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Country Reports

Zwischenwahlen in den Philippinen

by Dr. Peter Köppinger

Auftakt zur zweiten Halbzeit der Aquino-Präsidentschaft

Am 13. Mai fanden in den Philippinen landesweit Kommunalwahlen und Wahlen zum nationalen Parlament statt. Gewählt wurden 12 der 24 Senatoren für eine Amtszeit von sechs Jahren.

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Für jeweils drei Jahre gewählt wurden:

  • die 291 Mitglieder des Abgeordnetenhauses (zweite Kammer des nationalen Parlaments),

  • alle 81 Provinzgouverneure (einschlieĂźlich des Gouverneurs der Autonomen Region Muslim Mindanao),

  • 1.634 Stadt- und GemeindebĂĽrgermeister sowie

  • mehr als 15.000 örtliche Ratsmitglieder.

Nicht zur Wahl standen der Präsident und der Vizepräsident des Landes sowie weitere 12 Senatoren, die bei der letzten Wahl 2010 gewählt worden waren.

Angesichts der übermächtigen Stellung des Präsidenten im philippinischen präsidialen Regierungssystem hatten diese Wahlen nur begrenzte Bedeutung für die politische Entwicklung des Landes. Es verwundert daher nicht, dass sie von vielen Kommentatoren in erster Linie als ein Gradmesser für die Stimmung in der Bevölkerung im Hinblick auf die 2016 anstehenden Präsidentschaftswahlen gesehen werden. Da der Präsident aufgrund der philippinischen Verfassung jeweils nur für eine Wahlperiode von sechs Jahren gewählt werden darf, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Medien darauf, inwieweit potentielle Präsidentschaftskandidaten für 2016 in den Wahlkämpfen Zuspruch erhielten oder – als Senatskandidaten – besonders gut abschnitten.

Als Favorit für die 2016er Präsidentschaftswahlen wird derzeit der 70jährige Vizepräsident Jejomar „Jojo“ Binay gehandelt, dessen Zustimmungswerte in der Bevölkerung noch höher liegen als die des populären Präsidenten Benigno „Noynoy“ Aquino. Binay hatte 2010, verbündet mit dem ehemaligen Präsidenten Estrada, die von der Präsidentenwahl unabhängigen Wahlen zum Vizepräsident überraschend gegen den Vorsitzenden der Liberalen Partei, Mar Roxas, gewonnen. Für die Wahlen 2013 bildete er eine Koalition aus der in den 80er Jahren einflussreichen, zwischenzeitlich aber kaum mehr sichtbaren PDP-Laban und der PMP des ehemaligen Präsidenten Estrada, der sich auch der einflussreiche 86jährige Senatspräsident Juan Ponce Enrile anschloß. Die von ihnen gemeinsam geführte United Nationalist Alliance (UNA) versuchte, in Vorbereitung der Präsidentschaftskandidatur von Jojo Binay 2016 möglichst viele aussichtsreiche Kandidaten in die Senats-, Unterhaus- und Kommunalwahlen 2013 zu schicken. Damit sollte ein Gegengewicht zu der von Präsident Aquino gebildeten Allianz der drei traditionellen Parteien NP, NPC und Liberale Partei geschaffen werden, die wiederum die Ausgangsposition für den noch nicht bekannten Präsidentschaftskandidaten der Liberalen Partei (oder der mit ihnen verbündeten Parteien) im Jahr 2016 möglichst günstig gestalten soll. Da der populäre Präsident Aquino 2016 nicht mehr kandidieren darf und seine Popularität wegen des geringen Ansehens der traditionellen Patronageparteien in der Bevölkerung nicht automatisch auf einen liberalen Präsidentschaftskandidaten übertragbar ist, sieht man solche Allianzen von reichen Parteien mit gut funktionierenden Wahlkampforganisationen als effektivste Möglichkeit, den Verbleib an der Macht zu sichern.

Im Focus der Öffentlichkeit: Team „Pinoy“ gegen Team UNA bei den Senatswahlen

Vor diesem komplexen Hintergrund ist verständlich, dass der Wahlkampf 2013 um die 12 Senatorenposten in den Medien in erster Linie als Kampf des „Teams UNA“ gegen das „Team Pinoy“ (Spitzname des Präsidenten) dargestellt wurde. Aufgrund der bislang noch nicht vollständig ausgezählten Ergebnisse zeichnet sich ab, dass 9 der jetzt gewählten 12 Senatoren dem Team Pinoy angehören, während drei dem Team UNA angehören – darunter die Tochter von Vizepräsident Binay und ein Sohn des früheren Präsidenten Estrada. Das klingt nach deutlicher Dominanz der Allianz des Präsidenten, darf aber nicht überinterpretiert werden. Denn die liberale Partei des Präsidenten konnte von ihren drei Kandidaten nur einen durchbringen – einen Neffen des Präsidenten. Vier der neun Gewinner aus dem „Team Pinoy“ kommen von den Partnern NP und NPC und haben nur lockere Beziehungen zur Liberalen Partei. Vier sind Persönlichkeiten aus einflussreichen Familien, die entweder als Unabhängige angetreten sind oder kleinen Parteigruppen vorstehen und die sich – angesichts des politischen Gewichts des amtierenden Präsidenten – lieber seinem „Team“ als dem von Vizepräsident Binay angeschlossen haben.

