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Nur jeder zehnte Bulgare hält Medien für unabhängig

von Christian Spahr

Repräsentative Meinungsumfrage des KAS-Medienprogramms Südosteuropa zu Medienfreiheit und politischer Kommunikation

Das Vertrauen in bulgarische Medien befindet sich an einem Tiefpunkt. Das zeigt eine vom KAS-Medienprogramm Südosteuropa in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage. Nur jeder zehnte Befragte (10 Prozent) hält die Medien in seinem Land für unabhängig. Ein ähnlich niedriger Wert zeigt sich bei der Zufriedenheit mit der Kommunikation von Politikern. Nur 11 Prozent der Bulgaren fühlen sich ausreichend über politische Entscheidungen informiert.

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Im internationalen Ranking der Pressefreiheit, durchgeführt von der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Reporter ohne Grenzen“, belegt Bulgarien aktuell den 109. Platz von 180 Ländern. Zwar gibt es in Bulgarien keine systematische Unterdrückung kritischer Journalisten, aber viele äußere Faktoren tragen dazu bei, die Medienfreiheit in dem Land zu untergraben. Das Vertrauen der Bevölkerung in Medien und politische Kommunikation ist ebenfalls sehr niedrig, wie eine vom Meinungsforschungsinstitut Alpha Research durchgeführte und im November 2017 vorgestellte repräsentative Umfrage im Auftrag der KAS zeigt. Diese spiegelt das Stimmungsbild von mehr als 1.000 Bulgarinnen und Bulgaren im Alter von über 18 Jahren wider. Sie zeigt: Nur zehn Prozent der Bulgaren halten die Medien für unabhängig. 67 Prozent halten sie für mehr oder weniger abhängig und 24 Prozent der Befragten waren unschlüssig, ob die Medien abhängig oder unabhängig sind.

Kaum Unterschiede nach Alter, Bildungsgrad und Wohnort

Um gezieltere Aussagen über das Stimmungsbild im Land machen zu können, erfasste die Studie genau, aus welcher Bildungsschicht die Befragten kommen, welches Alter sie haben und ob sie aus einer Stadt oder ländlichen Regionen stammen. Dabei zeichnete sich eine auffällige Einigkeit in der Wahrnehmung der Medienfreiheit ab. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Medien liegt in jeder Bildungsschicht und Altersklasse bei nur rund sieben bis 12 Prozent. Auffällig ist, dass mit dem Bildungsgrad auch die Überzeugung steigt, dass die Medien ganz oder teilweise abhängig von äußeren Einflüssen sind. Nennenswerte Unterschiede zwischen Land- und Stadtbevölkerung gibt es nicht. Es zeigt sich jedoch, dass die Menschen in der Hauptstadt Sofia beim Thema Medienfreiheit am skeptischsten sind. 72 Prozent der Sofioter halten die bulgarischen Medien für ganz oder eher abhängig. Doch auch die Bevölkerung aus kleineren Städten ist kaum weniger kritisch (68 Prozent). Die Zahlen verdeutlichen, dass die Medienfreiheit in Bulgarien prekär ist und sich die Medien in einer Vertrauenskrise befinden. Zu den schlechten Rahmenbedingungen für Medienfreiheit tragen vor allem Monopole von Oligarchen, eine gegenseitige Abhängigkeit von Medien und Politik, die wirtschaftliche Krise der Branche sowie rechtliche Defizite und eine schwache Selbstregulierung bei.

Diskriminierung und Diffamierung in der politischen Debatte

Ein weiteres Thema der Umfrage war, inwiefern sich Diskriminierungen und Diffamierungen in politischen Debatten in der bulgarischen Medienberichterstattung wiederfinden. Hierbei sahen 67 Prozent der Befragten die Politiker als Ziel von Diskriminierungen. „Beleidigungen, Aggression und Hassrede sowie ein demütigender Ton gegenüber dem politischen Gegner in Fernsehauftritten und parlamentarischen Debatten führen dazu, dass Politiker gleichzeitig Urheber und Opfer von Diskriminierung sind“, erläutert Studienleiterin Boriana Dimitrova von Alpha Research. Zudem erkennen 54 Prozent der Bulgaren Diskriminierungen und Diffamierungen nationaler und ethnischer Minderheiten in Medienberichten. 49 Prozent sehen Fälle von Diskriminierung religiöser Minderheiten und 44 Prozent sehen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Ziel von Diskriminierung. Die Ergebnisse sind so zu deuten, dass Diskriminierungen und Diffamierungen in politischen Debatten des Landes häufig auftreten und dadurch regelmäßig Gegenstand der Berichterstattung sind.

Kritische Bewertung politischer Kommunikation

Die Kommunikation bulgarischer Politiker wird von den Bürgern ähnlich schlecht bewertet wie die Unabhängigkeit der Medien. Eine Mehrheit der Bulgaren (64 Prozent) fühlt sich unzureichend über politische Entscheidungen informiert. Nur 11 Prozent fühlen sich gut bis sehr gut informiert, während 25 Prozent keine klare Meinung haben. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Kommunikation von Politikern im Allgemeinen, was Regierungsmitglieder und Vertreter politischer Parteien gleichermaßen einschließt.

Auch bei dieser Frage wurden Unterschiede einzelner Bevölkerungsgruppen analysiert. Der größte Unterschied lässt sich in den Bildungsgraden ausmachen. Während sich 68 Prozent der Hochschulabsolventen schlecht oder eher schlecht informiert fühlen, teilen 56 Prozent der Angehörigen niedriger Bildungsschichten diese Auffassung. Die durchweg negative Wahrnehmung der politischen Kommunikation weist auf hohe Erwartungen der Bevölkerung hin, dass Politiker und ihre PR-Berater Entscheidungen transparenter mitteilen und den Bürgerdialog intensivieren.

In einer Zeit europäischer Krisen und anhaltend großen Reformbedarfs müssen Politiker in Südosteuropa stärker als sonst in professionelle Kommunikation investieren. Mit Schulungen und Konferenzen unterstützt das KAS-Medienprogramm Südosteuropa Partei- und Regierungssprecher dabei, ihre Kommunikation effizienter zu gestalten. Auch der Berufsverband SEECOM, zu dessen Mitbegründern das Medienprogramm zählt, trägt dazu bei, einen transparenten Bürgerdialog zu fördern. Ein kürzlich vorgestelltes Fachbuch des Medienprogramms zum Thema Politische Kommunikation beschreibt insbesondere die Herausforderungen beim Bürgerdialog in neuen und künftigen EU-Ländern.

Die Ergebnisse der Umfrage wurden am 27. November 2017 im Zuge des „South East European Media Forums“ (SEEMF) in Sofia vorgestellt. Das SEEMF ist mit seinen jährlich über 300 Teilnehmern die größte Medienkonferenz in Südosteuropa. Veranstalter sind das KAS-Medienprogramm Südosteuropa, die Südosteuropäische Medienorganisation (SEEMO) und die Zentraleuropäische Initiative (CEI).

Mitarbeit: Kristin Puschmann

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