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Veranstaltungsberichte

Energieversorgungsoptionen für die vereinigte Koreanische Halbinsel

Lehren aus Deutschland

Angesichts dringender Fragestellungen zur nationalen Energiepolitik sowohl Südkoreas als auch eines vereinigten Koreas, organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)in Kooperation mit dem Yonsei-SERI EU Centre, dem Yonsei University Institute of East and West Studies, dem Oxford University Institute for Energy Studies und dem Global Energy Cooperation Centre des koreanischen Außenministeriums eine internationale Konferenz mit dem Ziel, mögliche Energieversorgungsstrategien für die koreanische Halbinsel zu präsentieren und diskutieren.

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Der Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, Dr. Norbert Eschborn, unterstrich in seiner Eröffnungsansprache die Notwendigkeit kontinuierlicher politischer Analysen hinsichtlich der nordostasiatischen und koreanischen Energiepolitik, da sie eng mit der regionalen Sicherheitspolitik verknüpft sei. Korea müsse sein Konzept für die nationale Energiesicherheit an der besonderen Energiesituation des Landes, der geografischen Lage sowie den internationalen Beziehungen mit seinen Nachbarländern ausrichten. Dabei seien die vier Ziele Energieverfügbarkeit, Energieverlässlichkeit, Energiebezahlbarkeit und Energienachhaltigkeit als Orientierungspunkte für eine erfolgreiche Energiesicherungsstrategie anzusehen. In diesem Kontext seien Themen der Energiesicherheit, als Konsequenz einer neu entstehenden Weltordnung, zu einer globalen Herausforderung geworden. So beziehe die EU mehr als die Hälfte ihrer Energie aus nicht-europäischen Quellen, während die Energienachfrage stetig steige. Korea befinde sich demnach in einer vergleichbaren Situation, da es als Netto-Ölimporteur abhängig von Ölimporten aus Nahost sei. Ausgehend von einer ganzheitlichen Sicherheitsperspektive, basiere Koreas Energiepolitik auf dem Konzept "Sustainable Development", welches Energiepolitik als Instrument zur ökonomisch, sozial, und ökologisch rentablen Energiesicherung definiere. Der Fokus liege dabei auf einem erleichterten Energiezugang für die Industrie, der Beziehungspflege mit ausländischen Energielieferanten sowie der politischen Kooperation mit weiteren Staaten Nordostasiens.

In einer zweiten Eröffnungsansprache betonte Johannes Regenbrecht, stellvertretender Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, dass es für Korea problematisch sein könne, Deutschland als Vorbild für die eigene Energiepolitik anzusehen, da die politischen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlichen seien. Dabei verwies er auf die früh fortgeschrittene Kooperation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere in der wirtschaftlichen und energiepolitischen Zusammenarbeit. Als Beispiel nannte Regenbrecht die deutsch-sowjetischen Erdgas-Röhren-Geschäfte aus den siebziger Jahren, welche, trotz bestehender Nato-Sanktionen auf den Export deutscher Stahlprodukte, den Handel von deutschen Pipelines und sowjetischem Erdgas belebt und somit zur Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Parteien beigetragen hätten. Diese auf gegenseitigem Interessensausgleich beruhende, deutsch-sowjetische Tradition in der Energiekooperation stehe im Kontrast zur derzeitigen Lage auf der koreanischen Halbinsel. Sowohl im Kontext der südkoreanischen Energiepolitik als auch einer koreanischen Wiedervereinigung, sei es daher wichtig, die historischen und aktuellen politischen Rahmenbedingungen zu analysieren, um zukünftige Projekte zu realisieren. Dabei sei es zunächst nötig, die politischen Beziehungen zu pflegen und Vertrauen aufzubauen, um der Wirtschaft einen Handlungsspielraum zu schaffen. Somit sollten die beiden Koreas zunächst die erforderlichen politischen Rahmenbedingungen schaffen, um darauf eine erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit aufzubauen.

Wie kann Südkorea von deutschen Erfahrungswerten profitieren?

