Den Taliban schwere Niederlagen beibringen... - Politisches Bildungsforum Niedersachsen
Veranstaltungsberichte
Wo stehen wir in Afghanistan?
In der deutschen Öffentlichkeit würden die Erfolge der ISAF-Mission kaum vermittelt, in der Berichterstattung überwiegen Probleme und politische und militärische Fehler. Dabei sei viel erreicht worden, etwa auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung der Afghanen und der Bildung. Besonders Mädchen besuchen wieder in großer Zahl Schulen, und das sei Anlass für die Hoffnung, dass in einigen Jahren diese Menschen Afghanistan aufbauen werden.
Die NATO hat den Konflikt „medial“ verloren
Keine Rede könne davon sein, dass die NATO diesen Krieg verloren habe. In einem asymmetrischen Konflikt sei dies eine falsche Kategorie. Allerdings habe die NATO den Krieg „medial“ verloren, was wenig verwundern könne - letztlich seien die europäischen Gesellschaften grundsätzlich nicht mehr bereit, Kriege zu führen. Der Abzug aus Afghanistan wird für die NATO nicht folgenlos bleiben. Denn zukünftig werden Einsatzszenarien mit noch größerer Zurückhaltung geprüft, was einerseits gut und richtig sei, andererseits aber auch schlimme Folgen nach sich ziehen könnte.
Insgesamt, so Professor Masala, müsse gleichwohl von einer „gemischten Bilanz“ gesprochen werden. Die Liste mit Fehlern und Problemen des Einsatzes wurde dann allerdings deutlich länger.
Wir haben den Druck von den Taliban genommen
Es seien strategische Fehler gemacht worden, wie das anhaltende Festhalten an Präsident Hamid Karzai, obwohl dieser keinen Rückhalt in der Bevölkerung aufgrund von Korruptionsvorwürfen besitzt; dabei ist es besonders wichtig, eine stabile und in den Augen der Afghanen legitime Regierung zu stützen. Außerdem wurde versucht, westliche Gesellschafts- und Demokratiemodelle auf Afghanistan zu übertragen. Das aber lehnen viele Afghanen ab. Sehr skeptisch beurteilt Professor Masala die Fähigkeiten der afghanischen Armee und Polizei. Vor allem die Polizei müsse nach dem Abzug 2014 der Garant für relative Stabilität sein, ist aktuell jedoch weit davon entfernt, diese Rolle erfolgreich übernehmen zu können. Wie der Bundesverteidigungsminister jüngst warnte, besteht zudem die Befürchtung, dass sich Teile der Polizei und Armee nach dem Abzug den Taliban anschließen könnten. Zudem habe man vergeblich nur auf Pakistan als Partner gesetzt und dabei beispielsweise Indien vernachlässigt. Pakistan ist jedoch Teil des Problems, nicht die Lösung. Durch die Festlegung auf ein Abzugsdatum sei der Druck von den Taliban genommen worden, die einfach nur abwarten müssen, bis die ISAF verschwunden ist. Eigentlich handele es sich um ein Versagen der internationalen Staatengemeinschaft und auch der vielen NGO’s, die vor Ort arbeiten. Die Taliban könnten auf frisch gebauten Straßen nach Kabul vorstoßen.
Regionalisierung des Konfliktes erforderlich
Eine Regionalisierung des Konfliktes, d.h. der Versuch, die wesentlichen Mächte Pakistan, Iran, Indien, China und Russland einzubeziehen und an einen Tisch zu bringen, sei dringend nötig. Insbesondere die USA müssten ihre Position gegenüber dem Iran modifizieren und offizielle Kontakte aufnehmen. Allerdings wurde die These in den anschließenden Gesprächen der Gäste auch kritisch bewertet und gefragt, ob die machtpolitischen und nationalistischen Egoismen dafür überhaupt Raum lassen würden.
Außerdem, meinte Professor Masala, werde sich die US-Armee nicht völlig aus Afghanistan zurückziehen, sondern, wie im Irak, mit Basen vor Ort aktiv bleiben.
Den Taliban schwere Niederlagen beibringen
In politischer Hinsicht sei es erforderlich, „gemäßigte“, nationalistische Taliban zu Gesprächen und eventuell zur politischen Beteiligung zu bewegen. Das aber sei erst möglich, wenn die ISAEF ihnen schwere Verluste beigebracht hätte, und genau dies müsse das Ziel der kommenden Monate sein. Denn derzeit gibt es für die Taliban keinen Grund, sich auf Verhandlungen einzulassen. Sie brauchen nur abzuwarten. Deshalb müssten ihnen militärisch Niederlagen beigebracht werden, damit jener Punkt erreicht werden kann, an dem sich starke Gruppen der durchaus nicht homogenen Taliban für den Eintritt in Verhandlungen entscheiden. Denn ohne Einbeziehung der Taliban wird es auf absehbare Zeit wohl keine funktionstüchtige Regierung geben. Sollte dies nicht gelingen, droht den Afghanen erneut ein blutiger Bürgerkrieg.