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Veranstaltungsberichte

Innenansichten aus Syrien

Podiumsdiskussion zum Arabischen Frühling

Eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick zugleich wagte das mit Experten besetzte Podium bei der in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Loccum und dem Literaturhaus Hannover durchgeführten Diskussion zum aktuellen „Syrien-Konflikt“. Neben Dr. Martin Beck (Leiter des KAS-Büros in Jordanien) und Leyla Al-Zubaidi (Heinrich-Böll-Stiftung Libanon) als Vertreter für die politischen Stiftungen nahm Dr. Salam Said teil. Die Wirtschaftswissenschaftlerin forscht derzeit über den Arabischen Frühling. Einen besonderen Einblick konnte Hozan Ibrahim, Mitglied des Syrischen Nationalrates, geben.

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„Die Saat für den Bürgerkrieg ist gesät“. Mit diesen klaren Worten beschrieb Layla Al-Zubaidi, Leiterin des Auslandsbüros der Heinrich-Böll-Stiftung im Libanon die Lage in Syrien. Dennoch sei die Waffengewalt zwischen dem Assad-treuen Militär und den Oppositionellen vollkommen unterschiedlich, obwohl eine beobachtbare Zunahme an Militarisierung erfolge, die aber bei Weitem noch nicht auf Augenhöhe sei. Alle vier Diskutanten auf dem Podium zeigten sich bei der anfänglichen Bestandsaufnahme über die Situation im Lande besorgt. Jedoch stellten sie einvernehmlich heraus, dass der Großteil des Konfliktes friedlich verlaufe. Die Medien konzentrierten sich stark auf die Gewalt und richteten den Fokus selten auf die freitäglichen Demonstrationen an derzeit ca. 170 Orten im Land.

Fragmentierte Opposition: Fluch und Segen zugleich

Die Wirtschaftswissenschaftlerin der Freien Universität Berlin, Dr. Salam Said, erklärte, dass viele der treibenden Kräfte in der jetzigen Opposition sehr lange Zeit unterdrückt worden seien. Kern der Opposition ist der Syrische Nationalrat, der im September vergangenen Jahres aus sieben Gruppierungen gegründet wurde. Neben dem Nationalrat gebe es noch die alte, etablierte Opposition und säkulare und linksgerichtete Strömungen, was zu einer starken Fragmentierung der Opposition führe. Dies sei ein zweischneidiges Schwert, so Dr. Said. Auf der einen Seite wisse das Regime durch die Fragmentierung nicht genau, wer der Feind sei und wo er sich befinde. Allerdings gebe es keinen internationalen Ansprechpartner, was Verhandlungen und die Artikulierungen von Forderungen erschwere.

Auf dem Podium war Hozan Ibrahim, Mitglied im Syrischen Nationalrat und zuständig für die „lokalen Koordinationsgruppen“ vertreten. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten wurde er mehrmals inhaftiert und lebt nun seit September 2011 als politischer Flüchtling in Deutschland. Er lobte die Arbeit des Nationalrates, den er auch im Ausland weiter unterstütze, und stellte ihm ein gutes Zeugnis aus. Kritik zur Zusammensetzung des Organs kam von Dr. Martin Beck, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman (Jordanien). Es sei wenig förderlich, dass es keinen richtigen Einbezug von Kurden und Alawiten in Organe gegeben habe, obwohl das Potenzial zum Widerstand sicher auch bei ihnen gegeben sei. Die Christen hingegen seien von Assad überzeugt worden, dass sie sich an das Regime anzulehnen hätten, um ihren Glauben frei ausüben zu können. Daher überwiege bei ihnen die Angst, dem Widerstand beizutreten und sich gegen Assad aufzulehnen.

