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Veranstaltungsberichte

Billigware Journalist?

von Matthias Barner

Journalistenausbildung in Südosteuropa

Sind junge Journalisten in Südosteuropa auf ihren Beruf ausreichend vorbereitet? Wie gestaltet sich derzeit die Journalistenausbildung und was kann verbessert werden? Welche Rolle spielen die Universitäten, die Medienhäuser und die zivilgesellschaftlichen Organisationen?

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Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Regionalkonferenz zum Thema „Education of Journalists in South East Europe – Key to Media Professionalism“, organisiert vom Medienprogramm Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der Stiftung Mediendemokratie. Sie fand am 10. Juni in der bulgarischen Hauptstadt Sofia statt.

Auch in Albanien hat der Medienboom in den neunziger Jahren viele junge Menschen in den Journalismus geführt, früh-zeitig auch in führende Positionen. So geschah es, dass ein erfahrener Journalist, der sein Wissen als Dozent an der Journalistikfakultät der Universität Tirana weiter vermittelte, unter seinen Studenten nicht nur viele junge Kollegen erblickte, sondern auch seinen deutlich jüngeren Chefredakteur. Diese Anekdote eines Panel-Teilnehmers bringt die nach wie vor aktuelle Problematik der Journallistenausbildung in Südosteuropa auf den Punkt. Auch nach zwanzig Jahren Demokratisierung und Transformation haben sich qualifizierte, professionelle und vor allem praxisorientierte Strukturen für die Ausbildung von Journalisten nicht etabliert: Berufsvorbereitende Journalistenschulen gibt es nicht, Volontariate oder studienbegleitenden Ausbildungsgänge, wie man sie aus Deutschland von der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung oder dem Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) kennt - Fehlanzeige. Die Folge ist: Viele Journalisten beginnen ihren Job ohne eine fundierte Ausbildung. Das Gros studiert an den Journalistikfakultäten, die es überall auf dem Balkan gibt. Doch sie bieten wenig Praxis, vor allem Theorie und alte Curricula. In den Universitäten kommt es somit zu einer „Hyper-Produktion“ von zukünftigen Journalisten, die aber in keiner Weise auf die Realität im Berufsleben vorbereitet sind.

Wer schlecht ausgebildet ist, kann auch leichter manipuliert werden

Diese Entwicklung ist für den weiteren Prozess der Demokratisierung und Transformation in den Ländern Südosteuropas sehr bedenklich. Wenn ein qualitativ hochwertiger und unabhängiger Journalismus unerlässlich für das Funktionieren einer Demokratie ist, dann ist eine qualifizierte Journalistenausbildung erst recht der Grundbaustein für gute und unabhängige Berichterstattung. Regelrecht paradox ist daher der Befund von Georgi Lozanov, Vorsitzender des bulgarischen Rundfunkrates. Seiner Meinung nach könne man fast den Eindruck haben, dass im Zuge der Demokratisierung sich die Qualität der journalistischen Ausbildung eher noch verschlechtert hätte. Da in Südosteuropa das Arbeitsumfeld des Journalisten mehr denn je unter Druck steht (Einfluss politischer und oligarchischer Interessengeflechte, Intransparenz des Medieneigentums, Auswirkungen der globalen Finanzkrise), wirkt sich eine mangelnde Ausbildung des Journalisten in einer Medienlandschaft, die sich noch in einem Entwicklungs- und Anpassungsprozeß befindet, besonders negativ aus: Wer schlecht ausgebildet ist, kann auch leichter manipuliert werden. Und nicht wenige Medieneigentümer heuern gerade deswegen junge, unerfahrene Journalisten an, da sie ihnen als willfährig gelegen sind.

Der Journalist als Billigware? Das wäre ein fatales Zeugnis für einen Beruf, der für die demokratische Entwicklung auf dem Balkan essentiell ist. Das war auch der Ausgangspunkt für die ganztägige Veranstaltung, zu der das KAS-Medienprogramm Journalisten, Medienexperten und Universitätslehrer aus sieben Ländern der Region eingeladen hat. Ziel dieser Fachkonferenz war es, eine öffentliche Debatte über den Stand, die Defizite und den Handlungsbedarf bei der Ausbildung von Journalisten in Südosteuropa zu initiieren. Ein derartiger Dialog ist allein auch deshalb wichtig, da man in der Region immer noch zu wenig Kennt-nis voneinander hat.

