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Deutsche Leitkultur gesucht

Bundestagspräsident a.D. Lammert wirbt für ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit

Welche Werte schaffen Vertrauen in die Zukunft? Brauchen wir eine Leitkultur? Und wenn ja, wie soll diese definiert sein? Zur Beantwortung dieser ambitionierten Fragen hatte das Bildungsforum in Hannover sich jetzt den früheren Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert eingeladen.

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In der aktuell hitzig geführten Debatte tut es gut, wenn jemand wie Lammert versachlicht und den Blick für das Wesentliche schärft. Für ihn ist der Streit um eine Leitkultur „ein intellektueller Streit von Leuten, die sich den Luxus dieser Art von luxuriöser Debatte erlauben können und dabei für sich Probleme entdecken, die die allermeisten in diesem Lande lebenden Menschen gar nicht haben“. Wie das Ungeheuer von Loch Ness komme ihm die Leitkulturdebatte vor, so Lammert weiter. „Das taucht in unregelmäßigen Abständen aus unklaren Gewässern immer wieder auf, ist aber nicht richtig fassbar. Immer, wenn einer behauptet, man habe das Thema ein für alle Mal hinter sich, taucht es wieder auf, und die Debatte fängt wieder von vorne an.“

Es braucht ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit

Deutschland kommt offenkundig von diesem wie Lammert ihn nannte, „sperrigsten Begriff der öffentlichen Diskussion seit Langem“ nicht los. Eine Ursache dafür ist der Wunsch nach Verständigung über Grundwerte. Durch die noch nicht abschätzbaren Folgen von Digitalisierung und Flüchtlingskrise, von Internationalisierung oder auch des demographischen Wandels existiert ein Bedürfnis nach Orientierung und einem Mindestmaß an Gemeinsamkeiten. Ohne das kann eine Gesellschaft ihre Vielfalt nicht ertragen. Vielfalt sei nur auszuhalten, so Lammert, wenn nicht jeder selbst sein einziger zumutbarer Gesetzgeber ist. Fast sei es so wie in der Familie. Nicht jedes Familienmitglied ist gleich. Es gibt unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Erfahrungen. Niemand würde aber auf die Idee kommen, alle müssen gemeinsam frühstücken oder alle gemeinsam in den Urlaub fahren, oder sie müssen sich alle für Fußball interessieren. Jede Art von Unterschiedlichkeit ist akzeptabel. „Aber ohne irgendeine Gemeinsamkeit ist die Veranstaltung zu Ende“, warnte Lammert. Dasselbe gelte für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der die Mitglieder durch nichts mehr verbunden sind, existiert nicht mehr.

Grundgesetz kann keine abschließende Antwort auf Leitkulturdebatte sein

Als wenig hilfreich empfindet es Lammert, wenn in der Debatte um eine Leitkultur das Grundgesetz vorgeschoben wird. Verfassungspatriotismus missachte, dass unsere Rechtsnomen nicht aus heiterem Himmel gefallen, sondern aus unseren kulturellen Überzeugungen erwachsen sind. Die Verfassung sei daher nie Ersatz, sondern Ausdruck der Kultur einer Gesellschaft. Als Beispiel nannte Lammert das in Artikel 16 festgeschriebene Recht für politisch Verfolgte auf Asyl. Dieses sei auf die Erfahrungen der Deutschen im und nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen, einer Zeit also, in der viele selber Asyl suchten. So gut gelungen das Grundgesetz auch sein mag, es könne die Debatte über die Leitkultur auch deswegen nicht ersetzen, weil der Wertekanon sich wandelt. Wenn Frauen heute Verträge zeichnen dürfen, so war das nicht immer so. Veränderte Überzeugungen münden früher oder später in veränderten Rechtsnormen.

Alle sind herzlich eingeladen sich zu beteiligen

Ausdrücklich rief Lammert dazu auf, jeder, der Teil der Gesellschaft ist – unabhängig von der Staatsbürgerschaft - möge sich an der Debatte um eine Leitkultur beteiligen. Es gebe kein Beteiligungsverbot. „Jeder ist herzlich eingeladen mitzumachen.“ Zweiflern machte er Mut. Sie seien unverzichtbar und das Gütesiegel einer aufgeklärten Gesellschaft, Quelle für Innovationskraft und Merkmal jeder westlichen Zivilisation.

Manch einer stört sich ja bereits an dem Begriff „Leitkultur“. Auch hier beruhigte Lammert: „Wie man das dann auch immer nennen mag: Das ist egal.“ Es komme auf die Zusammenhänge an, wie eine Gesellschaft ihren Zusammenhalt definiere.

Althusmann: Kontinuierliches ernsthaftes Ringen um Werte notwendig

Begrüßt worden war Lammert neben dem Bildungswerkleiter, Christoph Bors, von Bernd Althusmann. Auch der Landesvorsitzende der CDU-Niedersachsens sprach sich für eine Versachlichung der Leitkulturdebatte aus. Über Werte zu diskutieren bedeute nicht alles festzuschreiben. Vielmehr ginge es um kontinuierliches ernsthaftes Ringen darüber, was unsere kulturelle Wertebasis sei.

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