Aufstand der Marginalisierten

In Syrien könne man derzeit eine „neue Art der Revolte“ feststellen, bei der die tragenden Kräfte aus der unteren Mittelschicht kämen und größtenteils keine Akademiker seien, so Dr. Martin Beck. Daher sei es auch kein Zufall, dass diese die Zentren der Opposition seien und sich der Widerstand gegen das Regime besonders auf dem Land formiert habe. Dort herrsche ein hoher Grad an Unzufriedenheit, da es starke sozio-ökonomische Konflikte und Unterschiede zwischen der ländlichen und der städtischen Bevölkerung gebe. Nun aber versuche man, sich aus den Fesseln der Marginalisierung zu lösen.

„Syrien ist ein Schlachtfeld nationaler und internationaler Konflikte“

Von großer Bedeutung im „Syrien-Konflikt“ sei besonders die Rolle Russlands. Im internationalen Kontext habe Russland – und auch Iran – Syrien instrumentalisiert und für bessere Verhandlungspositionen benutzt. Im Kern gehe es Russland bei der weitere Stützung des Assad-Regimes aber nicht nur um die Wahrung eines „Spielballes“ für Verhandlungen, sondern auch darum, den Verlust eines der letzten Verbündeten abzuwehren, so Dr. Said.

Die Bemühungen vieler Golfstaaten, vor allem von Seiten Saudi-Arabiens, die Konflikte in Syrien einzudämmen, liegen vor allem darin begründet, dass diese Länder ein „Überschwappen“ der Protestbewegungen auf ihre Bevölkerung mit allen Mitteln verhindern wollten. Dem gegenüber seien die Türkei, die EU und die USA eher dem Syrischen Nationalrat wohlgesonnen. Ibrahim hob hervor, dass das Einschalten so vieler Staaten mit verschiedensten religiösen Prägungen ein besonderes Zeugnis der Interkonfessionalität des Konfliktes sei.

„Ein langfristiges »Abschlachten« wird die Opposition nicht hinnehmen“

KAS-Auslandsmitarbeiter Dr. Beck schätzte die Gefahr einer Eskalation des bewaffneten Widerstandes sehr hoch ein. Da Assad innenpolitisch noch lange nicht seine Legitimation verloren habe, könne es bald auch von Seiten der Opposition zu Gewaltausschreitungen kommen, die genauso schlimm sein könnten, wie diejenigen, die von der Regierung ausgeübt worden seien. „Ein langfristiges Abschlachten“ werde die Opposition nicht hinnehmen, so Dr. Beck. Also werde der Widerstand wohl noch militanter werden, falls man das Regime wirklich zu Fall bringen wolle.

Deutschland in der Rolle des „Kapellmeisters“

Die Grenzen der Diplomatie hält Leyla Al-Zubaidi bei Weitem nicht für ausgeschöpft. Es sei von essenzieller Notwendigkeit, mit Russland in einen konstruktiven Dialog zu treten, wenn man keinen Kalten Krieg beschwören wolle. Deutschland solle im Konflikt weiter in den Vordergrund treten und die Rolle eines „Kapellmeisters“ wahrnehmen. So könne einfacher zu einem Plan für die Transition gefunden werden.

Der syrische Traum von Demokratie

Nicht nur die auf dem Podium versammelten Experten und die internationale Gemeinschaft, sondern auch die Syrer selbst haben sich über ihre Zukunft Gedanken gemacht. Vor wenigen Wochen hat der Syrische Nationalrat bei einem Treffen eine „Roadmap“ ausgearbeitet, die die notwendigen Veränderungen nach dem Sturz Assads anspricht. An allererster Stelle stehe die Transformation in einen demokratischen Rechtsstaat. Auch der Schutz der Minderheiten, die Öffnung der Wirtschaft und die Bekämpfung von Korruption seien wichtig. Ebenso werde der gesellschaftliche Dialog mit den verschiedenen ausgeschlossenen Gruppierungen gesucht.

Die Politischen Stiftungen leisten im Ausland wesentliche Unterstützungen bei Maßnahmen zur Demokratieförderung und führen u.a. Rechtsstaatlichkeitsprogramme durch. Die Konrad-Adenauer-Stiftung unterhält weltweit rund 70 Auslandsbüros.

Alex Schmidtke

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