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Veranstaltungsberichte

Themenwoche Sicherheit 2015: Krisenmanagement im 21. Jahrhundert

Asien und Europa

Am 06. Mai 2015 veranstaltete die KAS gemeinsam mit dem Research Institute of National Security Affairs (RINSA) der National Defense University die 5. gemeinsame internationale Konferenz im Rahmen des von der Stiftung 2011 etablierten deutsch-koreanischen Sicherheitsdialogs. Angesichts der weltpolitischen Lage war als Thema in diesem Jahr „Krisenmanagement im 21. Jahrhundert: Asien & Europa“ gewählt worden.

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Die Konferenz eröffnete Generalleutnant Seung Ho Wee, Präsident der Korea National Defense University (KNDU). Im Anschluss daran richtete der deutsche Botschafter in der Republik Korea, Rolf Mafael, das Wort an die teilnehmenden Gäste. Er erinnerte in seiner Rede an die beiden Geschehnisse, welche sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährten: das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Teilung Koreas im Jahr 1945. Botschafter Mafael betonte die neuen globalen sicherheitspolitischen Herausforderungen, welchen die internationale Staatengemeinschaft heute gegenübersteht. Mit neuen Krisen in Asien, Bürgerkriegen im Mittleren Osten und transnationalem Terrorismus nannte der Botschafter nur einige der sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit.

Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, betonte in seinem Grußwort, in Anbetracht der sicherheitspolitischen Lage, welche durch zahlreiche neue Bedrohungen zunehmend angespannt ist, die Wichtigkeit eines effektiven Krisenmanagements. Ebenfalls dankte er RINSA für dessen entscheidenden Beitrag dazu, Europa und Asien sicherheitspolitisch näher zusammenzubringen.

Der RINSA-Präsident Prof. Dr. Seok-Soo Lee bedankte sich bei der KAS für die kontinuierliche Zusammenarbeit der vergangenen fünf Jahre. Auch er nahm Bezug auf die globalen Herausforderungen, welche an der bestehende Weltordnung rüttelten und diese ins Wanken brächten. Allen voran nannte er die Machtpolitik Russlands, die aufsteigende Macht China, aber auch die Bedrohung durch Despotie im Nahen und Mittleren Osten, welche eine humanitäre Katastrophe internationalen Ausmaßes nach sich ziehe.

Im Anschluss an die Grußworte hielt der Abgeordnete Jin Ha Hwang, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in der koreanischen Nationalversammlung, die Grundsatzrede und unterstrich, dass die aktuellen Krisenherde die schlimmsten Eskalationen seit Ende des Kalten Krieges zu Tage förderten. Ebenso betonte er, dass die Krisen im ostasiatischen Raum weitaus komplizierter seien als diejenigen in Europa. Als Grund dafür identifizierte er den entscheidenden Mangel, dass die betroffenen Länder, im Unterschied zu Europa, kein geeintes Krisenmanagementsystem hätten, welches alle Akteure an einen Tisch bringt. „Es ist wichtig, dass wir alle unsere Köpfe zusammenstecken und gemeinsam die Probleme diskutieren“.

Regionale Krisen in Asien und Europa

Den ersten Fachvortrag der Konferenz hielt Professor Taeho Kim von der Hallym University of Graduate Studies. In seinem Vortrag zur Krise im Ostchinesischen Meer betonte er zunächst die ambivalente Rolle Chinas in der Region, welche auf der einen Seite die Wirtschaft der umliegenden asiatischen Länder ankurbele, auf der anderen Seite jedoch aufgrund von militärischen Konflikten als krisenfördernd betrachtet werden müsse. Besondere Bedeutung maß er hierbei dem offenen Konflikt zwischen den beiden regionalen Mächten China und Japan bei, doch auch die Beziehungen zwischen China und den USA spielten laut Prof. Kim eine zunehmende und problematische Rolle hinsichtlich Rivalität und regionaler Vorherrschaft.

