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Veranstaltungsberichte

Koreanische Gesellschaft im Wandel: Wahl, Wahlbeteiligung und Demokratie

Jahreskonferenz des koreanischen Altstipendiatenvereins der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAVKAS)

Die zur Tradition gewordene Jahreskonferenz des Koreanischen Altstipendiatenvereins der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAVKAS) fand in diesem Jahr am letzten Juni-Wochenende erneut auf der Insel Jeju-do statt. Die Veranstaltung trug den Titel „Koreanische Gesellschaft im Wandel: Wahl, Wahlbeteiligung und Demokratie“ und zielte u.a. darauf ab, eine politische Bestandsaufnahme Koreas vor Richtungsentscheidungen im Wahljahr 2012 zu machen.

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In den beiden offiziellen Eröffnungsreden gingen Dr. Norbert Eschborn (Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS) und Prof. Dr. Yi Seung-Cheol (KAVKAS-Präsident, Hannam-Universität) auf die aktuellen Probleme innerhalb der koreanischen Gesellschaft ein und betonten, dass Korea dringend politische Reformen brauche. Zwar sei das Land vom Wohlstandsniveau her bereit für einen grundlegenden Wandel, jedoch hätten die koreanischen Bürger Angst vor allzu großen Veränderungen des politischen und wirtschaftlichen Status quo. Die bisherige Dominanz der beiden koreanischen Großparteien Saenuri-dang (Konservative) und Minju-dang (Demokraten) in den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sei eine Folge dieser politischen Ungewissheit. Andererseits aber lasse sich in Korea eine tendenziell rückläufige Wahlbeteiligung beobachten. Ein wichtiger Grund hierfür könne der gesellschaftliche Wandel in Korea sein, mit dem zwangsläufig auch neue Bedürfnisse und Interessen der einzelnen Bürger einhergingen. Die Erneuerung und Anpassung des aktuellen Wahlrechtes an die genannten sozialen Veränderungen sei somit unabdingbar.

Wahl- und Politkverdrossenheit bei koreanischen Frauen und Jugendlichen

Prof. Dr. Shin Du Chel (Korean Civic Education Institute for Democracy) referierte im ersten Vortrag über die 19. koreanische Parlamentswahl vom 11. April 2012, die „mit einer Menge von Problemen verbunden“ gewesen sei. Zum einen sei es auch bei den diesjährigen Wahlen zu Korruptionsfällen gekommen, die zunehmend mit dem intransparenten und sehr hartnäckigen Internet-Wahlkampf in Zusammenhang gebracht werden. Zum anderen schriebe das aktuelle koreanische Wahlrecht keine strenge Überwachung des gesamten Wahlprozesses vor. Im Gegensatz dazu sei im Artikel 8 der koreanischen Verfassung jedoch eine Vielzahl von ineffizienten Einschränkungen zur Parteimitgliedschaft und Wahlkandidatenaufstellung verankert. Insgesamt, so Prof. Shin, lag die Wahlbeteiligung bei der 19. Parlamentswahl bei 54,3%, wobei dies den zweitniedrigsten Wert seit der ersten koreanischen Parlamentswahl im Jahr 1948 darstelle. Außerdem hätten viel weniger weibliche Bürger ihre Stimme abgegeben als Männer. Umgekehrt hätten sich aber auch nur sehr wenige Frauen als Wahlkandidatinnen aufstellen lassen, erklärte Shin. Die Politikverdrossenheit zeige sich aber nicht nur bei den weiblichen, sondern auch generell bei jungen Bürgern zwischen 19 und 30 Jahren. Eine große Herausforderung für die koreanischen Politiker werde deshalb die Wiederherstellung ihrer Bürgernähe sein.

