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Veranstaltungsberichte

„Als zu sagen war, wofür man ist, zerfiel die DDR-Opposition.“

Arnold Vaatz und Werner Schulz über die Opposition in der DDR

Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Sie kontrolliert die Regierenden, bietet Alternativen an und warnt vor Fehlentwicklungen. All das wäre in der DDR dringend nötig gewesen. Doch so wenig die DDR eine Demokratie war, so wenig war eine Opposition im politischen System vorgesehen. Wie sich Widerspruch und Unzufriedenheit schließlich dennoch institutionalisierten und wie es mit dieser Opposition nach der Wiedervereinigung weiterging, damit hat sich die vierte Veranstaltung der Ringvorlesung „Wie schmeckte die DDR?“ in Dresden beschäftigt. Als Zeitzeugen sprachen Arnold Vaatz MdB, stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Werner Schulz, Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

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Beide waren Mitglieder der Bürgerbewegung „Neues Forum“, die sich im September 1989 gründete und zusammen mit anderen oppositionellen Gruppen die Wendezeit entscheidend mitprägte. Oder, wie es Vaatz formulierte: „Die DDR-Opposition ist auf den fahrenden Zug aufgesprungen, um sich an dessen Spitze zu setzen.“ Als Oppositionelle in der DDR bezeichnete er „die das damals verordnete Leben verachteten und sich unter Inkaufnahme von persönlichen Nachteilen dagegen auflehnten.“ Allerdings habe sich die Anforderung an die Opposition in den Wendezeiten rasant verändert. Nur bis Oktober 1989 habe das „Neue Forum“ als Symbol und Gesicht des Protestes funktioniert, so Vaatz. Mit der Neugestaltung Ostdeutschlands sei es allerdings überfordert gewesen: „Zu sagen, wogegen man ist, war einfach. Als zu sagen war, wofür man ist, zerfiel die DDR-Opposition.“

In der sich neu entwickelnden gesamtdeutschen Parteienlandschaft erschien ihm die Idee einer ostdeutschen Oppositionspartei als „Unfug“, so Vaatz. So entschied er sich, Mitglied der CDU zu werden. Aber auch dies verlief nicht ohne Komplikationen. Ein Schock sei die Aufnahme der Ost-CDU in die gesamtdeutsche CDU für ihn zunächst gewesen. „Zuerst drängten wir darauf, dass sich unsere neue Partei von jenem Personal trennte, das in der CDU die Kaderpolitik der SED durchgesetzt und die systematische Zerstörung und Gleichschaltung dieser Partei vorangetrieben hatte. Diese oft erbitterte Auseinandersetzung währte etwa ein bis zwei Jahre, war aber in Sachsen im Wesentlichen erfolgreich“, erinnerte sich Vaatz.

Die Umstellung auf das Leben im wiedervereinigten Deutschland bezeichnete er als „sehr hart für alle“. Für die aufkommende Verklärung der DDR hat er dennoch kein Verständnis: „In allen ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten hatten und haben es die Menschen ungleich schwerer als wir. Das wird systematisch ausgeblendet.“ Die durchschnittliche Lebenserwartung in Ostdeutschland sei um vier bis fünf Jahre gestiegen. Aber auch diese Tatsache hindere viele nicht daran, die Lebensumstände in der DDR zu loben. „Wer die Lektionen der Geschichte nicht lernen will, wird sie eines Tages wiederholen müssen“, mahnte Vaatz.

Werner Schulz erinnerte in seinem Rückblick an die protestantische Prägung der DDR-Opposition: „Daraus ergaben sich zwei Merkmale – keine Gewalt und der klare Ruf nach direkter Demokratie.“ Im Herbst 1989 sieht er daher nicht nur ein‚Wende’, sondern eine europäische Freiheitsrevolution. „Und das in einem Land in dem bis dahin alle Revolutionen mehr oder weniger in die Hose gingen“, so Schulz. Wie auch sein Vorredner sah er die Zersplitterung der DDR-Opposition nach dieser Revolution in ihren unterschiedlichen Vorstellungen für Ost-Deutschland begründet.

Vor allem die Nationale Frage habe schwerste Kontroversen innerhalb der Opposition ausgelöst. Während sich einige Oppositionelle der Position der westdeutschen Parteien anschlossen, die Wiedervereinigung verfassungsrechtlich über den Artikel 23 des Grundgesetzes zu regeln, habe das Gros der ehemaligen Opposition den Weg über Artikel 146 des Grundgesetzes bevorzugt: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Schulz bezeichnete es als „vertane Chance“, dass dieser Weg nicht gewählt wurde. Dennoch zweifle er nicht grundlegende Verständigung an, die auch heute noch unter DDR-Oppositionellen herrsche: „Wer die Demokratie unter den riskanten Umständen der Selbstbefreiung erringen musste, weiß um ihren Wert.“

Tipp: Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird Ende des Jahres 2008 mit einer Online-Wissensplattform unter www.DDR-Mythen.de auf die beschriebene Problematik reagieren.

In dieser Reihe sind bisher erschienen:

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