Ergänzend erklärte er, dass die zukünftige regionale Stabilität in einem großen Ausmaß von der sino-japanischen Beziehung abhänge. Diese könne sich laut Kim stark und kooperativ oder aber schwach und konfrontativ entwickeln. Als wichtige Faktoren in den Beziehungen der beiden Staaten nannte er historisch bedingte Rivalität und Misstrauen, welche sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Zusammenarbeit prägten. Besonderen Bezug nahm er auf den Sengaku-Konflikt. Für die zukünftige Entwicklung dieser Rivalität zeigt Prof. Kim zwei mögliche Szenarien auf: eine unvorhergesehene Besetzung der Insel durch einen überraschenden Angriff seitens der Chinesen; Kontrollgewinn der Chinesen über den südlichen Teil des Ryuku-Archipels, einer im Süden Japans gelegenen Inselgruppe, welche den Chinesen einen strategischen Standortvorteil verschaffen würde. Kim führte weiterhin aus, dass die aktuellen Entwicklungen und Konflikte die Region zunehmende schwächten. Südkorea könne im besten Fall eine Vermittlerrolle einnehmen, um die Kluft zwischen China und den umliegenden Ländern zu verringern und das Konfliktpotential zu minimieren.

Im darauffolgenden Vortrag widmete sich Professor Jae Hyeok Shin von der Korea University den Krisen im Südchinesischen Meer. Er erklärte, dass China in einigen Konflikten bereit war, Kompromisse einzugehen, während sich die Volksrepublik in anderen Auseinandersetzungen als absolut kompromisslos darstellte. Diese Vorgehensweise erläuterte er mit den theoretischen Konzepten der „Ablenkung durch Krieg“ und „Ablenkung durch Frieden“, welche ein Erklärungsmuster dafür lieferten, dass Staaten in Krisenzeiten Kompromisse mit umliegenden Ländern eingehen, wenn die Kooperation, um eigene Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten, unumgänglich ist. Wenn diese Kooperation nicht als notwendig angesehen wird, können Staaten äußere Konflikte fördern, um somit von den eigenen internen Konflikten abzulenken.

Weiterhin erläuterte er, dass das chinesische Regime aufgrund von sozialen Unruhen, wirtschaftlicher Verlangsamung und Forderungen nach demokratischeren Strukturen seitens des Volkes zunehmend instabil werde. Prof Shin erklärte, dass deswegen die chinesische Führung versuche, einen zunehmenden Nationalismus als Ideologie zu etablieren und Konflikte mit umliegenden Staaten zu provozieren. Die Dispute im maritimen Raum können somit, laut Professor Shin, als äußere Maßnahmen eines fortschreitenden Nationalismus betrachtet werden.

Im dritten Teil des ersten Tagungsabschnittes widmete sich Oberst a.D. Ralph D. Thiele von der Politisch-Militärischen Gesellschaft in Deutschland dem Thema der hybriden Kriegsführung unter Bezugnahme auf den aktuellen Konflikt in der Ukraine. Zu Beginn seines Vortrages resümierte er die Geschehnisse der vergangenen Monate auf der Krim-Halbinsel der Ukraine und die damit verbundene hybride Kriegsführung des russischen Militärs. Hybride Kriegsführung (engl. hybrid warfare) bezeichne die Kombination aus konventionellen, irregulären und asymmetrischen Methoden in Verbindung mit kontinuierlicher politischer und ideologischer Manipulation. Darüber hinaus könne diese Art der Kriegsführung Geheimdienst-Operationen, politische Provokationen, Medienmanipulation, Cyberangriffe, wirtschaftliche Einschüchterung, Terrorismus und kriminelle Aktivitäten beinhalten. Nicht nur in der Ukraine, sondern ebenfalls in vielen Konfliktregionen wie zum Beispiel dem Irak und Syrien werden Taktiken aus dem genannten Spektrum von unterschiedlichen Akteuren praktiziert.

Thiele erläuterte im Folgenden, warum die hybride Kriegsführung besonders die NATO und ihre Mitgliedstaaten vor immense Herausforderungen stelle. Besonders die Vielzahl unterschiedlicher, parallel laufender Operationen auf verschiedenen Ebenen erschwere eine geschlossene effektive Reaktion auf multinationaler Ebene. Insbesondere die Kooperation mit anderen internationalen Organisationen wie beispielsweise der Europäischen Union müssen forciert werden, um den Bedrohungen aus verschiedenen Blickwinkeln sowohl politisch als auch militärisch effektiv begegnen zu können. Nationales, regionales und globales Netzwerken zum Informations- und Erkenntnisaustausch seien Schlüsselelemente, um Taktiken dieser Art entgegenzuwirken.

