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Die UNO, Staatspräsident Kwaśniewski und der Orlen-Skandal

Politischer Bericht

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Die Ambitionen des polnischen Staatspräsidenten Kwaśniewski auf das Amt des UN-Generalsekretärs

und seine Verstrickung in den Orlen-Skandal

von

Stephan Raabe

Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen

Warschau, 13. April 2005

Polens Präsident Aleksander Kwaśniewski, dessen zweite Amtszeit in diesem Jahr ausläuft, erwägt offenbar eine Kandidatur für das Amt des UN-Generalsekretärs. Jedenfalls brachte der mit 51 Jahren noch junge Staatsmann sich Anfang des Monats in einem Interview der Nach-richtenagentur Reuters (siehe u.a. Gazeta Wyborcza 1. April, Rzeczpospolita 2. April, Süd-deutsche Zeitung 2. April) als Nachfolger für Kofi Annan ins Spiel, dessen Amtszeit 2006 endet. Dabei sagte er, einige Staatschefs hätten sich bereits mit ihm über den Posten unterhal-ten. Voraussetzung für eine Kandidatur sei für ihn jedoch eine umfassende Reform der Ver-einten Nationen, die mit mehr Einfluss ausgestattet werden müssten und eine aktivere Rolle spielen sollten. "Aber wenn sie so funktionieren wie sie das heute tun, dann bin ich komplett ungeeignet für eine solche Rolle." Die UNO müsse sich auf globale Themen wie Terrorismus oder Aids konzentrieren und mit anderen Instrumenten ausgestattet werden, fügte Kwaśniewski hinzu.

Eine Kandidatur Kwaśniewskis müsste von der polnischen Regierung unterstützt werden, was mehr als fraglich ist, da in diesem Jahr auch Parlamentswahlen anstehen, die aller Voraussicht nach zu einem politischen Umbruch führen werden. Der aus der sozialistischen Arbeiterpartei hervorgegangene Bund der demokratischen Linken (SLD) wird nach vier Jahren als Regie-rungspartei sehr wahrscheinlich von einer liberal-konservativen Koalition um die Parteien Bürgerplattform und Recht und Gerechtigkeit abgelöst werden. Die neue rechte Regierung wird sich nur schwer darauf verstehen, eine Kandidatur des einstigen „Kommunisten“ Kwaśniewski zu befürworten, trotz dessen unbezweifelbarer Verdienste bei der Transformati-on Polens in den letzten zehn Jahren. Zwar hat sich Kwaśniewski als Präsident Polens im Westen einen guten Ruf erworben und zuletzt durch seine vermittelnde Rolle bei der „Oran-genen Revolution“ in der Ukraine auch international Anerkennung bekommen. Zudem ist Polen ein enger Verbündeter der Amerikaner. Doch weiß man nicht, wie es insgesamt um die internationale Unterstützung und etwa um die Haltung von Moskau, Paris und Berlin bestellt ist.

In Polen gab es – wohl auch durch den Tod des Papstes bedingt - bisher kaum eine Reaktion auf das Interview Kwaśniewskis, an dem sich im übrigen die politischen Geister scheiden und der derzeit – allerdings bei nach wie vor bemerkenswert hohem Zustimmungsniveau - in Um-fragen stärker verliert. So wurde der Staatspräsident im März nach einer Umfrage in der libe-ralen Tageszeitung Gazeta Wyborcza (vom 23. März) zum ersten Mal in seiner zehnjährigen Amtszeit von weniger als 50 Prozent der Befragten mit gut bewertet („nur“ noch 47 %); 45 Prozent meinten dagegen, er erfülle seine Pflichten nur mehr schlecht.

Zu diesem Urteil trägt insbesondere die Verwicklung des Präsidenten in den so genannten „Orlen-Skandal“ bei, der seit gut zwei Jahren nicht nur Gesellschaft und Medien beschäftigt, sondern seit Juli 2004 auch das Parlament. Hier wird die Affäre unter großer öffentlicher Auf-merksamkeit in einem Untersuchungsausschuss behandelt, der Oppositionspolitikern, wie dem nationalkonservativen Führer der Liga der Polnischen Familie, Roman Giertych, zur Pro-filierung dient. Der Ausschuss soll klären, warum der polnische Geheimdienst Ende 2001 den Chef des Ölkonzerns Orlen kurz vor einer wichtigen Investitionsentscheidung verhaften ließ und inwieweit der Präsident in dunkle Machenschaften im Zusammenhang mit der Privatisie-rung von Staatsunternehmen verwickelt ist. Präsident Kwaśniewski sollte und wollte Anfang des Jahres vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, weigerte sich jedoch kurz vor dem anberaumten Termin mit dem Hinweis auf die Würde seines Amtes, was bei einem großen Teil der Öffentlichkeit mit Unverständnis aufgenommen wurde und ihn zusätzlich kompro-mittierte. Die seriöse konservativ-liberale Tageszeitung Rzeczpospolita hatte bereits Ende letzten Jahres vorhergesagt, dass der Orlen-Skandal sogar zum Rücktritt des Präsidenten füh-ren könne. Dementsprechend angespannt ist die politische Atmosphäre.