Da die Senatoren landesweit gewählt werden und die finanzielle Unterstützung für einen solchen Wahlkampf – der in dem 95 Millionen Einwohnerland mindestens 10 Mio Euro kostet - durch Parteien, denen sie möglicherweise angehören, angesichts des Fehlens von Beitrag zahlenden Mitgliedern und von staatlicher Parteienfinanzierung nur rudimentär ist, können sich fast nur Mitglieder besonders reicher Familien oder reiche Schauspieler und Medienpersönlichkeiten erfolgreich um einen Senatssitz bewerben. 12 der 16 Senatskandidaten mit den meisten Stimmen gehören solchen politischen Dynastien an oder sind reiche, landesweit bekannte Medienpersönlichkeiten.

Ergebnisse der Unterhauswahlen und Provinzwahlen im Vergleich zu 2007 und 2010

Bei den Ergebnissen der Wahlen zum Unterhaus zeichnet sich ab, dass in 107 der Einerwahlkreise, wo nach einfachem Mehrheitswahlrecht entschieden wird, Kandidaten, die der Liberalen Partei angehören, erfolgreich waren. Auf die mit ihnen für die Senatswahlen verbündeten Parteien NPC und NP, die auf örtlicher Ebene teilweise gegen die Liberale Partei eigene Kandidaten aufstellten, entfallen voraussichtlich 40 bzw. 19 gewählte Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Dem stehen nur 8 gewählte Mitglieder der UNA sowie 42 Mitglieder kleinerer Parteien oder Unabhängige gegenüber.

Neben den 229 Direktmandaten werden bis zu 58 weitere Unterhausabgeordnete über landesweite Parteilisten nach dem Proportionalsystem ins Unterhaus gewählt. Diese Parteilisten dürfen nicht mit den Parteien verbunden sein, die in den Wahlkreisen Kandidaten aufstellen. Von mehr als 200 Antragstellern wurden 131 zugelassen und auf den Wahlzetteln ausgedruckt. Maximal 3 Abgeordnete pro Liste können gewählt werden – unabhängig davon, wie viel Prozentpunkte eine Liste auf sich vereinigen kann. In diesem völlig unübersichtlichen und chaotisch organisierten System dominieren nach ersten Ergebnissen wie bei den letzten Jahren linke Gruppen, Regionalgruppen und „Ein-Thema-Parteien“. Die meisten Stimmen scheint dieses Mal die „Buhay“ Parteiliste erhalten zu haben, die sich für den absoluten Schutz des Lebens und gegen die Liberalisierung von Eherecht und Abtreibung einsetzt.

Bei den Bürgermeisterwahlen sowie den Wahlen zu den örtlichen Provinz-, Stadt- und Gemeinderäten liegen noch keine belastbaren Ergebnisse vor, vielfach werden nach kleineren technischen Pannen der Stimmzählautomaten oder Anfechtungen durch einzelne Kandidaten die Stimmen erneut per Hand gezählt.

Résumé: Bestätigung der starken Position des Präsidenten – keine politischen Veränderungen – dringender Reformbedarf offenkundig

Bei der Bewertung dieser Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass Parteienzugehörigkeit von Kandidaten in den traditionellen philippinischen Parteien, die – finanziert durch einen oder wenige reiche Patrone – nur zur Wahlkampfzeit aktiv sind, weitestgehend danach entschieden wird, wo man glaubt, den größten persönlichen Nutzen zu haben. Dies führt zu Parteiwechseln von gewählten Abgeordneten auf allen Ebenen in großem Umfang – insbesondere im Anschluss an Präsidentenwahlen. So gehörten von 107 Unterhausabgeordneten, die 2010 für die Partei der damaligen Präsidentin Lakas-Kampi-CMD ins nationale Parlament gewählt wurden, am Ende der dreijährigen Legislaturperiode nur noch weniger als 30 dieser Partei an. Die anderen waren in den Monaten nach der Wahl entweder gleich zur Liberalen Partei des neugewählten Präsidenten gewechselt, oder waren einer neu gegründeten Partei beigetreten (NUP), die sich der Liberalen Partei als Koalitionspartner andiente, nachdem der neue Präsident deutlich gemacht hatte, dass er seine Vorgängerin, die weiterhin die Partei Lakas-Kampi kontrollierte, wegen Korruption und Wahlfälschung ins Gefängnis bringen werde. Die finanzielle Abhängigkeit der Unterhausabgeordneten vom Präsidenten liegt vor allem in der direkten Finanzierung ihrer „politischen“ Projekte aus dem Regierungshaushalt begründet (sogenannte „pork barrels“). Diese lokalen Projekte, für die ein Unterhausabgeordneter im Durchschnitt rund 1 Mio Euro pro Jahr erhält, sind für die Wiederwahl wie auch für die „Refinanzierung“ der horrenden Wahlkampfkosten für sie von höchster Bedeutung.

Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei der finanziellen Abhängigkeit der großen Mehrzahl aller Provinzen, Städte und Gemeinden von Mitteln der nationalen Regierung. Hieraus folgt eine ähnliche Tendenz: auch Kandidaten für diese lokalen Positionen, die über andere Parteitickets gute Wahlchancen hätten, lassen sich lieber als Kandidaten der „Präsidentenpartei“ aufstellen, oder wechseln spätestens nach den Wahlen zu dieser Partei über.

Politisch haben diese Wahlen sowohl im Senat wie auch im Abgeordnetenhaus und auf kommunaler Ebene wie erwartet eine Bestätigung der starken Position des Präsidenten erbracht. Größere Veränderungen in der politischen Szene oder eine stärkere Unterstützung möglicher Reformprojekte für die nächsten drei Jahre sind damit aber nicht verbunden. Denn das Abgeordnetenhaus war ohnehin fest unter Kontrolle des Präsidenten, und die für sechs Jahre gewählten Senatoren werden auch weiterhin vornehmlich ihren eigenen thematischen und persönlichen Interessen folgen sowie anfangen, sich auf den nächsten Präsidenten einzurichten - auch wenn sie der lockeren und zum Teil durch erhebliche Spannungen gekennzeichneten Wahlallianz des Präsidenten angehörten.

Die UNA hat ihr Ziel, mit einer Demonstration der Stärke die Ausgangsposition für die Präsidentschaftskandidatur Jojo Binays in 2016 zu festigen, zumindest auf der Ebene der Unterhausabgeordneten und der Provinzgouverneure nicht erreicht. Für die Ebene der Bürgermeister und Stadt-/Gemeinderäte liegen noch nicht genug Zahlen vor, um sie hier einzubeziehen.

Ein Ergebnis dieser Wahl ist die Bestätigung des Endes der Ära „Lakas-Kampi“, die seit 1992 das politische Leben mit einer kurzen Unterbrechung von 1998 – 2001 dominiert hatte, und ihre Ablösung durch die Liberale Partei. Auch für 2016 ist ein wieder Erstarken von Lakas und Kampi, die sich inzwischen auch formell wieder getrennt haben, nicht zu erwarten – zumal ein aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat aus ihren Reihen nicht in Sicht ist. Wie sich die vornehmlich aus ehemaligen LAKAS-Kampi Politikern rekrutierte National Unity Party (NUP), die immerhin mit 24 Unterhausabgeordneten und 8 Provinzgouverneuren aus den Wahlen herausgegangen ist, in Zukunft orientieren wird, bleibt abzuwarten.

Beachtlich ist, dass es erstmalig einem Vertreter einer mitgliederbasierten Programmpartei gelungen ist, über ein Direktmandat in einem Wahlkreis ins Unterhaus einzuziehen. Rufus Rodriguez, Präsident der Anfang 2012 gegründeten Centrist-Democratic Party of the Philippines (CDP), gewann seinen Wahlkreis in Cagayan d`Oro mit rund 80% der Stimmen und wird sich im Congress in den nächsten Jahren für eine grundlegende Reform des Parteiensystems und Wahlrechts einsetzen. Unter Experten und in den Medien, aber auch in großen Teilen der Zivilgesellschaft besteht weitgehend Konsens darüber, dass dies absolut notwendig ist. Nur so kann in Zukunft vermieden werden, dass insbesondere die Kommunalwahlen zu einer reinen Farce verkommen. In den 2013er Kommunalwahlen wurde der Kauf von Stimmen und die Kontrolle der Stimmabgabe durch als Wahlbeobachter getarnte Kontrolleure der Geldgeber zum bestimmenden Phänomen in der Mehrzahl der Städte und Gemeinden, so dass vielfach nicht mehr von freien und geheimen Wahlen gesprochen werden kann. Die Unsummen, die dabei verausgabt wurden und die zum Teil bis zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt pro Wähler gehen, lasten als Hypothek nun auf vielen der gewählten Vertreter, eine Hypothek, die sie nur über Korruption und Missbrauch der ihnen anvertrauten öffentlichen Gelder werden abtragen können.

Den Länderbericht mit Tabellen können Sie über das pdf-Dokument (oben) lesen.

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