In der ersten Konferenzsitzung wurde diskutiert ob, und inwieweit Korea von Deutschlands relevanten Erfahrungen aus Wiedervereinigung und Energiewende profitieren kann. Zum Auftakt gab Prof. Dr. Andreas Oberheitmann, Direktor des Center for International Environmental Policy Research der Pekinger Tsinghua Universität, eine Präsentation zu den Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Energieversorgung im wiedervereinigten Deutschland. Zunächst stellte er fest, dass Deutschland in der Tat als Vorbild für Korea dienen könne, wobei die koreanische Regierung insbesondere von Deutschlands Erfahrungswerten Rückschlüsse für eine eigene Energieversorgungsstrategie ziehen könne. Anhand der Entwicklung und der Struktur der Energieträger Deutschlands vor und nach der Wiedervereinigung zeichnete Prof. Oberheitmann die Rolle der Stein- und Braunkohle als Hauptenergieträger in den 1950er Jahren bis zum Ausstieg aus der Kohleförderung 2018 nach. Trotz der eingeleiteten Energiewende sei Deutschlands Energiemix nach wie vor stark dominiert von Kohle mit einem Anteil von ca. 50%. Dies sei damit zu erklären, dass die CO2-Zertifikate derzeit zu günstig gehandelt würden, was zur Folge habe, dass gasbetriebene Elektrizitätswerke geschlossen würden, während Braunkohlekraftwerke weiter in Betrieb seien.

Im Hinblick auf das energiepolitische Zieldreieck, bestehend aus Energieeffizienz, ökologische Kompatibilität und Energiesicherheit sei diese Entwicklung kritisch zu betrachten. Neben der Entwicklung der deutschen Energieversorgung im historischen Kontext sprach Oberheitmann die Energiekosten an. Die steigenden Energiepreise seien auf die Energiewende sowie einem steigenden Anteil von erneuerbaren Energien am Gesamtenergiemix zurückzuführen. Dabei liege das Hauptproblem im Phänomen, dass trotz fallender Energiepreise an der Leipziger Börse die Elektrizitätskosten für Privathaushalte und Unternehmen stiegen. Dies bewirke, dass die Energiepreise über dem EU-Durchschnitt lägen, was zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für deutsche kleine und mittelständische Unternehmen im globalen Wettbewerb führen könne. Er forderte daher, dass wettbewerbsfähige Energiekosten, Energieeinsparungen und Umweltschutz vereint werden müssten, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten.

Kwanghee Yeom, Doktorand am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, sprach in einer zweiten Präsentation über die expliziten Lehren aus der Wiedervereinigung Deutschlands sowie entsprechende Maßnahmen für ein wiedervereinigtes Korea, um infrastrukturelle, technologische und wirtschaftliche Ungleichgewichte auszugleichen und eine „weiche“ Integration des süd- und nordkoreanischen Energiesystems zu ermöglichen.

Zunächst betonte Yeom, dass sowohl Deutschland als auch Korea auf ausländische Energieimporte angewiesen seien und beide Länder eine ähnliche Geschichte, geprägt von nationaler Teilung, hätten. Jedoch ließen sich Deutschlands Lehren, trotz vieler Gemeinsamkeiten, nicht eins zu eins auf Korea übertragen, da beispielsweise Ostdeutschland zu den am weitesten entwickelten Volkswirtschaften der früheren Ostblockstaaten gezählt habe, Nordkorea hingegen gegenwärtig eines der ärmsten Länder der Welt sei. Yeom argumentierte, dass der Weg der deutschen Wiedervereinigung steinig war, obwohl das Gefälle zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR geringer gewesen sei als dasjenige zwischen Süd- und Nordkorea heute. Somit sei zu befürchten, dass die koreanische Wiedervereinigung ungleich komplexerer Natur sei.

