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Veranstaltungsberichte

Deutsche Aussöhnungspolitik als Modell?

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen - wie aus Gegnern Freunde wurden

Am 29. Oktober ging es im südkoreanischen Parlament um das Thema der internationalen Aussöhnung. Die Beziehungen der Regionalmächte Nordostasiens sind von historisch bedingten Konflikten geprägt. Inwieweit kann die deutsch-israelische Aussöhnung als Modell speziell für die koreanisch-japanischen Beziehungen dienen? Vorträge dazu hielten Dr. Johannes Gerster, Ehrenpräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ehemaliges Mitglied des Präsidiums der CDU, sowie Prof. Dr. Heo Seunghoon von der Sophia University Tokyo.

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365 Lichter zieren die Kuppel der südkoreanischen Nationalversammlung – ein Symbol, das für die Parlamentarier steht, die sich zumindest gedanklich jeden Tag des Jahres um die Belange ihrer Bürger kümmern sollen. Die Veranstaltung des Auslandsbüros Korea der KAS zum Thema internationale Aussöhnung fand an einem besonderen Ort statt. Das Thema ist in Südkorea wegen der problematischen Rolle Japans in der koreanischen Geschichte heikel.

Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, griff in seinem Grußwort die innenpolitisch schwierige Situation Koreas auf – einer politischen Elite, die nur schwer einen Konsens finde. Er verwies darauf, dass Deutschland die „Erbfeindschaft“ mit Frankreich habe überwinden und eine nach dem Zweiten Weltkrieg belastete Beziehung mit Polen aufarbeiten können, sondern es habe auch mit Israel eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Heute seien beide Länder Partner, die sich vertrauten und wertschätzten. Auch Korea könne seinen Konflikt mit Japan überwinden.

Versöhnung braucht beide Seiten

Seit etwa einem Jahrzehnt schon befasst sich Professorin Heo Seunghoon mit dem Thema der Aussöhnung. Vor zehn Jahren noch hätten sich noch wenige für dieses Thema interessiert, gab die Professorin zu. Durch die Globalisierung jedoch werde Versöhnung immer notwendiger – man könne die anderen Staaten schließlich nicht mehr ignorieren. Es sei in der jüngeren Geschichte zu einigen Aussöhnungen gekommen, als Beispiel nannte sie u.a. die Türkei mit Armenien und Griechenland sowie Deutschland mit Polen und Israel. Dieses Jahr jähre sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zum fünfzigsten Mal. Es habe sich gezeigt, dass Aussöhnungen in der Geschichte nicht nur mit verbesserten Außenbeziehungen einhergingen, sondern auch mit einer allgemein besseren Entwicklung des Landes.

Wieso aber falle es manchen Ländern so schwer, sich mit ihren Gegnern zu versöhnen? Das hänge laut Heo stark von der Notwendigkeit ab. Aus der Nähe zu dem anderen Staat ergebe sich, wie sehr man eine Aussöhnung möchte. Je nach Perspektive und wie Geschichte sei die Kluft zwischen den Generationen dabei mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bei Beziehungen, die man nicht freiwillig eingeht, so wie bei Nachbarländern in etwa, sei Aussöhnung besonders schwierig. Man könne sich seinen Nachbarn schließlich nicht aussuchen. Doch auch da, wo Versöhnung schleppend verlaufe, müsse man es immer wieder versuchen.

Zu einer Aussöhnung brauche man die Fähigkeiten des Sprechens und des Zuhörens. Der Dialog sei das A und O. Auch de Gaulle und Adenauer hätten sich zunächst nicht verstanden, was für sie Anlass war, sich umso öfter zu treffen. Neben Politikern und ihren sprachlichen Fähigkeiten könnten laut Heo aber auch Medien positiv zu einer Aussöhnung beitragen. Die französisch-algerischen Beziehungen bspw. hätten sich durch Romane verbessert, in denen ein positives Bild der jeweiligen anderen Kultur gezeichnet wurde. Im Falle Polens hätten Geistliche schon lange vor dem berühmten Kniefall Willy Brandts zur Aussöhnung beigetragen. Neben all diesen Akteuren – Politiker, Schriftsteller und Geistliche – spiele aber auch und vor allem die Jugend eine bedeutende Rolle. Aussöhnung bedeute für sie, stets den nächsten Schritt zu gehen – auch wenn man noch kein genaues Ziel vor Augen habe.

Abgeordneter Dr. Kil Jeong-woo, der als Moderator durch die abendliche Veranstaltung führte, warf ein, dass das koreanisch-japanische Gipfeltreffen bald bevor stehe. Viele Koreaner würden diesem kritisch entgegenblicken – den Japanern sei eben nur schwer zu verzeihen. Korea könne viel aus der deutsch-israelischen Vergangenheit lernen, um Japaner zukünftig von ihrer Täterrolle zu befreien.

