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Länderberichte

Tsakhia Elbegdorj wiedergewählt

von Johannes D. Rey

Herausforderungen für den alten und neuen Präsidenten der Mongolei

1,9 Mio. wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger waren am 26. Juni 2013 aufgerufen, zum sechsten Mal nach dem demokratischen Umbruch Anfang der 1990er Jahre, ihren Staatspräsidenten für eine Amtszeit von vier Jahren direkt zu wählen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Wahlkommission konnte Amtsinhaber Elbegdorj mit 50,23 Prozent die absolute Mehrheit nur knapp behaupten. Die Gegenkandidaten B. Bat-Erdene und N. Udval erhielten 41,97 Prozent und 6,5 Prozent der Stimmen. Mit 63,89 Prozent (2009: 73,5 Prozent) sank die Wahlbeteiligung auf einen historischen Tiefstwert.

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Wie schon bei der letzten Präsidentschaftswahl 2009 konnte der alte und neue Präsident gerade bei der wachsenden Mittelschicht in der Hauptstadt Ulaanbaatar punkten, in der inzwischen die Hälfte der Bevölkerung des drei Millionen Volkes lebt. Sowohl der faire Wahlkampf der Kandidaten als auch die friedliche Durchführung der Wahl zeigt die erlangte Reife der mongolischen Demokratie. Die seit den durchgeführten Parlaments- und Kommunalwahlen des letzten Jahres zu beobachtende Tendenz sinkender Wahlbeteiligung setzt sich fort und bereitet zunehmend Sorgen. Viele Mongolen fühlen sich trotz zweistelliger Wachstumsraten wegen der anhaltenden Korruption und der damit einhergehenden ungerechten Verteilung der Einkünfte aus dem Rohstoffabbau von der Entwicklung abgehängt, obwohl Ts. Elbegdorj in seinem Wahlkampf nicht müde wurde zu betonen, dass die Mongolei nach dem Korruptionsindex von Transparency International 2012 um 26 Plätze auf Rang 94 von 174 Ländern aufgestiegen sei.

OSZE zufrieden

Nach dem Beitritt der Mongolei zur OSZE Ende 2012 wurde auf Einladung der mongolischen Regierung erstmalig eine Präsidentschaftswahl von dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der OSZE überwacht. Dies ist ein entscheidender Schritt für die Mongolei und wurde von den Medien und Bürgern aufmerksam registriert. Die Kommission bestand aus 13 internationalen Experten, 24 Langzeit- und etwa 300 Kurzzeitbeobachtern. Schon einen Tag nach der Wahl stellte die Vorsitzende, Audrey Glover, die Ergebnisse der Kommission in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor. Im Endergebnis wurden die Wahlen als frei und fair beurteilt. Hauptkritikpunkt war die fehlende unabhängige Berichterstattung der Medien im Vorfeld der Wahlen, weil die meisten Zeitungen und Fernsehkanäle direkt oder indirekt in Besitz von Politikern seien. Des Weiteren wurde beanstandet, dass die mongolische Wahlkommission mehrheitlich mit Staatsbeamten besetzt worden sei, die der regierenden Demokratischen Partei (DP) nahe stünden.

Kandidatin und Kandidaten

Erstmalig stand auch eine Frau zur Wahl. N. Udval von der Mongolischen Revolutionären Volkspartei (MRVP), die zusammen mit der DP und der Bürgerwillen/Grünen-Partei (CWGP) eine Koalition bildet, wurde 1954 im zentral gelegenen Arkhangai Aimag geboren und studierte Medizin an der Hochschule von Ulaanbaatar und Manchester. Seit 2012 ist sie Gesundheitsministerin. Mit ihrem Motto „Fünf Grundsätze, fünf Missionen“ setzte sie sich im Wahlkampf für die Stärkung der mongolischen Unabhängigkeit ein. Sie präsentierte „fünf Gefahren“, denen begegnet werden sollte. Diese seien die drohende wirtschaftliche Abhängigkeit und Unsicherheit aufgrund ausländischer Einflüsse, insbesondere Chinas und Russlands, die anschwellende Korruption, die Degradierung und Ausbeutung der Arbeiterklasse und das fehlende Vertrauen in Justiz und Pressefreiheit. Keine weitere Partei bekannte sich dazu, N. Udval als Präsidentschaftskandidatin zu unterstützen.

