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Koreanische "Hidden Champions" fördern: Was lässt sich aus deutschen Erfahrungen lernen?

Der Mittelstand als Triebkraft von Innovation und Wachstum für die Wirtschaft

Die andauernde Wirtschaftskrise stellt momentan zahlreiche Länder vor enorme Herausforderungen. Besonders in Europa sind die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren, wo einige Länder sich in massiven finanziellen Schwierigkeiten befinden. Deutschland, dessen Wirtschaftsbilanz weiterhin positiv ist, stellt in diesem Zusammenhang die große Ausnahme dar. Diese Tatsache lässt sich zu einem bedeutenden Teil auf die starken mittelständischen Unternehmen Deutschlands zurückführen, die einen grundlegenden Beitrag dazu geleistet haben. Könnte dieses deutsche Modell auch in Korea funktionieren?

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Wenn ja, wie ließen sich koreanische "hidden champions" sinnvoll fördern? Könnten auch hier deutsche Erfahrungen hilfreich sein? Diese Fragen standen im Zentrum der internationalen Konferenz, die am 12. April 2013 in Seoul stattfand und gemeinsam vom Institute for Global Economics (IGE), der koreanischen Zeitung JoongAng Ilbo, der Konrad- Adenauer-Stiftung (KAS) und der KB Financial Group veranstaltet wurde. Koreanische und deutsche Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft diskutierten vor einem Publikum von circa 200 Zuhörern verschiedene Aspekte dieses komplexen Themas und tauschten Erfahrungen aus.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Il SaKong, dem Vorsitzenden von IGE und ehemaligen südkoreanischen Finanzminister. Er hob zunächst die Gemeinsamkeiten der beiden Länder Deutschland und Korea hervor, welche sich unter anderem in der Teilung, aber auch in der wirtschaftlichen Stärke manifestierten und lobte den ökonomischen Erfolg Deutschlands. Dieser dauere auch während der aktuellen Krise an, eine Tatsache, die besonders auf die deutschen "hidden champions" zurückzuführen sei, die maßgeblich die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft in dieser schwierigen Zeit getragen hätten. Deutschland sei daher sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Vorbild, dessen Erfahrungen wertvolle Lektionen für Korea liefern könnten.

SeokHyun Hong, Chairman und CEO des Mediensponsors Joongang Media Network, ging daraufhin auf weitere Faktoren ein, in denen die beiden Länder sich sehr ähnlich seien. Diese Faktoren umfassten unter anderem die Bereitschaft der Bevölkerung, hart zu arbeiten sowie die zurückliegenden schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme in aktuelle ökonomische Stärke umzuwandeln, überdies auch die Exportorientierung der Wirtschaft. Ebensolche Gemeinsamkeiten verbänden Deutschland und Korea und machten einen Vergleich sinnvoll und wichtig. Das deutsche Modell der "hidden champions" sehe er daher auch als ein gutes Muster für Korea. Das Wachstum von "hidden champions" sei direkt mit dem Wachstum von Arbeitsplätzen korreliert, was deren Förderung zu einem äußerst wichtigen Bestandteil der zukünftigen Wirtschaftsstrategie der neuen koreanischen Regierung mache.

Der koreanische Minister für Industrie, Energie und Handel, Sang–Jick Yoon, teilte diese Ansicht und wies auf die Schwierigkeiten hin, mit denen Mittelstandsunternehmen in Korea momentan konfrontiert seien. Es mangele ihnen unter anderem an Ressourcen, Erfahrungen bezüglich des Einstiegs in globale Märkte und an Wettbewerbsfähigkeit. Umso wichtiger sei es, Erfahrungen aus Ländern einzuholen, in denen mittelständische Unternehmen durch ihren Erfolg und ihre Stabilität hervorstechen. Deutschland stelle ein gutes Beispiel für ein solches Land dar und biete viele wegweisende Ansätze für die zukünftige Entwicklung Koreas. Das Ziel der neuen koreanischen Regierung sei es, die Unterstützung mittelständischer Unternehmen bis 2017 systematisch auszubauen und dabei ein passendes Umfeld für deren Entwicklung zu schaffen.

Deutschland als "most admired nation in the EU"

Dr. Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU–Fraktion im Deutschen Bundestag, gab in seiner Rede einen Überblick über die momentane wirtschaftliche Situation Deutschlands und illustrierte im Speziellen die Lage mittelständischer deutscher Unternehmen. Bezüglich der allgemeinen Wirtschaftslage sei besonders die Arbeitsmarktentwicklung sehr positiv zu bewerten, da Deutschland unter anderem durch eine äußerst niedrige Arbeitslosenquote gekennzeichnet sei und vor allem die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit Europas aufweise. Auch die – trotz Krise – weiterhin wachsende Wirtschaftsleistung und die positive Bilanz der deutschen Sozialsicherungssysteme seien bemerkenswert.

