei, mit der Partei nicht verbunden sei und in ihr lediglich ein Vehikel sehe, ihre letzte Chance auf das Präsidentenamt wahrzunehmen.

Der Ausgang des Rennens war bis zum Schluss offen. Aufgrund des Auszählungschaos am Wahltag selbst musste die PCC eine Woche auf das Ergebnis warten, ein Parteitag musste deshalb auf Anfang April verschoben werden.

Schwer einzuschätzen war bis zum Schluss, welcher Faktor den Ausschlag geben würde. Arias wurde aufgrund seiner guten Vernetzung mit Teilen der Senats-, vor allem aber der Abgeordnetenfraktion der PCC eine bessere „maquinaria“, d.h. die Nutzung von kampagnenerprobten Parteistrukturen zugerechnet. Demgegenüber schien, vor allem nach dem AIS-Skandal, für Sanín eher das „voto de opinión“, d.h. eine positive öffentliche Meinung zu sprechen.

Es dürfte zum Schluss auf beiden Seiten eine schwer zu differenzierende Mischung gewesen sein. Arias konnte sich von dem AIS-Vorwurf nicht hinreichend erholen, Sanín legte eine beachtliche Aufholjagd hin und gewann in der Schlussphase des Wahlkampfes die Unterstützung einiger alter „Partei-Kaziken“, was letztendlich den Ausschlag für ihren Sieg gegeben haben dürfte.

Konsequenzen dieses Ergebnisses

1. Mit diesen Vorwahlen der Konservativen Partei, auch die Grüne Partei hatte taggleich ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmt, ist das Feld der Bewerber um die Präsidentschaft komplettiert. Der eigentliche Präsidentschaftswahlkampf beginnt erst jetzt.

2. Nach dem guten Abschneiden der PCC bei den Kongresswahlen ist dies für die Partei ein weiterer Erfolg.

Die Beteiligung an der CP der PCC liegt noch knapp 300 000 Stimmen über dem Wahlergebnis zur Kongresswahl. Dies eröffnet Spielraum für Spekulationen, ob aus anderen politischen Lagern, Opposition wie Uribisten, diese CP genutzt wurde, um gleichsam externen Einfluss auf die Entscheidung auszuüben und damit die jeweils eigene Positionierung zu verbessern.

Mit dieser Beteiligung hat die PCC das Ergebnis ihrer ersten CP im Jahre 2008 zur Wahl der Parteivorstände um rund 1,1 Mio. Stimmen übertroffen. Auch liegt sie damit deutlich über den Ergebnissen CP der Partido Liberal und des Polo vom September 2009 ( 1 015 910 bzw. 450 589 Stimmen) und positioniert sich damit klar als die zweitstärkste politische Kraft in Kolumbien.

3. Inwieweit sich dieser Partizipationserfolg in politische Stärke im Präsidentschaftswahlkampf eine erfolgversprechende Strategie umsetzen lässt, ist allerdings noch offen.

Arias hat seine Niederlage eingestanden und das Ergebnis akzeptiert. Es ist jedoch nicht klar, ob er zugunsten Sanís in den Wahlkampf eingreifen wird bzw. ob dies von ihr gewünscht ist, oder ob er sich schlicht aus dem Wahlkampf zurückhält und wie sich die jeweilige Haltung auf das Verhalten seiner Anhänger gegenüber der Kandidatur Saníns auswirkt. Nicht auszuschließen ist, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil im ersten Wahlgang zu Santos wechselt. Auf der anderen Seite sieht sich die PCC mit Sanín nun mit großen Chancen auf die Präsidentschaft, was sich als nicht zu unterschätzender Kohäsivfaktor erweisen könnte.

Ein organisatorischer Bruch in der Partei ist im Moment nicht wahrscheinlich. Allerdings ist klar erkennbar, dass ein tiefer Riss durch die Partei geht. Das Ergebnis für Sanín ist ambivalent zu bewerten: Der Abstand zu Arias war groß genug, um zu gewinnen, aber nicht groß genug, um die Partei geschlossen oder zumindest mehrheitlich hinter sich zu wissen.

Auch lassen die ersten Äußerungen beider Seiten nach der CP vermuten, dass der bisherige „heiße Krieg“ allenfalls in einen „heißen Waffenstillstand“ oder einen „kalten Krieg“ einzumünden scheint.

Unabhängig von der aktuellen Konstellation ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass sich diese Spaltung der Partei in zwei nahezu gleich große Lager auch noch lange nach den Präsidentschaftswahlen auswirken könnte.