Auch im ostasiatischen Raum sah Thiele zahlreiche Bedrohungen durch hybride Kriegsführung. Besonders Nordkorea könne noch sehr viel vom russischen Model lernen und somit besonders die Bedrohungslage gegenüber dem Süden verschärfen. Dies stelle Seoul vor große Herausforderungen, denen jedoch besonders durch internationale Kooperation, nicht zuletzt mit den USA, effektiv begegnet werden könne. Insgesamt habe sich das globale sicherheitspolitische Gefüge im Rahmen neuer, aufkommender Arten der Kriegsführung verändert und erfordere weitere Intensivierungen internationaler Kooperation.

Strategien regionaler Mächte beim Krisenmanagement

Den ersten Vortrag in diesem zweiten Konferenzteil hielt Professor Ihn-hwi Park von der Ewha Womans University. Zu Beginn betonte Park die Wichtigkeit der Allianzbildung zur Sicherung politischer Stabilität am Beispiel Südkoreas und den USA. Im Folgenden erläuterte er einige theoretische Ansätze zur Klärung der Frage, wie die spezifische Allianz entstand und unter welchen Umständen diese bestehen blieb. Neben den amerikanischen und asiatischen Interessen nannte er ebenfalls historische Erfahrungen und einen soziologisch-kulturellen Kontext. Im Allgemeinen beschrieb er Allianzformation als einen Vorgang basierend auf den rationalen Entscheidungen individueller Staaten. Im Weiteren beschäftigte er sich mit der Frage, warum sich sicherheitsbezogene Allianzen in Europa fundamental in den letzten Dekaden veränderten, die Allianzen im nordostasiatischen Raum jedoch in ihrer Struktur bestehen blieben. Ein von ihm genanntes Argument ist die Tatsache, dass sich einige Staaten in diesem Gebiet immer noch existenziellen Bedrohungen gegenübergestellt sehen, wie es sie zu Zeiten des Kalten Krieges gab. Konstant gleichbleibende Bedrohungen erforderten keine grundlegenden Veränderungen, sondern Stabilität in Struktur und Handlungsspielraum. Besonders die bis heute andauernde Teilung Koreas, der Aufstieg Chinas und zahlreiche regionale Rivalitäten trügen zu dieser Annahme bei.

Darauffolgend beschäftigte sich Prof. Park mit der Frage, welche Charakteristika der nordostasiatischen Beziehungen Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel beeinflussen. Die aufsteigende Macht China und die dadurch entstehende Rivalität mit den USA, das Ausbleiben des Übergreifens wirtschaftlicher sowie technologischer, sozialer und kulturelle Interdependenzen auf die Politik und der andauernde Konflikt mit Nordkorea identifizierte er als wichtige Faktoren. Anschließend gab er einige Empfehlungen, wie die zukünftigen Ziele der US-Südkorea-Beziehungen gestaltet werden sollten: die Allianz sollte deutlich machen, dass sie den Norden nicht militärisch Bedrohen wolle; Realisierung individueller Sicherheit der Bevölkerung sollte an oberster Stelle stehen; die Formulierung von Makro-Zielen, welche über die Stabilisierung und Sicherheit Nordostasiens hinaus gehen, sollte betrieben werden.

In einem abschließenden Teil führte Professor Park die möglichen Krisen in Nordostasien auf. Neben Territorialdisputen, regionalen Rivalitäten im militärischen und zivilen Bereich, nannte er ebenfalls den unerwarteten Kollaps des Regimes in Nordkorea, Naturkatastrophen und die nukleare Sicherheit der Region. Mögliche Lösungen dieser Krisen sah er unter anderem in der Gründung neuer Sicherheitsforen, multilateralen Ansätzen auf diplomatischer Ebene, der Einbeziehung privater Akteure und der Wiedervereinigung Koreas.

Sodann widmete sich Dr. Jaehyon Lee vom Asan Institute for Policy Studies den Krisenmanagement-Strategien verschiedener Länder in Südostasien hinsichtlich der Krisen im Südchinesischen Meer. Sein Fokus lag hierbei auf der ASEAN-Allianz. Dr. Lee argumentierte, dass die ASEAN-Staaten sich schon immer in einem politischen 'Struggle of Superpowers', allen voran zwischen den USA und China, befunden hätten. Besonders im Rahmen der Krisen im Südchinesischen Meer versuchten die ASEAN-Staaten, an einer multilateralen Lösung mitzuwirken und den Konflikt zunehmend zu internationalisieren. Das ASEAN Regional Forum, welches 1994 ursprünglich gegründet wurde, um das regionale Machtvakuum nach dem Ende des Kalten Krieges zu füllen, aber auch der East Asian Summit trügen maßgeblich dazu bei, auch Staaten außerhalb der ASEAN an den Verhandlungstisch zu bringen. Diese Strategie der überschneidenden Institutionen kleinerer Staaten, um der Dominanz einzelner Akteure entgegenzuwirken, beschrieb Dr. Lee in den Worten des ehemaligen indonesischen Außenministers Natalegawa als 'Dynamic Equilibrium'.