Der Herausforderer, B. Bat-Erdene, von der oppositionellen Mongolischen Volkspartei (MVP) wurde 1964 im östlichen Khentii Aimag geboren und beendete 1990 die Militärische Hochschule mit dem Masterabschluss für Rechtswissenschaften. Seit 2004 ist er Parlamentsabgeordneter. B. Bat-Erdene war einer der bekanntesten und beliebtesten mongolischen Ringkämpfer. Als Mensch wird er in der Mongolei hoch geachtet. Sein Wahlmotto lautete „Einheit achten, Gerechtigkeit unterstützten“. In seinem Programm versprach er, die Lebensbedingungen der Bevölkerung und den Fortschritt seines Landes zu verbessern, die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und die Stärkung der Demokratie. Kleinere Parteien wie die Grüne Partei, die Partei für die Implementierung des Friedens und die Partei der vereinigten Patrioten unterstützten B. Bat-Erdene.

Präsident T. Elbegdorj wurde 1963 im Khovd Aimag geboren und studierte Journalismus am Militärpolitischen Institut in Lwiw (Ukraine) und Öffentliche Verwaltung an der Harvard Universität. Zwischen 1990 und 2000 wurde er dreimal in Folge ins mongolische Parlament gewählt. 1998 und 2004 bis 2006 war er Premierminister. Im aktuellen Wahlkampf lautete sein Motto „Der Mongolei dienen“. Der Fokus seines Wahlprogramms lag auf der Kommunalen Selbstverwaltung, Rechtsstaatlichkeit, Umweltpolitik und der Stärkung der internationalen Beziehungen der Mongolei. Unterstützt wurde er neben der DP auch vom Koalitionspartner CWGP, der Mongolischen Nationaldemokratischen Partei (MNDP), der Heimatpartei und der Republikanischen Partei.

Wahlkampagnen werden in der Mongolei stets mehr auf Personen ausgerichtet. Pointierte programmatische Unterschiede waren bei den Kandidaten kaum auszumachen. Dies wurde bei der einzigen TV-Debatte zwei Tage vor der Wahl besonders deutlich, die sich entsprechend der mongolischen Debattierkultur zu einer Frage und Antwort-Session zwischen Moderator, Publikum und Kandidaten entwickelte. Zu einem direkten Meinungsaustausch zwischen dem Amtsträger und den Herausforderern kam es nicht. Alle waren sich einig, die Gewinne aus den milliardenschweren ausländischen Bergbauinvestitionen gerechter unter der Bevölkerung zu verteilen, die Korruption stärker zu bekämpfen, die Eigenverantwortung der Kommunen zu stärken, die nachhaltige Bewirtschaftung der Rohstoffe zu fördern und die internationalen Beziehungen auszubauen. Via Twitter und Facebook beschwerten sich nach der Sendung gerade junge Menschen über diese allzu friedliche Präsentation der Kandidaten. Sie sahen den Präsidenten durch seine rhetorischen Fähigkeiten bei der Beantwortung der Fragen und beim Wahlausgang weit voraus.

T. Elbegdorjs Erfolge

Im Gegensatz zum Bundespräsidenten Deutschlands hat der mongolische Staatspräsident Gesetzesinitiativrecht, wovon T. Elbegdorj in seiner ersten Amtszeit wohlbedacht mehrfach Gebrauch gemacht hat. Ein besonderes Anliegen war ihm dabei die finanzielle Stärkung der Kommunen und politische Dezentralisierung. Ein Novum seiner Amtszeit war die Einführung sogenannter Beratungsstellen („Citizens Halls“) in den Bürgervertretungen des ganzen Landes zur Stärkung der Bürgerpartizipation an politischen Entscheidungsprozessen. Seitdem können Bürger ihre Anliegen auf direktem Wege vortragen.

Innenpolitische Akzente setzte der Präsident auch im Umweltbereich (Erneuerbare Energien) und bei den Menschenrechten (Abschaffung der Todesstrafe). Eine positive Entwicklung gab es bei der Korruptionsbekämpfung. In regelmäßigen Abständen wurden in T. Elbegdorjs Amtszeit schwere Korruptionsfälle aufgedeckt und teilweise verurteilt. Allerdings warfen ihm seine politischen Gegner vor, dass er es mit der brutalen Verhaftung und Verurteilung seines Amtsvorgängers, N. Enkhbayar, übertrieben und die Strafverfolgungsbehörden und Justiz für seinen Wahlkampf missbraucht habe. Gegenkandidat B. Bat-Erdene schrieb in einer Email: „If one wants to fight corruption, then strict rules of the law should be applied to every corrupt official irrespective of their party membership.”