Dabei führte er weiterhin an, dass der Energiekonsum Südkoreas über die Dekade stetig wuchs, während Nordkoreas Energiekonsum konstant blieb. Ferner seien die beiden Deutschlands relativ stabil hinsichtlich der innenpolitischen Lage gewesen und hätten sich untereinander niemals im Kriegszustand befunden. Aufgrund dieser Differenzen zwischen Deutschlands und Koreas Geschichte, sei es wichtig einen Ansatz der „weichen Integration“ im Falle einer koreanischen Wiedervereinigung zu verfolgen. Das hieße, dass die Energiesicherheit in einer politisch instabilen Lage kurzfristig gewährleistet werden müsse, um langfristig eine Grundlage für eine ökologische, soziale und ökonomische Entwicklung in den Bereichen Energieintegration und -sicherheit eines vereinigten Koreas zu schaffen. Um dies zu gewährleisten, müsse Südkorea einen ex ante-Plan entwickeln. Zuerst müsse die Energieversorgung sichergestellt werden, um der Ressourcen-Armut der koreanischen Halbinsel entgegenzuwirken. Auf dem Weg zu einem energetisch unabhängigen, vereinigten Korea sollten die langfristigen Ziele der deutschen Energiewende als Vorbild dienen und somit eine Förderung der erneuerbaren Energiequellen forciert werden. Außerdem müsse die Sicherheit von Energietechnologien vorangetrieben werden, um Unfällen oder terroristischen Angriffen vorzugreifen. Letztlich solle ein vereinigtes Korea seine Rolle als vollwertiges Mitglied in der internationalen Gemeinschaft gerecht werden, indem es Umweltstandards anerkenne und eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehme.

Im Anschluss an die beiden Präsentationen begrüßte Diskutant Regenbrecht die Diskussion von Strategien und Szenarien für die Wiedervereinigung Koreas. Allerdings warnte er vor unrealistischen Erwartungen, da niemand vorhersagen könne wann es zu einer Wiedervereinigung komme, was die Ausarbeitung eines detaillierten Wiedervereinigungs-Plans erheblich erschweren würde. In der Tat sehe sich die deutsche Botschaft in Seoul mit kontinuierlichen Anfragen bezüglich der "Lessons learned from Germany" und den politischen Erfahrungen mit der Energiewende konfrontiert. Jedoch sei es mitunter problematisch, deutsche Erfahrungswerte in Korea zu vermitteln, da die koreanische Regierung Bedenken bezüglich der zu erwartenden hohen Kosten und politischen Risiken einer potentiellen koreanischen Energiewende geäußert habe. Erschwerend komme hinzu, dass Atomenergie und Energie aus fossilen Brennstoffen nach wie vor höchste Priorität im südkoreanischen Energiemix genössen.

In der Diskussion der Teilnehmer, bemerkte Professor Oberheitmann, er glaube nicht, dass es zu einer baldigen Entspannung der Energiepreise unter den derzeitigen Konditionen komme. Langfristig gäbe es nur eine Chance auf fallende Energiepreise, wenn die Produktionskosten für erneuerbare Energien signifikant geringer würden. Zwar versuche die deutsche Regierung, die Einspeise-Vergütung für erneuerbare Energien zu reduzieren, um die Elektrizitätskosten zu senken, in Wirklichkeit aber, so befürchtete Oberheitmann, werde eine solche Maßnahme den finanziellen Anreiz für Investitionen in die erneuerbare Energien vernichten. Stattdessen solle man zunächst abwarten, bis die Kosten für erneuerbare Energien sinken, um erst dann die fixe Einspeisevergütung signifikant zu senken. Letztlich betonte Prof. Oberheitmann, dass, wenn man die Energiewende wolle, man dafür zahlen müsse. Hinsichtlich der Frage, wie eine koreanische Energiewende aussehen könnte, betonte Yeom, dass die Balance zwischen politisch motivierten Entscheidungen und Energiepreisstabilität gefunden werden müsse. Südkorea, mit einem Anteil an erneuerbaren Energien von 2-3% im Energiemix, sei im internationalen Vergleich zurückgefallen sei. Yeom bedauerte, dass Korea als G20-Mitglied hinter den internationalen Erwartungen zurückbliebe und betonte, dass das Land weitreichende internationale Verpflichtungen eingehen müsse um seiner Rolle in der internationalen Gemeinschaft gerecht zu werden.

In der anschließenden Fragerunde kommentierte Professor Oberheitmann, dass die Gründe für die Energiewende vorwiegend sicherheitstechnischer und ökologischer Natur gewesen seien. Zwar habe Deutschland massiv in den Bereich der erneuerbaren Energien investiert und sei nun ein Global Player in diesem Bereich, allerdings sei die Entscheidung für die Energiewende in 2011 eine notwendige Antwort auf die Fukushima-Katastrophe gewesen. Johannes Regenbrecht widersprach dieser Darstellung. Vielmehr seien die Ursprünge der Energiewende sozio-kultureller Natur gewesen und reichten bis in die 1970er und 1980er Jahre zurück. Beispielsweise seien es Nichtregierungsorganisationen und die Grüne Bewegung gewesen, welche die gesellschaftliche Soziophobie gegenüber Atomenergie angesichts der Tschernobyl-Katastrophe 1986 zum Ausdruck brachten. Die Grüne Bewegung Deutschlands habe damals einen entscheidenden Beitrag zur heutigen Energiewende geliefert.