Darüber hinaus teilte er die ASEAN-Mitglieder in vier Gruppen ein: die Pro-China Gruppe aus Kambodscha und Laos, die enge wirtschaftliche Beziehungen mit der Volksrepublik pflegen und nicht direkt an den Konflikten im südchinesischen Meer beteiligt seien; die neutrale Gruppe (1), bestehend aus Malaysia, Brunei und Thailand, die in China einen wichtigen strategischen Partner sähen, allerdings eine eher neutrale Position in der maritimen Krise verträten; die neutrale Gruppe (2), bestehend aus Indonesien, Myanmar und Singapur, wo strategische Autonomie und Unabhängigkeit von anderen Nationen eine hohe Priorität hätten, besonders Eingriffe Chinas oder der USA in die Politik anderer Staaten würden von den Mitgliedern der neutralen Gruppe (2) abgelehnt; die anti-China Gruppe, bestehend aus Vietnam und den Philippinen, die die Aktionen Chinas im Südchinesischen Meer als direkte Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit betrachte.

Weiterhin identifizierte Dr. Lee vier Herausforderungen, welchen die ASEAN-Staaten aktuell und in den kommenden Jahren gegenüberstehen würden: Hard Power Imbalance im Rüstungssektor; Herrschaft aus der Ferne und Unterschiede in der Priorisierung des Konfliktes im Südchinesischen Meer zwischen China und den USA; Chinas Taktik, das Ziel der regionalen Vorherrschaft mittels kleiner aufeinanderfolgender Schritte zu erreichen und ebenfalls Chinas wachsender wirtschaftlicher Einfluss, welcher auch die ASEAN-Staaten zu zunehmender Zurückhaltung drängt.

Nach Dr. Lees Vortrag befasste sich Vizeadmiral a.D. Lutz Feldt mit der Krisenmanagementpolitik und -struktur der EU. Zu Beginn seines Vortrages nannte Feldt vier wichtige Aspekte, die maßgeblich zum Verständnis der sicherheitspolitischen Struktur der EU beitrügen: zwei europäische Nationen, Großbritannien und Frankreich seine Atommächte; sowohl die NATO als auch die EU spielten zentrale Rollen in der Krisenmanagementstruktur in Europa; die EU habe eine gut etablierte und erprobte Leistungsfähigkeit im Bereich des zivilen Krisenmanagements, während die NATO Fähigkeiten des militärischen Krisenmanagements auf strategischer, operationeller und taktischer Ebene einbringe. Darüber hinaus müsse die Bezeichnung der globalen Mächte genauer gefasst und definiert werden und dürfe sich nicht alleine auf militärische Fähigkeiten stützen.

Weiterhin erläuterte Vizeadmiral Feldt die verschiedenen Institutionen der EU, welche das europäische Sicherheitsnetzwerk bildeten. Das Political and Security Committee, die Politico-Military Group, das Crisis Management Directorate, der EU-Militärstab und die Civilian Planning and Conduct Capability leisteten einen umfassenden Beitrag zur Sicherheit und Krisenbewältigung Europas. Darüber hinaus erklärte er, dass das EU Operations Centre, 2012 vom Rat für Auswärtige Angelegenheiten aktiviert, einen sehr wichtigen Beitrag d azu leiste, zivil-militärische Fähigkeiten zu kombinieren und gemeinsame Einsätze wie die Operationen Atalanta, EUCAP NESTOR oder EUTM Somalia zu koordinieren. Um eine funktionierende Koordinationsstruktur zu gewährleisten, wurden fünf sogenannte EU Operational Headquarters (OHQ) in Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und Großbritannien eingerichtet.