Prof. Dr. Yun Bee (Sungkyunkwan-Universität) hielt den zweiten Vortrag zum mythischen Begriff der Gerechtigkeit und brachte diesen in unmittelbaren Zusammenhang mit den koreanischen Präsidentschaftswahlen. Nach Yun werde die Politikverdrossenheit der Bürger durch unfaire, korrupte und aggressive Wahlkampfpolitik hervorgerufen. „In jeder Wahlperiode scheinen die Bürger zwischen zwei Polen zu stehen: Sie müssen eine der beiden koreanischen Großparteien wählen, weil es keine für sie geeignete Alternative zwischen diesen beiden Polen gibt“, so Prof. Yun. Obwohl in Korea demokratische Wahlen stattfinden, würden die Wahlausgänge oft als ungerecht empfunden und seien dementsprechend von großen Enttäuschungen gekennzeichnet. „Dass damit die Apolitisierung der potenziellen Wähler einhergeht, ist längst kein Geheimnis mehr. Die koreanischen Politiker müssen sich dringend mit der Problemlösung befassen und unserem Land den Weg für eine reife Demokratie ebnen. Uns fehlt schlichtweg die Kultur des Liberalismus“, fuhr Prof. Yun fort.

Dr. Eschborn verwies im Anschluss an Prof. Yuns Vortrag auf einige Unterschiede zur deutschen Wahlkampfkultur. So sei in Korea das Phänomen der Hochstilisierung und Vergötterung von Wahlkandidaten stark ausgeprägt und führe somit oft zu großen Enttäuschungen der Bürger. Hingegen sei eine Wiederbelebung des Kennedy’schen Appells, „Frage nicht, was dein Staat für dich tun kann, sondern was du für deinen Staat tun kannst“, aktueller denn je. Um ein Patriot zu sein, reiche es nicht, die Staatsflagge leidenschaftlich zu schwenken. Jeder Bürger müsse auch Verantwortung übernehmen und sich am politischen Geschehen seines Landes beteiligen, sagte Dr. Eschborn. Um die Bürger für die Politik zu sensibilisieren, müssten jedoch die drei Säulen der Demokratie garantiert sein: Freiheit, Verantwortungsbewusstsein und Bildung.

Hat die koreanische Demokratie versagt?

In seinem politisch provokanten Vortrag kritisierte Dr. Park Choon Keun die Erfolglosigkeit der koreanischen Demokratie. Er thematisierte insbesondere das ineffiziente Bildungssystem Koreas und verglich dieses mit dem in Deutschland. Es sei ein Skandal, dass 80% der jungen Koreaner Hochschulabsolventen seien und im Anschluss an das harte und finanziell aufwändige Studium oft geringe Erfolgsaussichten auf dem koreanischen Arbeitsmarkt hätten. „Auch solche Missstände führen häufig zur Politikverdrossenheit, weil die Politiker sich viel zu wenig für die Belange der jüngeren Generation interessieren. Die Nichtwähler zwischen 19 und 30 Jahren fühlen sich im Stich gelassen“, erklärte Dr. Park.

Abschließend stellte Prof. Dr. Yi Seung-Cheol einen Vergleich zwischen der koreanischen und der deutschen Parteienlandschaft an, wobei der Fokus seines Vortrages auf dem deutschen Wahlrecht lag. „Die Stabilität des deutschen Parteiensystems basiert auf der besonderen Art des Wahlrechts der Bundesrepublik: Parteien müssen bei den Wahlen die 5%-Hürde überwinden, um in den Bundestag einziehen zu können. Diese Klausel geht wiederum mit der deutschen Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl einher“, sagte Prof. Yi. Ferner erklärte er den koreanischen Altstipendiaten, dass in Folge solch eines Wahlgesetzes die Anzahl der Sitze im Bundestag mit den direkt gewählten Überhangmandaten von Wahljahr zu Wahljahr schwanke. „Die Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahl scheint zunächst zu sehr demokratischen und fairen Wahlen in Deutschland zu führen. Doch hat das Bundesverfassungsgericht die Überhangmandate für verfassungswidrig erklärt und wird die Wahlgesetze noch in diesem Jahr revidieren.“, so Prof. Yi. Generell teilten das koreanische und das deutsche politische System viele Gemeinsamkeiten. Dennoch könne Korea das deutsche Wahlrecht nicht übernehmen, weil eine komplette Abänderung des koreanischen Wahlrechts zu großer Verwirrung unter den Wählern führen würde. Es sei folglich wichtig, dass Korea seine eigene Wahl(rechts)reform durchführe und sowohl die Parteien- als auch die Wahldemokratie mit spezifischen Gesetzen reguliere. Erst dann könne das Vertrauen der Bürger in demokratische Wahlen wiederhergestellt werden.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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