Prof. Chris Allsopp, Direktor des Oxford Institute for Energy Studies, kommentierte, dass, in Anbetracht der deutschen Erfahrungen, eine koreanische Wiedervereinigung und die einhergehende Integration beider Energiesysteme ein überaus kostspieliges Unterfangen werde. Überdies merkte er an, dass die deutsche Energiewende ausbaufähig sei. Die nach wie vor hohe Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sei ein wesentlicher Bremsklotz für die Energiewende Deutschlands und Europas. Demnach sei das deutsche Modell solide, allerdings nicht das einzige, so dass Korea daher seinen eigenen Weg finden müsse.

Die Versorgung der koreanischen Halbinsel mit Pipeline-Gas im Rahmen multilateraler Energiekooperationen

Die Konferenzveranstalter hatten in ihrer Konzeption auf folgendes hingewiesen: In Anbetracht stockender Sechs-Parteien Gespräche und wachsender Sorgen über eine atomare Aufrüstung Nordkoreas, nahm die südkoreanische Regierung unter Präsidentin Park Geun-hye eine vorsichtige Haltung gegenüber einem Angebot Chinas ein, eine Russland-China-Südkorea Pipeline zu errichten um Südkorea mit russischem Gas zu beliefern. Am 5. September 2013 unterzeichneten Alexei Miller, Chairman des Gazprom Management Committee und Zhou Jiping, Chairman der China National Petroleum Corporation, ein rechtlich verbindliches Vorabkommen, welches wichtige Rahmenbedingungen (wie beispielsweise Exportvolumen, Lieferzeitraum und Lieferort) eines künftigen sino-russischen Gasliefervertrages umfasst. Die Park Geun-hye Regierung läuft somit Gefahr, die Möglichkeit zu verpassen von dieser Energiekooperation zu profitieren und von einem Gaslieferabkommen zwischen Russland und China ausgeschlossen zu werden.

Ausgehend von der Annahme, dass eine sino-russische Gaskooperation massive energie- und sicherheitspolitische Implikationen für die gesamte Region hätte, präsentierte Dr. Keun-Wook Paik vom Oxford Institute for Energy Studies der Oxford Universität mögliche Gaslieferoptionen für ein vereinigtes Korea. Zunächst betonte er, dass die Optionen für die koreanische Halbinsel maßgeblich von drei Faktoren beeinflusst würden: Die Schiefergasrevolution in den USA, steigende Flüssigerdgas (LNG)-Exporte aus Ostafrika, und die Lieferung von russischem Gas nach Asien auf Basis der ausstehenden Verabschiedung der sino-russischen Gaskooperation. Insbesondere die Frage, ob das sino-russische Gasabkommen zu einem Durchbruch gelangt oder aber scheitert, werde entscheiden, ob russische Gasexporte eine künftige Option für die koreanische Halbinsel sei. Sollte die Regierung Park Geun-hyes ein bilaterales Abkommen mit Russland unterzeichnen oder einem sino-russischen Abkommen beitreten, gäbe es diverse Pipeline-Optionen für die Lieferung von russischem Gas nach Südkorea.

Die erste Option sehe eine Festland Pipeline von Russland über Nordkorea nach Südkorea vor. Aufgrund der Sicherheitsproblematik und dem nordkoreanischen Beharren auf seinem Nuklearwaffen Programm sei diese Option allerdings als unrealistisch einzustufen. Die zweite Option sehe eine direkte Verbindung zwischen Russland und Südkorea durch die Umgehung Nordkoreas mithilfe einer Übersee-Pipeline in der Japanischen See vor. Auch diese Option sei aufgrund Erwartungen hinsichtlich ihrer geringen Wirtschaftlichkeit als unrealistisch einzustufen. Die dritte Option beruhe auf dem sino-russischen Pipeline-Abkommen und würde den Bau einer transnationalen Pipeline von Russland über China nach Südkorea bedeuten. Eine vierte Option ohne russische Beteiligung sei die Möglichkeit, zentralasiatisches Gas aus Kasachstan, Usbekistan oder Turkmenistan über die chinesische Route im Gelben Meer zu beziehen. Aufgrund geopolitischer Überlegungen hinsichtlich des nordostasiatischen Raums sei eine adäquate Evaluierung des sino-russischen Gaspipelineabkommens hinsichtlich des Nutzens sowohl für Südkorea als auch für ein vereinigtes Korea von großer Wichtigkeit.