Insbesondere im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern würde wegen seiner guten wirtschaftlichen Situation Deutschland in einem aktuellen Bericht des renommierten US-amerikanischen Pew Research Center als "most admired nation in the EU" bezeichnet. Ursache dafür seien auf der einen Seite zahlreiche Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre, aber auch die besondere Struktur der deutschen Wirtschaft. Er zielte damit auf die Vielzahl der deutschen Klein- und Mittelunternehmen (KMU) ab, Unternehmen mit bis zu 500 Angestellten und einem jährlichen Umsatz bis zu 50 Millionen Euro, die den so genannten Mittelstand bildeten.

Diese Unternehmen seien häufig dadurch gekennzeichnet, dass Inhaberschaft und Management in der Person des Unternehmers oder dessen Familie vereint seien. 99% aller Unternehmen in Deutschland seien ebensolche Mittelstandsunternehmen. Sie produzierten 39% des gesamten zu versteuernden Umsatzes und stellten somit sowohl den Wachstums- als auch den Beschäftigungsmotor Deutschlands dar. Aus dem Mittelstand gingen darüber hinaus die sogenannten "hidden champions" hervor, vergleichsweise kleine Unternehmen, die allerdings in einer bestimmten Marktnische Weltmarktführer seien. Solche "hidden champions", wie beispielsweise der Gesundheitskonzern Fresenius, fänden sich in Deutschland zahlreich. Der Erfolg deutscher Mittelstandsunternehmen lasse sich insbesondere durch das spezielle Umfeld erklären, das die Politik geschaffen habe, um KMU zu fördern. Ein Teil dessen sei das sogenannte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), das ein Budget von 500 Millionen Euro umfasse und inhaber- bzw. familiengeführte Unternehmen aller Branchen, die bis zu 500 Mitarbeiter umfassen, unterstütze. Ein spezieller Fokus liege dabei auf der Förderung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten dieser Unternehmen. Weitere wichtige Rahmenbedingungen für die Entwicklung von "hidden champions" seien vor allem der Abbau von Bürokratie, der Ausbau multilateraler Freihandelsabkommen, um kleineren Unternehmen den Einstieg in globale Märkte zu erleichtern, sowie Maßnahmen, um die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus anderen Ländern zu fördern.

KMU als fundamentale Pfeiler der Sozialen Marktwirtschaft

Professor Dr. Michael Woywode, Leiter des „Center for Research of Small and Medium–Sized Businesses“ an der Universität Mannheim präsentierte anschließend eine detaillierte Analyse der Situation und Trends bezüglich des deutschen Mittelstands. Er betonte die Bedeutung der KMU als fundamentalen Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und erläuterte, dass die deutschen KMU während der jüngsten Wirtschaftskrise mit großen Schwierigkeiten konfrontiert gewesen seien, sie diese Schwierigkeiten allerdings erstaunlich gut gemeistert hätten. Als Folge der Krise lasse sich ein signifikanter Anstieg in der Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit dieser Firmen beobachten. Darüber hinaus habe die Anzahl der Mittelstandsunternehmen in Deutschland insgesamt in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Woywode bestätigte, dass Korea bereits auf einem guten Weg sei, seine KMU jedoch von Beginn an systematisch unterstützen müsse, unter anderem, indem ausreichender Zugang zu finanziellen Mitteln gewährleistet würde.

Schwierigkeiten koreanischer KMU und zukünftige Herausforderungen - finanzielle, politische und kulturelle Aspekte

In der anschließenden Diskussion tauschten deutsche und koreanische Experten aus unterschiedlichen Bereichen unter Moderation von Il SaKong Meinungen und Fragen zum Thema aus.

Dong-Sung Cho, Professor an der Seoul National University, setzte den Schwerpunkt seiner Erläuterung auf die Schwierigkeiten der KMU in Korea. Das größte Problem sah er in diesem Zusammenhang in dem Interesse großer koreanischer Unternehmen und Konglomerate, KMU zu kontrollieren und zu blockieren. Die kleineren Unternehmen fungierten z.B. oftmals als Zulieferer für die großen und würden durch Verträge mit diesen daran gehindert, andere Kunden zu beliefern. Somit würden kleine Unternehmen in ihren Entwicklungschancen behindert und hätten erst gar nicht die Möglichkeit, sich zu "hidden champions" zu entfalten. Hier müsse man ansetzen und grundlegende Veränderungen bewirken.