Die größten Erfolge konnte der Staatspräsident auf internationaler Ebene feiern. Vor allen Dingen mit dem Beitritt der Mongolei zur OSZE am 21. November 2012, dem Partnerschaftsabkommen mit der NATO im Frühjahr 2012 und der Austragung der 7. Ministerkonferenz der Gemeinschaft der Community of Democracies in Ulaanbaatar Ende April dieses Jahres, ist die Mongolei stärker in das internationale Bewusstsein gerückt. Im Rahmen der sogenannten Drittnachbarpolitik konnten die Beziehungen zu den USA, Japan, Südkorea und zur EU, insbesondere zu Deutschland, ausgebaut werden. Besuch und Gegenbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober 2011 in der Mongolei und Präsident Tsakhia Elbegdorj in Deutschland im März 2012 wurden als Aufwertung und Vertiefung der Beziehungen verstanden. Mit der Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens während des Besuchs der Kanzlerin wurden die Grundlagen engerer wirtschaftlicher Zusammenarbeit gelegt.

Herausforderungen und Ausblick

Seit den Parlamentswahlen im Juni letzten Jahres stellt die Demokratische Partei den Minister- und Parlamentspräsidenten. Auch wenn der Staatspräsident zur Überparteilichkeit verpflichtet ist, wird mit der Wiederwahl T. Elbegdorjs das Machtfundament der DP weiter ausgebaut. Dennoch sei vor Überheblichkeit gewarnt. Das Land steht vor immensen Herausforderungen. Trotz zweistelliger Wachstumsraten in den letzten Jahren gelten noch gut ein Viertel der Menschen als arm. Hauptprobleme bleiben die hohe Inflation (zwischen 10% und 15%) und die ausgeprägte Clanwirtschaft, die Investitionen in Bildung und Infrastruktur hemmt.

Inzwischen ist bei internationalen Investoren Ernüchterung eingetreten. Mongolische Firmen und die Regierung haben sich nicht immer als zuverlässige Vertragspartner herausgestellt. Die permanenten Forderungen der Regierung gegenüber dem britisch-australischen Bergbauunternehmen Rio Tinto, welches in Oyu Tolgoi eine Kupfer- und Goldmine betreibt und bis jetzt mehr als fünf Milliarden Euro investiert hat, nach Neuverhandlungen des bestehenden Vertrages und dem Einfrieren von Geschäftskonten haben dem Land als Investitionsstandort immens geschadet. Hinzu kommt das im letzten Jahr zur Beruhigung der Wähler kurz vor der Parlamentswahl verabschiedete Investitionsgesetz, welches den Anteil von ausländischem Eigentum an „strategischen Industrien“, wie Bergbau, Bankwesen und Telekommunikation und bei Geschäftswerten von über USD 75 Millionen auf maximal 49% beschränkt. Ausnahmen müssen demnach vom mongolischen Parlament genehmigt werden. Ausländische Unternehmen befürchten, dass dadurch die Korruption in der Mongolei weiter gefördert werden könnte und argumentieren, dass eine Mehrheit am Eigenkapital auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten für Investitionen in der Mongolei essentiell sei. T. Elbegdorj versuchte im Wahlkampf und direkt nach seiner Wiederwahl die Bedenken zu zerstreuen, in dem er ein neues Investmentgesetz ankündigte, nach dem ausländische und inländische Investoren gleich behandelt würden. „Wir müssen die nationalen Interessen und die Interessen der Investoren zusammen bringen. Investoren sollen sich in der Mongolei wohl fühlen“, so der Präsident. Doch die Skepsis überwiegt inzwischen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, doch wird in diplomatischen Kreisen und bei den ansässigen ausländischen Firmen in Ulaanbaatar offen über einen Rückgang der Direktinvestitionen in Höhe von 60% spekuliert und von einem Wirtschaftswachstum von lediglich knapp über 5% in 2013 ausgegangen.

Umso mehr wird in den nächsten Jahren das politische Geschick des Präsidenten als Moderator nach innen und nach außen gefragt sein. Der zunehmende Rohstoffnationalismus verbunden mit der ungerechten Verteilung der Einnahmen aus dem Rohstoffsektor birgt die Gefahr populistischer Entscheidungen der Regierung zu ungunsten einer nachhaltigen Entwicklung des Landes.

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Johann C. Fuhrmann

Johann C

Leiter des Auslandsbüros China - Peking

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