Angesichts dieser Vielzahl an Optionen stelle sich außerdem die Frage, welche Maßnahmen die koreanische Regierung durchführen solle, um sowohl Koreas Energieversorgung abzusichern als auch ihre angestoßene Agenda der „Trustpolitik“ voranzutreiben. Die Park Geun-hye-Regierung sei daher gut beraten, würde sie positive Signale an alle involvierten Parteien senden, die zurückhaltende Position gegenüber der sino-russischen Kooperation aufgeben und gleichwohl die Beziehungen zu möglichen amerikanischen und ostafrikanischen Gaslieferanten pflegen. Schlussendlich würde es genügend andere Lieferanten geben, falls man kein Gas von Russland beziehen könne.

In der anschließenden Diskussion kommentierte Dr. Konstantin Simonov, Generaldirektor des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds, dass das angestrebte sino-russische Gasabkommen ein Meilenstein für die Energiesicherheit der gesamten Region sei. Zusätzlich betonte Professor Quinhua Xu vom Center for international Energy and Environment Strategy der chinesischen Renmin-Universität, dass eine sogenannte „Energiediplomatie“ einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der politischen Beziehungen in Nordostasien leiste. Trotz oder gerade wegen der steigenden Spannungen über territoriale Ansprüche sei es von großer Wichtigkeit, dass die nordostasiatischen Länder auf anderen Ebenen kooperierten. Die Region Nordostasien stehe für die weltweit größte Nachfrage nach Energie und solle sich daher im Bereich der Energiekooperation engagieren, um die Energiesicherheit für die gesamte Region zu gewährleisten. Befragt nach der Rolle Chinas im Zuge einer möglichen multilateralen nordostasiatischen Energiekooperation, betonte Prof. Xu, dass China als größter Energiekonsument, größter Ölimporteur, und größter Verursacher von CO2 Emissionen eine führende Rolle einnehmen müsse und diese Ansicht auch von der chinesischen Regierung geteilt werde. Hinsichtlich einer Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel kommentierte Xu, dass Deutschland als Vorbild für die heutigen Herausforderungen dienen solle. Allerdings seien die angesprochenen Differenzen zwischen der damaligen deutschen Situation und der aktuellen koreanischen Situation zu beachten. Nichtsdestotrotz solle man sich bei der Wiedervereinigungsfrage von Idealismus, nicht Realismus, leiten lassen.

Professor Jae-Seung Lee von der Korea-Universität kommentierte, dass die Option russisches Pipeline-Gas zu beziehen seit nunmehr zehn Jahren diskutiert werde und betonte, dass man schon früher zu einem Abschluss hätte kommen können. Allerdings habe es in der Vergangenheit verschiedene Herausforderungen gegeben, welche die Sicherung von russischen Gaslieferungen begleitet hätten. Während man in der Vergangenheit nur aus einigen wenigen Gas- und Öllieferanten habe auswählen können, gebe es seit fünf Jahren die Möglichkeit, aus vielen Quellen Gas zu beziehen. Beispielsweise würden Gasimporte aus Nordamerika und Ostafrika weiterhin an Bedeutung für die koreanische Halbinsel gewinnen. In ökonomischer Hinsicht sei dies eine erfreuliche Entwicklung, allerdings berge die Möglichkeit, unter mehreren Lieferanten zu wählen, auch Herausforderungen, da die Energiekooperations-Gleichung aufgrund diverser politischer Variablen ungleich komplexer würde. Bezüglich russischer Pipeline-Gasimporte müsse man eine Route wählen, die wirtschaftlich und zugleich politisch durchsetzbar sei. Dabei sei zu beachten, dass eine Pipeline zwischen zehn und 15 Jahren in Betrieb sei und ein langfristiges Investment darstelle. Somit sei die externe politische Situation von überragender Wichtigkeit bei der Entscheidungsfindung. Allerdings sei es unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, geprägt durch Nordkoreas Nuklearpolitik, nahezu unmöglich, multilaterale Kooperationen aufzubauen. Auch Professor Paik kommentierte, dass Nordkorea die größte Gefahr für eine trilaterale russisch-chinesisch-koreanische Energiekooperation darstelle. Es sei wichtig, dass Nordkorea sein Atomprogramm aufgebe, bevor weitere Kooperationsgespräche geführt werden könnten. Daher sei die aktive Partizipation Pekings von herausragender Wichtigkeit, um Nordkorea zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bewegen.

