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Veranstaltungsberichte

Nachlese der Parlamentswahl vom 13. April 2016

Auf Einladung des Auslandsbüros Korea der Konrad-Adenauer Stiftung hat am 20. April 2016, eine Woche nach den 20. Parlamentswahlen in Südkorea, ein Expertengespräch über den Ausgang der Wahlen stattgefunden.

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Das Format hat die Plattform für den direkten Austausch zwischen Vertretern der unterschiedlichen politischen Strömungen, insbesondere zwischen bisheriger Regierung (Saenuri) und Opposition (Minjoo), geboten. Zu besprechen gab es viel. Denn das Wahlergebnis hatte selbst die Wahlgewinner überrascht. Am Ende hatte Saenuri deutlich verloren, Minjoo gewonnen und die neue People’s Party, die in Fraktionsstärke als dritte Kraft in die Nationalversammlung eingezogen ist, einen Erfolg erzielt, der aufhorchen lässt.

Im Zentrum der Diskussion standen zunächst die Ursachen, Zusammenhänge und Hintergründe des Wahlausgangs, im weiteren Verlauf die möglichen mittel- und längerfristigen Konsequenzen. Zu den Teilnehmern der Veranstaltung zählten neben Vertreter der Saenuri-Partei, der Minjoo-Partei, des Youido Instituts Mitglieder der Bürgerinitiativen „Institute for Better Democracy“ und „Citizen´s Solidarity for Peace & Unification“. Die Veranstaltung kennzeichnete sich durch einen regen, parteiübergreifenden Austausch auf hohem Niveau aus, den der emeritierte Hochschulprofessor der Juristischen Fakultät der Hankuk University of Foreign Studies, Jang-Hie Lee, moderiert hat.

Zunächst lenkten die Teilnehmer den Fokus auf die Themen, die in der Wahlauseinandersetzung von besonderer Bedeutung waren sowie vor allem auf die mit 58 Prozent höhere Wahlbeteiligung als vor vier Jahren, insbesondere auch der jüngeren Generation. Diskutiert wurden der diesmal weniger stark ausgeprägte Regionalismus der Wählerschaft sowie Überlegungen darüber, wie jüngere koreanische Wähler stärker für Politik motiviert und im Wahlprozess involviert werden könnten. Debattiert wurde ferner über den Umgang mit Nordkorea nach der Schließung der gemeinsamen Wirtschaftszone, über die stark abweichenden Ergebnisse der Wahlergebnisse von den Umfragen der Vorwochen sowie über das Phänomen des sogenannten „cross votings“, bei dem Wähler ihre erste Stimme einem Abgeordneten einer Partei und ihre Zweitstimme einer anderen Partei gaben.

Wie lässt sich das überraschende Wahlergebnis erklären?

Vertreter der Saenuri-Partei sahen die Gründe für die Verluste ihrer Partei vorrangig in der Enttäuschung der Wähler über parteiinternen, jedoch öffentlich ausgetragenen, Streit über Fragen rund um die Nominierung von Kandidaten für die Parlamentswahl, der in den Medien ein breites Echo gefunden hat. Hinzu sei gekommen, dass die Regierung in der zurückliegenden Legislaturperiode, mit Blick zum Beispiel auf angestrebte wirtschaftliche Verbesserungen, nicht alle Ziele habe erreichen können. Das habe zu Verunsicherung oder auch Misstrauen gegenüber den politisch verantwortlichen Personen geführt. Auch das Fehlen einer Wahlprogrammatik, die insbesondere jüngere Wähler anspricht, sei, so Vertreter von Saenuri und Youido Institute mitursächlich für den Wahlausgang gewesen.

Vertreter der Minjoo Partei sahen in den Wahlergebnissen Licht und Schatten. Die Partei hatte in Regionen, die sonst „loyal Minjoo gewählt hatten“, Verluste an die neu gegründete People`s Party verzeichnen müssen. Die heftigen Streitigkeiten in der Saenuri-Partei, der Widerstand der Minjoo gegen die Einführung von neuen Geschichtslehrbüchern in Schulen sowie die Thematisierung der Unterstützung von Rentenbeihilfe für die ältere Generation, wurden als Gründe für Stimmenzugewinne der Minjoo-Partei genannt, gerade auch in traditionellen Hochburgen der konservativen Saenuri.