Universitäten, Medien und Zivilgesellschaft in der Verantwortung

Natürlich stehen die Universitäten im Kreuzfeuer der Kritik. Allein in Belgrad schließen jedes Jahr rund 500 junge Menschen ihr Journalistikstudium ab und suchen einen Job im Medienbereich. Miroljub Radojkovic von der Universität Belgrad glaubt aber, dass die zwölf Fakultäten, die in Serbien Journalistikstudiengänge anbieten, auch in Zukunft ein guter Ort für die Vorbereitung junger Journalisten sein werden. Gleichwohl bedürfe es einer Umstrukturierung der Lehrpläne. Sein kroatischer Kollege Stjepan Malovic von der Universität Zadar stellte ergänzend die selbstkritische Frage, was man in Zukunft eigentlich will: Wollen wir für einen Beruf ausbilden oder betreiben wir Wissenschaft? Fakt ist, dass es länderübergreifend einer nachhaltigen Reform der Journalistikstudiengänge bedarf – hin zu mehr Praxisbezug, schlankere Curricula, Flexibilität gegenüber modernen Trends und vor allem zu mehr Kooperationen mit den Medien.

Denn es wäre falsch, die defizitäre Journalistenausbildung in Südosteuropa den Universitäten alleine anzulasten. Mindestens genauso stehen die Medienunternehmen und Verlagshäuser in der Pflicht. Anstatt sich über die Universitäten und die geringe journalistische Qualifikation ihrer Absolventen zu echauffieren, sollten sie mehr für die Ausbildung ihres Nachwuchses tun. Warum gehen die Medien nicht stärker auf die Universitäten zu und umgekehrt? Natürlich gab es immer wieder vereinzelte Anstrengungen, insbesondere von ausländischen Medieneigentümern. So hatte zum Beispiel der WAZ-Verlag in Bulgarien eine volontariatsähnliche Ausbildungsreihe ins Leben gerufen, doch eine nachhaltige Struktur ist daraus nicht entstanden, da die Profitorientierung dominierend war und nur wenig Spielraum für die Ausbildung ließ. Bekanntlich hat sich die WAZ-Gruppe mittlerweile ganz aus Bulgarien zurückgezogen.

Zu erwähnen ist auch die Rolle der zahl-reichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich auf nationaler sowie auf regionaler Ebene für die Qualifizierung von Journalisten einsetzen. In den letzten zwanzig Jahren ist viel investiert worden. Doch auch hier mangelt es an Konsistenz und Kontinuität. Gute Projekte halten oftmals nur einige Jahre und werden dann wieder eingestellt. So unterhielt das bekannte Mediaplan-Institut in Sarajevo Anfang des vergangenen Jahrzehnts die High School of Journalism, die Universitätsabsolventen aus den Balkan-Ländern Masterkurse in Journalismus anbot. Doch nachdem sich der französische Kooperationspartner zurückzog, wurde auch diese Einrichtung geschlossen.

Die Teilnehmer der Ausbildungskonferenz äußerten den dringenden Wunsch nach einer Fortsetzung der gemeinsamen Anstrengungen für eine bessere Journalistenausbildung in der Region. In der mehr als notwendigen Debatte um Medienfreiheit und Meinungspluralismus in Südosteuropa werden der Mensch, also der einzelne Journalist, seine Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten, zu wenig beachtet. Ein nächster Schritt wäre die Ausarbeitung von Leitlinien für die zu-künftige Journalistenausbildung in Südosteuropa. Denn bisher fehlt ein strategischer Ansatz für die Journalistenausbildung in der Region, den die maßgeblichen Akteure – die Universitäten, die Medienunternehmen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen – auch gemeinsam tragen. Hinzu kommt der digitale Wandel, der ganz neue Maßstäbe für die zukünftige Qualifikation von Journalisten setzt. Das Medienprogramm Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung wird die Frage der Journalistenausbildung weiter auf seiner Agenda haben.

Mehr Informationen und Bilder zur Konferenz unter:

http://www.kas.de/medien-europa/de/

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