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Veranstaltungsberichte

Russland im Wandel - Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen

von Dr. Lars Peter Schmidt †, Hendrik Sittig, Lars Radau

Bericht vom 1. Deutsch-Russischen Journalistensymposium

Beim 1. Deutsch-Russischen Journalistensymposium der Konrad-Adenauer-Stiftung Moskau und des Russischen Journalistenverbandes zum Thema „Russland im Wandel – Chancen für die deutschrussischen Beziehungen“ trafen sich vom 10. bis 12. Oktober etwa 100 hochrangige deutsche und russische Journalisten, Parlamentarier, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter.

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Sie können sich zwei Fotostrecken von der Veranstaltung ansehen (Teil 1 | Teil 2). Dort finden Sie auch einen Bericht des russischen Fernsehkanals "TV Zentr" über die Eröffnung des Symposiums. Den nachfolgenden Bericht im pdf-Format können Sie mit dem Link oben herunterladen.

Das deutsche Programm der Veranstaltung als PDF können Sie hier downloaden.

Ludmilla Alexejewa blieb gelassen. „Allein die Tatsache, dass wir hier mitten in der Hauptstadt zusammensitzen und über Menschenrechte in Russland diskutieren, zeigt doch, dass sich eine Menge geändert hat.“ Schließlich, so die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, sei es noch keine 20 Jahre her, dass sie deswegen mit Ihrer Verhaftung hätte rechnen müssen – und die ausländischen Journalisten, Politiker und Stiftungs-Mitarbeiter im Konferenzsaal

des Hotels Baltschug-Kempinski zumindest mit ihrer sofortigen Ausweisung. Der Auftritt der 81-jährigen, die als „große alte Dame“ der russischen Menschenrechts-Szene gilt, war ohne Frage einer der Höhepunkte des Symposiums. Unter dem Titel „Russland im Wandel – Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen“ nutzten ein ganzes Wochenende lang im Schnitt etwa 100 hochrangige deutsche und russische Journalisten sowie Parlamentarier,

Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter die Chance, sich über den dynamischen Wandel und die rasante Entwicklung, die das Land erfährt, auszutauschen und ihre Sichtweisen – zum Teil durchaus kontrovers – zu diskutieren. Präsident Dimitri Medwedew, der aus terminlichen Gründen nicht selbst die Veranstaltung eröffnen konnte, wünschte dem Symposium mittels verlesenen Grußwortes viel Erfolg - ebenso wie Igor Schtschogolew, russischer Minister für Nachrichtenwesen und Massenkommunikation, der mit seiner Anwesenheit die Konferenz aufwertete.

Dass der Ansatz der Organisatoren, mit dem Symposium ein Forum zu bieten, das einerseits einen offenen und differenzierten Meinungsaustausch über die Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen ermöglichen, andererseits

aber auch das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Situation in beiden Ländern verbessern soll, genau den Bedarf trifft, zeigte sich schon bei der ersten Podiumsdiskussion. Denn wie sehr die gegenseitige Wahrnehmung von- und übereinander abweicht, hatte Moderator Dr. Thomas Gutschker, Ressortleiter Außenpolitik beim „Rheinischen Merkur“, schon vor der Podiumsdiskussion über „Das Russland- und das Deutschlandbild – eine Reflexion deutscher und russischer Berichterstattung“ exemplarisch anhand repräsentativer Bevölkerungsumfragen des Instituts für Demoskopie, Allensbach, und des Moskauer Lewada-Zentrums, erläutert. Die Diskussionsteilnehmer – Matthias Schepp, Leiter des Moskauer „Spiegel“-Büros, Elmar Brok, außenpolitischer Koordinator des Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, sowie Dr. Rainer Seele, Sprecher der Geschäftsführung der Wingas GmbH auf deutscher, Wjatscheslaw Mostowoj, Stellvertretender Generaldirektor des Fernseh-Senders „TV Zentr“, und Alexander Kljukin, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Informationspolitik der Staatsduma, auf russischer Seite – füllten die abstrakten Zahlen der Umfrage insbesondere in Bezug auf die Objektivität der Berichterstattung mit Leben.

Anlass war der zweite aktuell-politische Themenschwerpunkt des Symposiums: der bewaffnete Konflikt zwischen Georgien, Süd-Ossetien und Russland im August dieses Jahres. Insbesondere Wjatscheslaw Mostowoj und

Matthias Schepp stritten engagiert über die Frage, ob es in Westeuropa – und vor allem in Deutschland – eine „gezielte Medienkampagne“ gegen Russland gegeben habe. Das oft zitierte Wort vom „Informationskrieg“ um den von Georgien ausgelösten Krieg im Kaukasus setze allerdings voraus, dass es für die Koordination eine Art „Hauptquartier“ gebe, konterte Schepp den Vorwurf Mostowojs.

Ähnlich kontrovers gestalteten sich die weiteren Debatten zum Thema: Während Karl-Georg Wellmann, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, in einem Vortrag zum Thema „Außen- und sicherheitspolitische Strategien“ vor allem seiner Auffassung Ausdruck gab, in der Kaukasus-Krise hätten die bislang gängigen Konfliktvermeidungsmechanismen aller Mitspieler – also außer den direkt Beteiligten auch die der

Europäischen Union und der USA – „schlicht versagt“, kamen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Der Krieg im Kaukasus – Gefahr für die deutsch-russischen Beziehungen“ zu einem etwas differenzierteren Ergebnis.