Der stark ausgeprägte Regionalismus, der in vergangen Wahlen stets eine Rolle gespielt hatte, sei, so die Teilnehmer unisono, bei diesen Wahlen weit weniger ausgeprägt gewesen. Deutlich wurde dies besonders an den Wahlergebnissen der Stadt Daegu. Daegu, die drittgrößte Stadt Südkoreas und Heimat von Präsidentin Park Geun-hye, galt vor der Wahl als Hochburg der Konservativen. Hier konnte der Kandidat der Minjoo-Partei erstmals seit über 30 Jahren einen Wahlkreis gewinnen. Auch ein unabhängiger Kandidat, der vor der Wahl aus der Saenuri-Partei ausgetreten war, wurde in Daegu gewählt.

Weitere Diskussion: Die Rolle der jüngeren Generation in der koreanischen Politik und ein Ausblick auf Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr

Konstatiert wurde eine fehlende Aufmerksamkeit der Parteien gegenüber der jüngeren Generation. Die Teilnehmer brachten die hohe Arbeitslosenquote in der Altersgruppe der 25- bis 30jährigen zur Sprache. Vermutet wurde, dass sich diese Zielgruppe auch künftig stärker für die neu gegründete People‘s Party interessieren könne, womit sie Hoffnung auf Veränderung verbinden würden. Das sei vor allem auch Ausdruck der Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien. Auf die Frage nach der Einbindung der Jugend in politische Entscheidungsprozesse in Deutschland, erläuterte Herr Samse, Leiter des KAS-Auslandsbüros Korea, die Partizipationsmöglichkeiten am Beispiel der Jungen Union Deutschlands.

Im weiteren Verlauf des Gespräches ging es um

  • die Einschätzung der Teilnehmer bezüglich der künftigen (Zusammen-)Arbeit von drei Fraktionen im Parlament,

  • die strategische Bedeutung der Parlamentswahl für die Vorbereitung der Parteien auf die Präsidentenwahl 2017

  • die Spekulationen um eine mögliche Kandidatur des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, als möglicher Präsidentschaftskandidat und

  • die grundsätzliche Einbeziehung dritter Akteure, wie zum Beispiel der KAS, im Dialog mit Nordkorea.

Bezüglich der zukünftigen Zusammenarbeit der Fraktionen im Parlament waren sich die Teilnehmer einig, dass eine Kooperation nun besonders wichtig sei und die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die der Jugend, die unter Arbeits- und Perspektivlosigkeit leidet, zukünftig stärker einbezogen werden müssen. Teilnehmer äußerten ihre Erwartung, dass in dieser „Politik der Kooperation“ durch die Präsenz von drei verschiedenen Parteien im Parlament und den damit verbundenen Möglichkeiten, gerade auch ein Vorteil für eine Weiterentwicklung der Politik und des politischen Systems zu sehen sei. Ferner wurde von Teilnehmern betont, dass es einen Wechsel weg von einer Polarisierung der Wählerschaft, Generationsunterschieden und stigmatisierenden Termini, wie zum Beispiel „konservativ“ und „progressiv“, geben müsse, um Fortschritte erzielen zu können.

Hinsichtlich der Aufstellung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, gab es unterschiedliche Meinungen. Saenuri-Vertreter äußerten sich offen und beschrieben Ban Ki-Moon als sehr respektablen Kandidaten. Aus den Reihen der Minjoo, deren Regierung Ban Ki-Moon einst als Außenminister diente, war zu hören, dass man selber bereits über eine Reihe denkbarer und kompetenter Kandidaten innerhalb der eigenen Partei verfügen würde.

Die Frage nach einer stärkeren Einbeziehung europäischer Akteure im Zusammenhang mit dem innerkoreanischen Dialog wurde kontrovers diskutiert. Ein Engagement aus Deutschland sei jedenfalls auf Grund der Erfahrungen mit der Wiedervereinigung stets hilfreich und willkommen. Es wurde darauf verwiesen, dass die Arbeit koreanischer Bürgerinitiativen diesbezüglich sehr wichtig sei.

Der parteiübergreifende Austausch lieferte Erkenntnisse über die Hintergründe der Wahlergebnisse. Die unterhaltsame Moderation von Professor Lee bot den Rahmen für eine facettenreiche und für Impulse sorgende Debatte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Als Fazit formulierte Herr Lee seine Hoffnung auf Veränderungen in der südkoreanischen Politik, die es der jungen Generation besser als bisher ermöglichen würden, sich und ihre Interessen einzubringen.

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