Als wichtigste Ziele der EU Operationen nannte Feldt Friedenssicherung und die Stärkung der internationalen Sicherheitsstruktur. Diese Missionen umfassten: humanitäre und Rettungsaufgaben, Konfliktprävention und Friedenssicherung, militärische Aufgaben im Bereich Krisenmanagement, Abrüstungsoperationen, militärische Beratung und Unterstützung sowie Aufgaben in der post-Konfliktstabilisierung. Darüber hinaus verfügt die EU über ein effektives Konflikt-Frühwarn-System (EWS), welches sich aus EU External Action Service, der Europäischen Kommission, Mitgliedsstaaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammensetze. Weiterhin pflege die EU internationale Kooperationen mit anderen europäischen und außereuropäischen Partnern wie der OSZE, der African Union, der Southern African Development Community oder der Economic Community of West African States. Zusätzlich zur Europäischen Union habe auch die NATO zahlreiche Institutionen etabliert, um internationales Krisenmanagement zu unterstützen. Hierzu gehörten die Schlüsselelemente Military Committee, NATO Executive Body, International Military Staff und die Military Command Structure, welche sich aus Allied Command Operations und Allied Command Transformation zusammensetzten. Wenn auch die Kooperation zwischen EU und NATO in der Vergangenheit und der Gegenwart ein hohes Maß an Effektivität bewiesen habe, betonte Vizeadmiral Feldt dennoch die Wichtigkeit der stetigen Verbesserung und Optimierung des Kooperationsprozesses.

Kapazitätsbildung beim Krisenmanagement in Asien und Europa

Im ersten Vortrag des dritten Konferenzabschnittes hielt Professor Chang-hee Nam von der Inha University einen Vortrag zum Thema Militäraufbau in Asien. Er begann sein Referat mit der Erläuterung der Sicherheitssituation Chinas. Diese definierte er durch vier maßgebliche Faktoren, welche die Sicherheitslage Chinas beeinflussten: interne Instabilität durch zivile Unruhen, fragmentierte und teils instabile Beziehungen zu benachbarten Staaten, multilaterale Probleme wie Nordkorea, Krisen im maritimen Raum und wirtschaftliche Abhängigkeit. Weiterhin beschrieb er, dass die Einschränkung der Führungsrolle der USA zugunsten der Chinesen als wichtiger Faktor angesehen wird, diese Probleme zu lösen. Als Hauptkonfliktpunkte der Sino-US-Beziehungen nannte er die Uneinigkeiten bezüglich Taiwan, Differenzen aufgrund regionaler Partner der USA wie Südkorea, Japan und Australien, maritime Konflikte und Menschenrechtsangelegenheiten. Besonders in den US-Japan Beziehungen sah Professor Nam in Bezug auf China ein erhöhtes Konfliktpotential. All diese Konfliktherde seien eingebettet in einen Vorgang des Wettrüstens, ausgelöst durch ein Sicherheitsdilemma, welches laut Nam zu einem verstärkten Streben nach regionalem Einfluss seitens der Volksrepublik führe.

Nam gab einige Empfehlungen, wie diesen Herausforderungen erfolgreich begegnet werden könne. Im ersten Schritt müssten multilaterale Sicherheitsmechanismen und Kooperationen im nordostasiatischen Raum verstärkt werden. Außerdem müsse der Status Quo mit den USA als tragender Kraft in der Region zugunsten von Kooperation und Abschreckung durch Allianzen-Bildung gestärkt werden, sollte ein realistisches Sicherheitssystem nach europäischem Vorbild nicht in der Region etablierbar sein.

Daran anschließen fokussierte Dr. Hyeongwook Boo vom Korean Institute of Defense Analysis in seinem Vortrag auf die Betonung der Wichtigkeit ziviler Kompetenzen infolge sich ändernder sicherheitspolitischer Tendenzen. Die gemachten Erfahrungen in Afghanistan, Abstriche in den Verteidigungsausgaben und militärische Zurückhaltung seien nur einige der Faktoren, welche dazu führten, dass weitere zivile Ansätze im Bereich Krisenmanagement benötigt würden. „Leading from behind“ und „innovative, low-cost, and small-footprint“-Strategien prägten heute die U.S.-amerikanische Außenpolitik. Boo fügte hinzu, dass diese neuen außenpolitischen Präferenzen neben aktiver Diplomatie neue Kooperations- und Partnerschaftsansätze mit regionalen Sicherheitsakteuren, benachbarten Staaten und NGOs benötigten. Als Beispiele erfolgreich durchgeführter Missionen im Bereich Civil Capacity Building in Asien nannte er die European Security and Defense Policy (ESDP) Mission in Aceh, Indonesien und die Katastrophenhilfe in Japan nach dem Reaktorunglück in Fukushima. Jedoch betont er ebenfalls die Herausforderungen, welche mit diesen internationalen Kooperationen einhergingen: Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede, religiöse Konflikte, Finanzierungsprobleme und fehlende politische Unterstützung, ebenfalls Herausforderungen in der Netzwerkbildung und der koordinierten Führung.

