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Länderberichte

Rumänien: Sozialdemokraten gewinnen Kommunalwahlen

Am Abend des 5. Juni herrschte Jubelstimmung in der Zentrale der Sozialdemokratischen Partei (PSD) von Rumänien, als deren Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters von Bukarest, Gabriela Vrânceanu-Firea, zurzeit Mitglied im Senat des Landes, gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden Liviu Dragnea vor die Kameras trat.

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Ersten Hochrechnungen zufolge hatte Firea die Wahl in der rumänischen Hauptstadt mit etwa 43 Prozent der abgegebenen Stimmen klar gewonnen, denn seit 2012 gibt es in Rumänien bei Kommunalwahlen nur noch einen Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit ausschlaggebend ist. Auch landesweit gewannen die Sozialdemokraten die Wahlen und somit 1669 Bürgermeistermandate, im Gegensatz zu den Nationalliberalen, die lediglich 1079 Bürgermeister haben werden.

Das Ergebnis stellte eine historische Premiere für die PSD dar, denn bislang hatte sich bei keiner Abstimmung ein Sozialdemokrat in der eigentlich als bürgerlich geltenden Hauptstadt behaupten können. Auch in den sechs Bezirken von Bukarest gewannen ausschließlich Kandidaten der PSD, die im Stadtrat und in den Bezirksräten die stärkste Fraktion stellen werden. Die ersten Ergebnisse vom zentralen Wahlbüro deuten auf gut 40 Prozent der Stimmen für die Sozialdemokraten im Stadtrat von Bukarest hin.

Anti-System-Bewegung etabliert sich im Kontext der Politikverdrossenheit

Demoskopen haben den Wahlsieg von Firea in den vergangenen Wochen vorausgesagt. Ein zweiter Sieger des Wahlsonntages war Nicușor Dan, Vorsitzender der „Union Rettet Bukarest“ (USB), einer ehemaligen Nichtregierungsorganisation. Diese präsentierte sich als Anti-System-Bewegung und Alternative zu der bisherigen – insbesondere von jungen Wählern als korrupt wahrgenommenen – Kommunalpolitik. Somit überzeugte sie viele Protestwähler. Dan kam auf den zweiten Platz, die Hochrechnungen prognostizierten ein Ergebnis von gut 30 Prozent. Im Anschluss an die ersten Wahlergebnisse kündigte Dan ein landesweites politisches Projekt an, in Form einer Partei „Union Rettet Rumänien“, die bei den Parlamentswahlen im Spätherbst dieses Jahres antreten soll. Im Stadtrat von Bukarest, wo die USB die zweitstärkste Fraktion stellen wird (mit einem Ergebnis von ca. 23 Prozent der Stimmen), werde die neue Partei keine politischen Bündnisse eingehen, sondern ihre Positionierung punktuell themenbezogen bestimmen. Im Wahlkampf hatte er stets betont, weder links, noch rechts zu sein, obwohl Experten die USB tendenziell als links gerichtete Partei einstufen, die paradoxerweise enttäuschte bürgerliche Wähler für sich gewinnen konnte.

Der gelernte Mathematiker Nicușor Dan nutzte die Schwäche der Nationalliberalen Partei (PNL) in Bukarest aus, deren Kandidat Cătălin Predoiu nur den dritten Platz erreichte – mit geschätzten 11 Prozent und dem damit schwächsten Ergebnis der Mitte-Rechts-Kräfte in der postkommunistischen Geschichte Bukarests. Predoiu war ehemaliger Justizminister (2008 – 2012) und der vierte Kandidat, den die PNL ins Rennen für die Hauptstadt geschickt hatte. Dadurch hatte er kaum Gelegenheit im Vorwahlkampf öffentlich aufzutreten – im Gegensatz zu Firea und Dan. Predoiu galt als Notlösung der PNL, nachdem der erste Kandidat Cristian Bușoi, Mitglied des Europäischen Parlaments, wegen schlechter Umfragewerte auf seine Kandidatur verzichtet hatte, der zweite Kandidat Ludovic Orban wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste und ein weiterer Kandidat, der parteilose Marian Munteanu, wegen nationalistischer Stellungnahmen in der Vergangenheit auf seine Kandidatur verzichtete. Predoiu war als Vorsitzender des PNL-Verbandes in Bukarest verpflichtet worden, den Platz von letzterem einzunehmen. Nun hat er seinen Rücktritt von dem Parteiamt angekündigt.

Zusätzlich offenbarte das Ergebnis von Nicușor Dan ein hohes Maß an Politikverdrossenheit, insbesondere in der rumänischen Hauptstadt. Dies spiegelt sich in der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 33,31 Prozent wider. Insbesondere junge Menschen blieben den Wahlurnen fern. Auch auf nationaler Ebene lag die Beteiligungsrate bei lediglich 48,43 Prozent – ein Tiefpunkt in der politischen Geschichte Rumäniens.