Errichtung eines gemeinsamen Öllagers in der Entmilitarisierten Zone zur Weiterentwicklung der „Trustpolitik“ in Nordostasien

In einer Rede vor dem U.S. Kongress im Mai 2013 präsentierte Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye die Errichtung eines Friedensparks in der Entmilitarisierten Zone, um den politischen Vertrauensbildungsprozess in der Region voranzutreiben. Da die Errichtung eines Friedensparks der Zustimmung durch die internationale Gemeinschaft bedürfe, müsse zunächst ein Konsens unter den Mitgliedern der Sechs-Parteien-Gespräche erreicht werden: Ein Unterfangen, das angesichts der nuklearen Aufrüstung Nordkoreas zum derzeitigen Zeitpunkt schwierig erscheint.

Vor diesem Hintergrund stellte Professor Hoon Paik von der koreanischen Chung-Ang Universität zum Auftakt der dritten Konferenzsitzung ein Projekt vor, welches vom koreanischen Ministerium für Industrie und Ressourcen in Auftrag gegeben wurde und zur Konsolidierung des Friedensparks beitragen solle. Paiks Konzept sieht die Errichtung eines internationalen Öllagers in der Entmilitarisierten Zone im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea vor. Bei der Entwicklung seines Konzepts sei es zunächst wichtig gewesen, den Grad der internationalen Zusammenarbeit und Ressourcen-Integration nordostasiatischer Nationen zu bestimmen. Im Vergleich zur Europäischen Union, welche ein hohes Maß an Integration aufweise, sei Nordostasien gekennzeichnet durch ein niedriges Level an politischer Regierungs- und Ressourcen-Kooperation. Infolgedessen, betonte Paik, sei es wichtig, die Qualität der politischen Kooperation und Ressourcenintegration in Nordostasien zu verbessern und berief sich auf die Einrichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1952, welche den damaligen Friedensprozess Europas maßgeblich vorangetrieben habe.

Die Idee eines internationalen Öllagers, das multilaterale Interessen repräsentiere, basiere auf der Einsicht, dass Asien die führende Region in der Öllager-Industrie sei. In dieser Hinsicht befinde sich Südkorea auf einem guten Weg, seine Speicherkapazitäten auszubauen, wie das im April 2013 eröffnete Öllager in Yeosu mit einer Kapazität von 1,3 Millionen Kubikmetern und Regierungspläne für ein weiteres Lager in Ulsan zeigen.

Zwar gebe es bereits eine Vielzahl von Vorschlägen für die mögliche Gestaltung eines Friedensparks, die von der Errichtung eines Umweltparks über den Bau eines Kunstzentrums bis hin zur Eröffnung eines Kulturmuseums reichten; allerdings sei es wichtig, dass ein Friedenspark viele Anforderungen erfülle. Zum einen müsse ein Friedensparkprojekt auf der Basis von internationalen Kooperationen auf privatwirtschaftlicher Ebene geplant werden. Die jeweiligen Regierungen hätten dabei eine unterstützende Rolle inne, indem sie durch die Unterzeichnung von Kooperationsabkommen praktische Ergebnisse förderten. Zum anderen solle das Projekt nicht nur symbolischer Natur sein. Vielmehr sei es wichtig, dass alle nordostasiatischen Länder ein gemeinsames strategisches Interesse an der Operation eines solchen Projektes hätten. Insbesondere für die beiden Koreas sei ein solches strategische Interesse von langfristiger Natur und verfolge das übergeordnete Ziel der koreanischen Wiedervereinigung. Im Vergleich zu den Alternativvorschlägen würde ein internationales Öllager diese Konditionen erfüllen. Somit könnten nicht nur die beiden Koreas, sondern die ganze Region von einem gemeinsamen Öllager als Resultat einer multilateralen Initiative profitieren, da ein solches Projekt die Wichtigkeit Nordostasiens in der globalen Ölindustrie weiterhin unterstreiche.