Boo nannte ebenfalls verschiedene Formen der Krisenreaktion wie den traditionellen Ansatz mit einem Staat als rationalem Akteur und der Koordination zwischen militärischer und diplomatischer Logik und der Konkurrenzperspektive, in der der Staat als Netzwerkmanager im internationalen System funktioniert. Als effektivsten Ansatz jedoch benannte er den Mittelweg zwischen beiden. Darüber hinaus gab er ebenfalls die Empfehlung, auf akademischer Ebene den Informationsaustausch sowie die Netzwerkbildung zu fördern und die zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC) zu stärken. Als zukünftige Herausforderungen für die CIMIC identifizierte er einen hohen Grad an Bürokratie und behördenübergreifende Zusammenarbeit. Politischer Konsens, Informationsaustausch und politische Unterstützung, seien Schlüsselelemente des optimalen Krisenmanagements.

Den abschließenden Vortrag des Konferenztages hielt Dr. Peter Roell, Präsident des Institutes für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung Berlin zum Thema „Wichtigkeit von OSINT und Intelligence – Eine europäische Perspektive“. Zu Beginn fasste Roell die Geschehnisse seit der letzten gemeinsamen Konferenz im vergangenen Jahr zusammen. Boko Haram in Nigeria, der Islamische Staat im Irak und in Syrien, weitere terroristische Netzwerke in Nordafrika sowie die russische Aggression in der Ukraine seien nur einige der zahlreichen Bedrohungen unserer Zeit. Um all diesen Bedrohungen entgegenwirken zu können, identifizierte er den Open Source Intelligence-Bereich als wichtige Methode der Informationsgewinnung. An einem Beispiel verdeutlichte er die Effektivität des OSINT-Modells, indem er Informationen über US-amerikanische Rüstungsexporte sammelte und auswertete, welche in öffentlichen Statements der US-Regierung nicht näher spezifiziert wurden.

Darüber hinaus verwies Roell ebenfalls auf öffentlich zugängliche Informationen, welche die aktuelle Situation des chinesischen Militärs offenlegten. Er nannte neben institutionellen Schwächen wie veralteten Befehlsstrukturen, Qualität des Personals, Professionalität und Korruption ebenfalls Leistungsfähigkeit im Kampf wie logistische Schwächen, unzureichende Fähigkeiten zum Lufttransport, eine geringe Anzahl an einsatzfähigen Luftfahrzeugen für spezielle Operationen und Defizite in der Flotten-Luft-Abwehr sowie im Kampf gegen Unterseeboote.

Im Anschluss daran erläuterte er die Arbeit verschiedener EU-Institutionen zur Informationsgewinnung und Auswertung. Besonders das Intelligence Analysis Centre of the European Union (INTCEN) spiele hierbei eine große Rolle. Dieses sei zweigeteilt in eine Analyseabteilung, welche für die strategische Auswertung des Materials, basierend auf den Erzeugnissen europäischer Nachrichtendienste, zuständig sei und die Abteilung für externe Angelegenheiten, welche für rechtliche und administrative Fragen zuständig sei. Darüber hinaus arbeite INTCEN eng zusammen mit dem European Union Satellite Centre (EUSC) in Torrejón, Spanien. Dieses versorge das Auswertungszentrum mit Informationen aus Satellitenaufnahmen. Weiterhin pflege INTCEN enge Kontakte mit dem EU Institute for Security Studies in Paris.

Abschließend gab Dr. Roell einige Empfehlungen, wie der Bereich des Krisenmanagements durch Anwendung und Verbesserung von OSINT-Fähigkeiten optimiert werden könne. Neben Ansätzen wie der Forcierung weiterer Netzwerke zum Informationsaustausch und der Zusammenführung von relevanten Informationen nannte er ebenfalls den Ausbau von Counterintelligence-Maßnahmen, der Verbesserung von Entschlüsselungssystemen und engeren Kontakt mit dem privaten Sektor. Auch bewusstseinsbildende Maßnahmen im politischen und militärischen Bereich für die Notwendigkeit von OSINT und Intelligence listete er als unverzichtbare Faktoren.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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