4. Abzuwarten bleibt, wen Sanín zu ihrem Vize-Präsidentschaftskandidaten macht. Diese Funktion spielt in Kolumbien traditionell im Alltagsgeschäft keine besondere Rolle. Interessant wird sein, ob bei dieser Personalentscheidung eher auf externe Stimmenmaximierung oder auf einen innerparteilichen Ausgleich mit dem Ziel der Parteieinheit gerichtet ist. Nach der bisherigen Anlage der Sanín –Strategie dürfte Ersteres wahrscheinlicher sein.

5. Arias ist jung und dennoch erfahren genug, um diese Niederlage politisch ohne negative Langfristauswirkungen verkraften zu können. Ganz im Gegenteil: Bringt er die die jetzt erforderliche Geduld auf und erweist sich als parteiloyal, hat er Zukunft in der PCC. Sollte Sanín scheitern, dürfte Arias nach der Parteipräsidentschaft greifen um so seine Ausgangsbasis für 2014 zu stärken.

6. Der Präsidentschaftskandidat der Uribe Partei „de la U“, Manuel Santos, dürfte sich jetzt der uneingeschränkten Unterstützung Uribes sicher sein, der im Falle einer Kandidatur von Arias sicherlich wieder „Kreuzzüge seiner Seele“ hätte ausstehen müssen.

6. Vorwahlkoalitionen dürften für den ersten Wahlgang auszuschließen sein, es sei denn, die Umfragen zeigten das absolute Scheitern eines Kandidaten an. Dann bliebe abzuwarten, wie sich vor allem Cambio Radical verhält, ob es zu einer Wiederannäherung an die liberale Partei oder in einen Wiedereintritt in eine uribistische Koalition kommt.

7. Überraschungen außen vor, dürften nach jetziger Einschätzung Santos und Sanín als die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für den zweiten Wahlgang Mitte Juni gelten.

Die Kandidaten der Partido Liberal, des Polo, des Cambio Radical und des „Movimiento Ciudadano“ dürften demgegenüber keine Aussichten haben, die zweite Runde zu erreichen.

Gerade aus dieser Konstellation könnte sich die Überraschung jedoch in Gestalt des Spitzenkandidaten der Grünen Parte, Antanas Mockus ergeben. Dieser, mehrmals Bürgermeister von Bogotá, unkonventionell aber inhaltsorientiert, hat nach dem erkennbaren Dach in der Wählerzustimmung für die bisherigen Oppositionsparteien, vor allem aber angesichts des Scheiterns des „Movimiento Ciudadano“ von Sergio Fajardo durchaus das Potential, Wähler aus diesem Sektor auf sich zu konzentrieren.

8. Sollten Santos und Sanín in den 2. Wahlgang kommen, ist das Ergebnis schwer vorhersehbar. Etwas mehr als zwei Monate bis zum ersten Wahlgang sind eine lange Zeit. Welche der zentralen Entscheidungsfaktoren (Vertrauen in die Fortführung der „Politik der demokratischen Sicherheit“, Erweiterung der nationalen Agenda um weitere Themen vor allem sozio-ökonomischer Natur, Fähigkeit der breiten Koalitionsbildung, „voto de opinión“, Charisma, um nur einige zu nennen) in welcher gegenseitigen Gewichtung am 30.Mai ausschlaggebend sein werden, ist aktuell nicht einzuschätzen.

Zur Person

Sanín, Jahrgang 1949, hat Jura und Wirtschaftswissenschaften studiert und war bis 1982 vorwiegend im privaten Wirtschaftsbereich tätig. 1982 wurde sie Kommunikationsministerin in der Regierung des konservativen Staatspräsidenten Betancur. 1990 wurde sie Botschafterin in Venezuela und 1991 Außenministerin unter dem liberalen Staatspräsidenten Gaviria. 1994 wurde sie unter dem liberalen Staatspräsidenten Samper Konsulin in Großbritannien, trat ein Jahr später aber zurück, da sich Samper Vorwürfen der Verwicklung mit dem Drogensektor ausgesetzt sah. 1998 gründete sie ihre eigene Partei und wurde bei den Präsidentschaftswahlen mit rund 27% Dritte.2002 trat sie erneut an, landete aber abgeschlagen mit knapp 6%. 2003 wurde sie dann unter Staatspräsident Uribe zunächst Botschafterin in Spanien, ab 2007 dann bis zur Bekanntgabe ihrer Kandidatur in Großbritannien.

Das Wahlergebnis der einzelnen Kandidaten können Sie im pdf (oben) einsehen.

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