In der anschließenden Diskussion betonte Dr. Simonov betonte, dass ein solches Projekt sehr stark von den politischen Entwicklungen in Nordkorea abhängig sei. Grundsätzlich bestünden zwei Möglichkeiten, wie man den Fall Nordkorea handhaben könne: Man könne entweder warten, bis das nordkoreanische Regime stürze oder man könne versuchen, diesen Prozess zu beschleunigen. Angesichts dieser beiden Optionen stelle sich daher die Frage, welcher politischen Agenda ein solches Öllager-Projekt unterläge. Somit sei das vorgeschlagene Projekt zwar eine interessante Idee, allerdings blieben viele Fragen bezüglich der Rolle Nordkoreas offen.

Professor Quinhua Xu kommentierte, dass die chinesische Regierung bei Ölfragen in der Vergangenheit bilaterale Kooperationen gegenüber multilateralen Kooperationen vorgezogen habe. Trotzdem befände sich die chinesische Regierung in einem internen Reformprozess und verstünde ihre nationale Energiepolitik zunehmend als „internationale Energie-Außenpolitik“ und „Energie-Diplomatie“. Daher sei eine Partizipation in einem solchen multilateralen Projekt nicht partout auszuschließen, allerdings müsse geklärt werden, inwieweit China von einem gemeinsamen Öllager auf südkoreanischem Boden profitieren würde.

Diskutant Professor Lee von der Korea-Universität kommentierte die Diskussionsbeiträge, indem er unterstrich, dass Korea in zwei Dekaden ein hohes Maß an Expertise im Bereich der Öllagerung aufgebaut habe. Daher sei Paiks Vorschlag überaus kreativ und konstruktiv, da er mit den Plänen der Park Geun-hye-Regierung kompatibel sei, Korea als Drehkreuz für den Ölhandel in Nordostasien zu etablieren. Ein weiteres Öllager in der Entmilitarisierten Zone, neben den bestehenden Anlagen in Yeosu, und den geplanten Anlagen in Ulsan, würde dieses Unterfangen weiter unterstützen. Allerdings müsse man die Rolle Nordkoreas in einem solchen gemeinschaftlichen Projekt genauestens definieren, da jegliche innerkoreanische Spannungen ein unabwägbares Risiko für den Erfolg bergen würden.

In seinem abschließenden Kommentare unterstrich Professor Allsopp die Wichtigkeit, Themen der Energiekooperation in einem breiten Kontext zu definieren, da im nordostasiatischen Raum politische Fragestellungen und Energiethemen konvergierten. Die daraus resultierende Komplexität sei eine große Herausforderung, da es schwierig sei, die Zukunft hinsichtlich der Sicherheit und des politischen Wandels in der nordostasiatischen Region vorherzusagen geschweige denn konkrete Pläne vorzubereiten. Daher liefere die Konferenz einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung möglicher Zukunftsszenarien sowohl für die Energiesicherheit Nordostasiens als auch für die koreanische Frage.

Unter dem Strich sei die entscheidende Frage, für welche Energiesubstitute man sich entschiede, würde man sich von Kohle und Gas als Hauptenergiequelle verabschieden. Diese Frage beträfe europäische wie nordost-asiatische Länder gleichermaßen, da man sich auf hohe Energiepreise einstellen müsse um die Substitute und somit die Energietransition zu finanzieren. Es sei wichtig, diese großen Herausforderungen gemeinsam anzugehen, um einen internationalen Konsens bei der Beantwortung der Frage nach der richtigen Energiequelle, der richtigen Zeit und des richtigen Orts herzustellen.

Prof. Paik sprach in seiner Abschlussbemerkung den großen Nutzen an, in Wiedervereinigungsfragen von Deutschland zu lernen. Da Korea in dieser Hinsicht noch nicht über dasselbe Maß an Erfahrungen wie Deutschland verfüge, müsse man ein Wiedervereinigungsszenario für die koreanische Halbinsel mit Bedacht entwerfen. Dies sei umso schwieriger, als man nicht wisse, wie sich die Dinge unter der jungen Führung Nordkoreas entwickelten. Somit blicke man gespannt auf die Folgekonferenz im nächsten Jahr.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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