Die Runde, in der neben Wellmann unter anderem mit Prof. Dr. Horst Teltschik, ehemaliger außen- und sicherheitspolitischer Berater Helmut Kohls, und Konstantin Kosatschow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma, zwei erfahrene und gewichtige Beobachter und Gestalter der deutsch-russischen Beziehungen diskutierten, war sich schließlich darin einig, dass schnelle – und mitunter vom politischen Alltagsgeschäft motivierte – Schuldzuweisungen deutlich weniger hilfreich seien als eine gründliche und gezielte Aufarbeitung vor allem der Vorgänge hinter den Kulissen. „Daraus lassen sich sicherlich für alle Lehren ziehen“, betonte Kosatschow. Lehren, mit denen man offen und transparent umgehen wolle, ergänzte Horst Teltschik. „Schließlich ist Vertrauen die Grundlage aller Zusammenarbeit.“

Dass dies mindestens ebenso ausgeprägt wie in der Politik auch auf wirtschaftlicher Ebene gilt, machten Alexander Markus, stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer, und Dr. Sergej

Nikitin, Chef der deutschen Repräsentanz der Handels- und Industriekammer der russischen Föderation, in ihren Vorträgen deutlich. Markus wertete es als „positives Signal“ auch für potenzielle Investoren, dass der neue Staatspräsident Dimitri Medwedew bei seinem Amtsantritt ausdrücklich angekündigt habe, den Aufbau

einer Zivilgesellschaft weiter zu fördern und vor allem gegen die Korruption und bestehende Rechtsunsicherheiten vorzugehen. „Das ist ein großes Ziel“, sagte Markus. Neben dem zentralstaatlichen Engagement sei zunehmend

auch eine Art „Wettbewerb der Regionen“ zu beobachten: Um Investoren zu locken, seien die Gebiete aus eigenem Antrieb bestrebt, Hindernisse für die Ansiedlung von westlichen Unternehmen zu beseitigen.

Zunehmend kümmere sich zudem eine ganze Generation um diese Belange, der pragmatische Entscheidungen und kurze Wege wichtiger seien als „dichtes Beziehungsgeflecht“, in dem alles von mehr oder weniger guten Kontakten

zu einzelnen Autoritäten oder gar Sachbearbeitern abhänge. „Die Firmen brauchen klare Verhältnisse“, betonte Markus. Das illustriere auch eine Beobachtung der Außenhandelskammer. Westliche Venture-Capital-Gesellschaften, die ihr Kapital sonst oft in risikobehaftete Neugründungen und Zukunftsbranchen streckten, investierten in Russland geradezu klassisch: „Da werden zum Beispiel Verpackungshersteller und Spaghetti-Produzenten finanziert – Markt und Absatz sind eben sicher und überschaubar.“

Sergej Nikitin hatte in seinem Vortrag vor allem das Anliegen, zu verdeutlichen, dass russische Investitionen in Deutschland keine Gefahren, sondern vielmehr eine Bereicherung für den deutschen Markt bergen. Das öffentliche

Bild sei durch Großkonzerne wie Gazprom und die die Berichterstattung dominierenden Oligarchen und ihre Firmenkonglomerate geprägt. Viel entscheidender sei aber die stetig wachsende russische Mittelschicht – und die mit ihr wachsenden Mittelständler. Die hätten zwar durchaus eine „strategische Agenda“ – aber in erster Linie für ihre eigenen Unternehmen. „In der Regel geht es um langfristige Investitionen, Know-how-Gewinn und einen Eintritt in den attraktiven Markt“, betonte Nikitin. Auf dieser Plattform solle das langfristige Wachstum

gesichert werden. Von dem, zeigte sich Nikitin überzeugt, könnten beide Seiten profitieren.

Dass sich strategische Ziele und Vertrauen mitnichten ausschließen müssen, zeigte der letzte Themenkomplex des umfangreichen Programms. Unter der Moderation von Stefan Koch, Korrespondent der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ in Berlin, widmeten sich Professor Leonid Grigorjew, Direktor des Moskauer Instituts für Energiewirtschaft und Finanzen, und Dr. Roland Götz, ehemals Leiter der Forschungsgruppe Russland/GUS der Stiftung

Wissenschaft und Politik, dem Thema Energie und Energiesicherheit. Das heißt vor allem: Sicherheit in der Erdgas- und Erdölversorgung – der Großteil der deutschen Energieressourcen kommt aus Russland. Und an dessen Verlässlichkeit als Liefer- und Handelspartner habe es bislang weder Zweifel noch überhaupt Anlässe zum Zweifel gegeben, betonte Götz. „Und das wird auch in Zukunft so sein.“ Auch Grigorjew betonte, Russland sei nicht darauf erpicht, Öl- und Gaslieferungen als „politische Waffe“ zu betrachten. Vielmehr sei man an langfristigen Lieferverträgen interessiert. Wichtig sei und bleibe – wie in allen anderen Feldern – der gegenseitige Austausch

und gegebenenfalls auch die „engagierte Diskussion“.

Und darin waren sich alle Teilnehmer - unabhängig aus welchem der beiden Länder sie kamen - grundsätzlich einig. Das Symposium habe wichtige Denkanstöße für das beiderseitige Verständnis gegeben und war eine Grundlage für die Zukunft.

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