Ho–Gap Kang, Vorsitzender der Korea Medium Industries Association, bat Michael Fuchs, die Charakteristika und insbesondere die Auswirkungen der Agenda 2010 auszuführen. Dr. Fuchs erläuterte knapp die durchgeführten Reformen, die zu einer deutlichen Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarkts geführt und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stark erhöht hätten.

Friedrich Stockinger, Geschäftsführer des Maschinenbauers Trumpf in Südkorea und früherer Präsident der Koreanisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, ging in seinen Ausführungen zunächst darauf ein, dass Korea und Deutschland sich in einem zentralen Punkt sehr stark ähnelten, nämlich in ihrer Armut an natürlichen Ressourcen. Daraus leitete er die Notwendigkeit ab, "Kopfarbeit", also Kreativität und Innovation, zu fördern. Ein problematischer Aspekt sei in diesem Zusammenhang die ausgeprägte Senioritätsgesellschaft Koreas. Junge, gut ausgebildete und talentierte Arbeitskräfte seien zwar zahlreich vorhanden, hätten allerdings große Schwierigkeiten beim Berufseinstieg. Motivierte junge Menschen müssten daher in Korea stärker gefördert und unterstützt werden. Des Weiteren sei es von überragender Bedeutung für junge Unternehmen, den Markt und seine Kunden fortlaufend zu beobachten, um neue Entwicklungen nicht zu verpassen. Auch er sei der Meinung, dass sich Korea für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung bereits auf einem sehr guten Weg befinde.

Kwang–Ki Kim, Redakteur von Joongang Ilbo, betonte in seinem Beitrag die zentrale Wichtigkeit des richtigen Umfelds für mittelständische Unternehmen, was insbesondere den Zugang zu ausreichenden finanziellen Mitteln beinhalte. Koreanische KMU würden hauptsächlich von der Regierung unterstützt, die einheimischen Banken allerdings erledigten ihre Aufgaben in diesem Bereich nicht adäquat. Mittelständische Unternehmen in Korea hätten aus diesem Grund oftmals Finanzierungsprobleme. Ein neues System, das eine ausreichende und flexible Finanzierung gewährleiste, sei daher dringend nötig. Als gutes Beispiel sehe er in diesem Zusammenhang die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die mit staatlichen Mitteln Existenzgründer und mittelständische Firmen unterstütze.

Yun Mo–Sung, Generaldirektor für "High Potential Enterprises" der Small and Medium Sized Business Corporation, illustrierte im Folgenden insbesondere die Herausforderungen, die eine erfolgreiche Förderung des koreanischen Mittelstands in der Zukunft mit sich bringe. Er wies darauf hin, dass es durchaus wichtig sei, sich nicht nur das Ziel zu setzen, die Anzahl der KMU zu vergrößern, sondern insbesondere auch darauf zu achten, dass diese ihren Fokus auf Forschung und Entwicklung legten. Er kritisierte die Praktiken der großen koreanischen Unternehmen, die auch Dong–Sung Cho bereits erwähnt hatte und äußerte darüber hinaus, dass die Regierung ihre Strategie zur Förderung des Mittelstands ändern müsse. Zum jetzigen Zeitpunkt würden insbesondere die kleinen Unternehmen gefördert, die mittelgroßen allerdings nur noch in geringem Ausmaß. Dies setze falsche Anreize und führe dazu, dass die kleinen Firmen kein Interesse daran hätten zu wachsen und sich somit zu "hidden champions" zu entwickeln. Ein Umdenken in der Struktur der Förderung sei folglich nötig, um die kleinen Unternehmen verstärkt in ihrer Wachstumsentwicklung zu unterstützen.

Il SaKong fasste abschließend die wichtigsten Ergebnisse der Diskussion zusammen und merkte an die koreanische Regierung gerichtet an, dass es von außerordentlicher Wichtigkeit sei, dass diese Arbeitsmarktreformen und strukturelle Veränderungen einleite, aber auch insbesondere regelmäßig deren Implementierung überwache, um sicherzustellen, dass eine sinnvolle und zweckmäßige Umsetzung stattfinde. Er hob das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial der Republik Korea hervor und äußerte seine Hoffnung, dass die Konferenz und die deutschen Erfahrungen helfen würden, dieses Potenzial in der Zukunft voll ausschöpfen zu können.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

stefan.samse@kas.de +65 6603 6171
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