Der Sache nach geht es um die Privatisierung des Energiesektors in Polen, konkret um die Raffinerie Danzig, die zweitgrößte des Landes, an der sowohl die russische Lukoil-Gruppe wie auch die polnische Orlen Mineralölgesellschaft - eines der größten Unternehmen in Polen - starkes Interesse hatten. Dabei sollen Bestechungsgelder geflossen sein. Beide Unternehmen kamen schließlich nicht zum Zuge. Die Raffinerie Danzig gehört heute zu der staatlich domi-nierten Lotos-Gruppe. Eine der Hauptpersonen in dem Skandal ist Jan Kulczyk, der reichste Mann Polens, zu dem der Präsident eine enge Beziehung pflegt. Er hat sich im Juli 2003 mit dem russischen Wirtschaftsvertreter Alganov getroffen, der für den KGB tätig war. Dieser beklagte sich bei dem Treffen darüber, dass trotz zuvor gezahlter Gelder die vereinbarte Ü-bernahme der Danziger Raffinerie durch Lukoil nicht zustande gekommen sei. Kulczyk soll daraufhin, autorisiert vom "Boss", "der Nummer eins" - hier wird diskutiert, ob dies nun Prä-sident Kwaśniewski oder Ex-Premier Miller ist -, andere Angebote an die russische Seite ge-macht haben, die die Übernahme von Staatsunternehmen in Polen betrafen. Der Geheimdienst hat das Treffen abgehört. Präsident Kwaśniewski ist durch seine Verbindung zur Hauptperson der Affäre, Kulczyk, belastet. Zudem ist die Privatisierungspolitik offenbar von Leuten aus dem Umkreis des Präsidenten gesteuert worden. Rechtspopulistische Parteien werfen deshalb Kwaśniewski eine „Verschwörung gegen den Staat“ vor. Beweise gibt es keine, nur eine un-durchsichtige Gemengelage und Personen, die miteinander in Verbindung stehen. Allerdings haben die Nähe zu Kulczyk und sein Verhalten im Zusammenhang dieser und zahlreicher anderer Äffären dem Ansehen des Präsidenten in der Öffentlichkeit geschadet. Einstmals in der breiten Bevölkerung hoch angesehen, gilt er jetzt vielen als kompromittiert. Seine politi-schen Kritiker fühlen sich in ihrem von vornherein negativen Urteil bestätigt; seine politische Basis zerbröckelt mit dem rapiden Niedergang der postkommunistischen SLD von einstmals 41 Prozent auf weit unter 10 Prozent; seine politische Zukunft ist gänzlich ungewiss. Der Skandal schwelt mit unabsehbaren Folgen weiter. Auch aus diesem Grund ist eine ernsthafte Kandidatur Kwaśniewskis für ein internationales Spitzenamt derzeit kaum wahrscheinlich.

Aleksander Kwaśniewski wurde am 15. November 1954 in Białogard, einer Kleinstadt in Westpommern, geboren. Mitte der 70er Jahre studierte er an der Danziger Universität Trans-portwesen ohne Abschluss. Gleichzeitig war er führend im Sozialistischen Jugendverband tätig. 1977 trat er in die sozialistische Polnische Vereinigte Arbeiterpartei ein und machte dort Karriere. 1985 – 1987 war er Jugendminister, 1989 Teilnehmer der Verhandlungen am Run-den Tisch, danach bis 1995 Abgeordneter des polnischen Parlaments, Sejm, und Vorsitzender der kommunistischen Nachfolgepartei Bund der demokratischen Linken (SLD). Bei den Prä-sidentschaftswahlen 1995 gewann er in der Stichwahl mit 51,7 Prozent der Stimmen, vor sei-nem Amtsvorgänger Lech Wałęsa, der 48,3 Prozent erhielt. Bei der Wahl im Jahr 2000 wurde er im ersten Wahlgang mit 53,9 Prozent in seinem Amt bestätigt.

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