Nationalliberale Partei landesweit zweitstärkste Kraft

Der medienwirksame Sieg der PSD in Bukarest sorgte zunächst im Fernsehen und in den Zeitungen für desaströse Schlagzeilen hinsichtlich der PNL. Ein differenzierter Überblick zeigt jedoch, dass die PNL außerhalb von Bukarest ihre traditionellen Hochburgen verteidigen konnte. In Siebenbürgen gewannen die Nationalliberalen die Bürgermeisterwahlen, unter anderem in der zweitgrößten rumänischen Stadt Cluj-Napoca/Klausenburg. Hier siegte der amtierende Bürgermeister und ehemalige Premierminister Emil Boc mit knapp 65 Prozent der Stimmen. In der Banater Hauptstadt Timișoara/Temeschwar gewann der ebenfalls amtierende PNL-Kandidat Nicolae Robu mit gut 52 Prozent. Der Generalsekretär der PNL und amtierende Bürgermeister von Oradea/Großwardein, Ilie Bolojan, erzielte das beste Ergebnis auf Ebene der Bezirksstädte mit über 70 Prozent der abgegebenen Stimmen. Insgesamt kam die PNL auf elf Siege in den 41 Bezirksstädten des Landes, während in drei weiteren Bezirksstädten faktisch von der PNL unterstützte unabhängige Kandidaten gewannen. Die PSD gewann 19 Bezirksstädte.

Bei den Wahlen für die insgesamt 41 Bezirksräte ist die PNL auf dieser Ebene auf dem zweiten Platz. Nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen landesweit lag die PSD bei 37,55 Prozent und die PNL bei 32,15 Prozent. Auf dem dritten Platz landete die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) des Senatspräsidenten Călin Popescu-Tăriceanu (5,98 Prozent) und die Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) mit 5,84 Prozent. Die UDMR konnte – wie erwartet – in den mehrheitlich von Ungarn bewohnten Regionen gute Ergebnisse erzielen, einschließlich absoluter Mehrheiten in den Bezirken Covasna und Harghita. Die der EVP zugehörige Partei Volksbewegung (PMP) des Ex-Präsidenten Traian Băsescu liegt landesweit bei 4,13 Prozent. Weder ALDE, noch die PMP werden Bürgermeister in Bezirksstädten stellen, während die UDMR drei Bürgermeisterwahlen gewann. In Sibiu/Hermannstadt, der Heimatstadt des Präsidenten Klaus Iohannis, gewann seine Nachfolgerin, die deutschstämmige Astrid Fodor vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, die Bürgermeisterwahlen mit 57,39 Prozent.

Korruptionsvorwürfe kein Hindernis für Wahlerfolg

Die ersten Wahlergebnisse vom 5. Juni deuten auf eine besorgniserregende Haltung der aktiven Wähler in Bezug auf Korruptionsvorwürfe gegen Kandidaten. In mehreren Bezirksstädten siegten Kandidaten, gegen die Strafverfahren laufen oder die wegen Korruption vorbestraft sind. In Râmnicu Vâlcea siegte Mircia Gutău, der zwei Mal verurteilt worden ist: wegen Bestechung (2010) und Amtsmissbrauchs (2014). Gutău wollte ursprünglich für die PNL kandidieren, wurde aber deswegen abgelehnt und ließ sich von der ansonsten politisch bedeutungslosen Ökologischen Partei vorschlagen. In Baia Mare gewann der parteilose Cătălin Cherecheș aus der Untersuchungshaft heraus (!) die Wahlen mit 70,21 Prozent der Stimmen. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen wiederholter Bestechung.

Im südrumänischen Craiova kam die amtierende PSD-Bürgermeisterin, Lia Olguța Vasilescu, auf ca. 66 Prozent der Stimmen, wobei gegen sie die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA) wegen Bestechung, unlauterer Einflussnahme und Geldwäsche ermittelt. Auch gegen zwei erfolgreiche PSD-Kandidaten in zwei Bukarester Bezirken laufen strafrechtliche Ermittlungen. Sollten gegen diese Personen Freiheitsstrafen verhängt werden, verlieren sie automatisch ihr Mandat. Bleibt es lediglich bei Bewährungsstrafen, sieht die rumänische Gesetzgebung keine Amtsenthebung vor.

Die PSD geht aus den Kommunalwahlen verstärkt hervor. Insbesondere die Wahl als korrupt bekannter Politiker scheint zu bestätigen, dass die vom Präsident angemahnte Reform der politischen Klasse bei weitem nicht abgeschlossen ist. Innerhalb der PNL ist im Vorfeld der Parlamentswahlen von Spannungen auszugehen, weil der interne Konsolidierungsprozess infolge des schlechten Ergebnisses in Bukarest offensichtlich beschleunigt werden muss.

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Norbert Beckmann-Dierkes

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