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen

Dr. Johannes Gersters Vortrag stellte, wie er es selbst ausdrückte, eine sehr persönliche Betrachtung der deutsch-israelischen Beziehungen dar. Zunächst aber wollte er Heos Vortrag um drei Punkte ergänzen. Erstens bräuchten Staatsmänner mehr als nur kommunikatives Geschick: es müsse ein absoluter Wille, endlich dauerhaft Frieden zu schließen, vorhanden sein. Zweitens sei es wichtig, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln und Respekt vor der Persönlichkeit sowie dem dazugehörigen Volk zu zeigen. Und drittens müssten schmerzliche Geschehnisse ehrlich aufgearbeitet werden. Wenn man Frieden schließen wolle, könne bspw. auch ein Verzicht auf Staatsgebiet notwendig sein, so wie Deutschland zur deutschen Einheit auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete verzichtet habe zugunsten einer Aussöhnung mit Polen. Deshalb sei es für ihn schwer nachvollziehbar, weshalb Japan und Südkorea, zwei demokratische Staaten, es nicht schafften, in Bezug auf die Gebietsstreitigkeiten um die Insel Dokdo eine Lösung zu finden.

Dr. Gerster bezeichnete die Gründung des israelischen Staats 1948 als ein Wunder, wenn man bedenke, dass die Hälfte des damaligen jüdischen Volkes ausgerottet wurde. Mit Deutschland habe man damals in Israel nichts zu tun haben wollen – man habe nicht immer an das eigene Leid erinnert werden wollen, und auch die Deutschen hätten die Nazi-Verbrechen wohl lieber vergessen. Auf Deutschland lastete die Verantwortung für die Ermordung von sechs Millionen Juden. Umso bemerkenswerter sei deshalb die Haltung von David Ben Gurion, dem Gründungsvater Israels, gewesen: Er habe das „neue Deutschland“ anerkannt und an dieses geglaubt. Konrad Adenauer habe zudem die moralische Pflicht Deutschlands betont, dem jüdischen Volk beim Aufbau des Staates Israel zu helfen. Dazu sei 1952 das Luxemburger Abkommen geschlossen worden, ein Milliardenpakt zwischen Deutschland und Israel. Die Israelis hätten allerdings darum gebeten, auf den üblichen Handschlag zu verzichten. Es sei also zu einem Vertrag gekommen, man habe dies aber nicht mit einem Bild dokumentieren wollen – was zeige, dass die Politiker weiter waren bezüglich einer Aussöhnung als das Volk. Israelische Demonstranten hätten „kein Blutgeld aus Deutschland“ gewollt. Zur Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sei es deshalb erst 1965 gekommen. Der erste deutsche Botschafter Rolf Friedemann Pauls sei damals noch von wütenden Demonstranten mit Steinen beworfen worden, doch in seinen drei Amtsjahren habe er es geschafft ein anderes Bild von Deutschland zu zeichnen. Israelische Zeitungen hätten zum Ende seiner Amtszeit geschrieben: „Wir haben Pauls mit Steinen empfangen und mit Blumen verabschiedet.“

Dr. Gerster berichtete, sein Interesse an Israel sei stetig gewachsen. 1967 habe er mit Gleichgesinnten eine Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gegründet, 1972 sei er stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe geworden. Es seien regelmäßige Israelbesuche und die Betreuung israelischer Staatsgäste in Bonn gefolgt. Neben persönlichen Beziehungen zwischen Staatsmännern hätten dann aber auch die Verbindungen zwischen den Menschen wachsen müssen. Mittlerweile gebe es zwischen den Ländern über 100 kommunale Partnerschaften. Außerdem gebe es wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Universitäten, und am renommierten Weizmann-Institut in Rehovot würden regelmäßig deutsche Naturwissenschaftler forschen. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft und ihre israelische Schwestergesellschaft würden jedes Jahr Begegnungen veranstalten sowie zahlreiche weitere Institutionen und Stiftungen den Jugendaustausch in beiden Richtungen fördern. Die Konrad-Adenauer-Stiftung habe als Mittler zwischen den verfeindeten Völkern gedient.

Heute sei das Ansehen Deutschlands in Israel gut. Auf die Frage, welche Hauptstadt junge Israelis in der Welt am liebsten besuchen würden, rangiere seit Jahren Berlin auf Platz eins. Deutschland sei zudem der drittgrößte Handelspartner Israels nach den USA und China. Zum 50-jährigen Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen sei er, Gerster, von einer israelischen Zeitung um einen Gastkommentar zum Stand der deutsch-israelischen Beziehungen gebeten worden. Er habe diese daraufhin als „besonders belastet, besonders sensibel, besonders gut“ bezeichnet und gespannt darauf gewartet, ob es Kritik bezüglich dieser Formulierung geben würde. Proteste seien allerdings nicht erfolgt, stattdessen aber sei das Attribut „besondere Beziehungen zu Deutschland“ allmählich aus dem Repertoire israelischer Redner verschwunden. Zum 60-jährigen Jubiläum der Bundesrepublik Deutschland habe die israelische Staatsführung dann bescheinigt, dass Deutschland nach den USA der beste Freund Israels sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel stehe in der Beliebtheitsskala außerdem weit oben. Besser gehe es laut Gerster nicht.

Dass aus Gegnern Freunde werden können, beweise die deutsch-israelische Freundschaft im Jahre 2015. Dazu habe es einen absoluten Willen zur Aussöhnung sowie harte Arbeit benötigt. Eine Aufarbeitung der Geschichte, Schuldeingeständnisse und starke politische Führungspersönlichkeiten seien erforderlich gewesen. Vor allem aber: Begegnungen, Begegnungen und Partnerschaften.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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