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Country Reports

Nach elf Monaten politischer Blockade endlich eine neue Regierung

by Peter Rimmele

Große Herausforderungen und wenig Zeit

Elf Monate hat es seit dem Rücktritt der Regierung des Premierministers Najib Mikati gedauert, bis es dem neuen Premierminister Tammam Salam gelungen ist eine neue Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Mit Ausnahme der Lebanese Forces von Samir Geagea sind an der Regierung des „Nationalen Interesses“ alle relevanten libanesischen Parteien beteiligt. Viel Zeit wird voraussichtlich der Regierung allerdings nicht bleiben, um die gravierenden Probleme des kleinen Landes anzugehen.

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Libanons neue Regierung besteht aus 24 Ministern, gleichmäßig auf drei Blöcke aufgeteilt: jeweils acht Ministerämter für die Koalition des 8. März (M 8, syrienfreundliche Parteien wie Hezbollah, Amal und Free Patriotic Movement), die Koalition des 14. März (M 14, syrienkritische Parteien wie Future und Kataeb) und schließlich für den Block der Zentristen (Kräfte, loyal gegenüber dem Präsidenten, dem Premierminister und dem Drusenführer Walid Jumblatt). Damit steht jedem Block im Kabinett ein Drittel an Stimmrechten zu, welches faktisch zu einem Veto, für den eigenen Interessen widersprechende Gesetzgebungsvorhaben führt.

Regierungsbildung im Regionalen Kontext sehen

Die erfolgreiche Kabinettsbildung darf nicht ohne Betrachtung des regionalen Kontexts gesehen werden. Der Syrienkrieg wirkt indirekt auf die meisten Entscheidungen im Libanon ein. So ist davon auszugehen, dass der Bildung einer Regierung des Nationalen Interesses, also einer Einheitsregierung, die Zustimmung Saudi Arabiens und des Iran als entscheidende Hintergrundsakteure des Syrienkrieges vorangegangen ist. Während der Iran seit langem daran interessiert ist, Hezbollah in der libanesischen Regierung zu wissen, war Saudi Arabien eher zögerlich einer Regierungsbildung zuzustimmen. Die Akzeptanz scheint nunmehr darauf zurückzuführen sein, dass moderatere Kräfte bei der Gestaltung der Außenpolitik gegenüber Syrien und damit dem Libanon an Einfluss gewonnen haben.

Große Herausforderungen für die neue Regierung

Auf die neue Regierung, die im Moment um eine gemeinsame Regierungserklärung ringt, warten gewaltige Herausforderungen. Mehr als eine Million syrischer Flüchtlinge im Libanon treffen gleichzeitig auf wachsende Arbeitslosigkeit und Armut. Die Wirtschaft liegt am Boden, das Haushaltsdefizit vergrößert sich. Die bereits fragile Sicherheitslage hat sich in jüngster Zeit zunehmend verschlechtert. Bombenanschläge bei denen regelmäßig viele Tote und Verletzte zu beklagen sind, erfolgen beinahe im Wochenabstand. Straßenkämpfe in einigen libanesischen Städten (Tripoli, Saida, Ersal)) spiegeln den syrischen Konflikt auf libanesischem Staatsgebiet wider. Die Aktivitäten militanter jihadistischer Gruppen (u. a. Al Assam Brigaden, Nusra Front) nehmen stetig zu.

Die Tourismusindustrie, eine der wichtigsten Stützen der libanesischen Wirtschaft, leidet massiv unter diesen Bedingungen. Die überwiegend arabische Klientel wird durch Sicherheitswarnungen und Reisebeschränkungen zurückgehalten. Ebenso verringert sich die Bereitschaft zahlreicher in der Diaspora lebender Libanesen, ihr Heimatland zu besuchen.

Die bisher ausgebliebenen Winterregen haben nicht nur die Skisaison in den Winterressorts ausfallen lassen, sie führen auch zu Ertragsausfällen in der Landwirtschaft. Bereits jetzt absehbar sind große Probleme in der Wasserversorgung der libanesischen Bevölkerung, insbesondere in den Sommermonaten.

Das derzeit amtierende Parlament verdankt seine weitere Existenz einer verfassungsrechtlich höchst problematischen Verlängerung der eigenen Wahlperiode. Ein Konsens für ein neues Wahlgesetz konnte seinerzeit nicht erzielt werden. Die Problematik besteht unverändert fort, weswegen es auch Aufgabe der neuen Regierung sein wird, ein neues Wahlrecht für die im Herbst anstehenden Parlamentswahlen in die Wege zu leiten. Die Anwendung des alten Wahlrechts ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Noch wichtiger für die Stabilität Libanons ist es jedoch, ein Vakuum durch den Ablauf der Amtsperiode des derzeit amtierenden Staatspräsidenten Michel Sleiman im Mai d. J. zu vermeiden. Eine verfassungsrechtlich mögliche Verlängerung dieses Mandats wird insbesondere von Hezbollah vehement abgelehnt. Die Hauptaufgabe des neuen Kabinetts dürfte es daher sein, die Präsidentenwahl zeitgerecht und reibungslos zu organisieren.

Nur wenige Monate Amtszeit für die neue Regierung

Sollte es der neuen Regierung gelingen, die fragile Sicherheitslage zumindest aufrecht zu erhalten und die für Mai vorgesehenen Präsidentenwahlen rechtzeitig und ohne größere Vorkommnisse zu organisieren, muss dies bereits als großer Erfolg gewertet werden. Möglicherweise legt diese Einheitsregierung auch die Basis für eine verbesserte politische Gesprächskultur für die konkurrierenden politischen Kräfte und die Nachfolgeregierung. Um die anderen gravierenden Probleme in Angriff zu nehmen, dürfte diese Regierung aber weder die Energie, noch die notwendige Zeit zur Verfügung haben. Wenn der neue Präsident gewählt ist, ist der Premierminister Tamman Salam nach der libanesischen Verfassung verpflichtet, den Rücktritt seiner Regierung einzureichen, da es das Recht des Präsidenten ist, einen Premierminister einzusetzen und er nicht durch Entscheidungen seines Vorgängers gebunden sein soll.

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