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9. Belter-Dialoge

„Das Menschenbild in der DDR“

Veranstaltungsbericht zu den 9. Belter Dialogen der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Universität Leipzig

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„Das Menschenbild in der DDR“

9. Belter Dialoge am 27.04.2017

Am 27.04.2017 fanden im Senatssaal der Universität Leipzig die 9. Belter Dialoge zum Thema „Das Menschenbild der DDR“ statt. Herbert Belter trat öffentlich dem SED Regime entgegen und wurde daraufhin 1951 in Moskau hingerichtet. Stellvertretend für den Widerstand in der DDR soll ihm einmal jährlich in der Universität Leipzig gedacht werden.

Joachim Klose, Leiter des politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung begrüßte die anwesenden Gäste und übergab an Prof. Gumpel, ein ehemaliges Mitglied der Beltergruppe. Er rekapitulierte die letzten Stunden Belters und insbesondere die Deportation der Beltergruppe. Gumpel betonte wie wichtig es für die heutigen Generationen sei, nicht nur den Wohlstand und die freiheitliche Demokratie zu erleben, sondern sich ebenso mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Im Anschluss an die Grußworte stellte Klose den Referenten Prof. Dr. Florian Steger vor. Steger, der Medizinhistoriker und Medizinethiker ist, referierte zum Thema „Die Erziehung zum sozialistischen Mensch und seine Krankheitsbilder“. Derzeit forscht Steger zu den geschlossenen venerologischen Abteilungen der DDR, Einrichtungen, die zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten eingerichtet wurden. Laut Steger besaßen diese aber vielmehr einen erzieherischen, disziplinarischen Charakter. Er beschrieb die typischen Tagesabläufe, die die Opfer dieser Abteilungen schilderten und die Brutalität, der sich die Patienten ausgeliefert sahen. Alle Aspekte weisen auf die Umerziehung der Frauen zu einem sozialistischen Menschen hin. Abschließend betonte Steger die Traumatisierung der Patientinnen und damit einhergehend die Traumatisierung der Folgegenerationen und kritisiert die schleppende Mitwirkung einiger Ämter bei der Aufarbeitung des Themas. In der anschließenden Diskussion wurde vor allem über die Täterschaft, die Aktenlage und die öffentliche Wahrnehmung des Themas diskutiert. Der zweite Block behandelte das Thema „Der sozialistische Mensch – Was bedeutet das?“ Referentin war die Landtagspräsidentin a.D. und Zeitzeugin Prof. Dr. Dagmar Schipanski. Der sozialistische Mensch sei „Herr der Arbeit“ und entscheide selbst, wie viel produziert würde. Außerdem werde dieser „vom Kollektiv erzogen“. Als positive Aspekte in der DDR erwähnte Schipanski die Hilfsbereitschaft und die Pädagogik, gab jedoch zu bedenken, dass zwar zum selbstständigen Denken erzogen wurde, dies jedoch letztendlich nicht erwünscht war. Laut SED-Literatur sei nur Fleiß und Leistung die Begrenzung der Entfaltung. Die Praxis zeige jedoch, dass streng ausgewählt wurde und das Wohlverhalten dem Staat gegenüber eine Zugangsvoraussetzung war. Das demokratische Gedankengut spielte damals keine Rolle und nach 40 Jahren kollektiver Planerfüllung fällt den Menschen in der heutigen Zeit Eigeninitiative und Diskussion schwer. Aus diesem Grund seien derzeit Parteien mit einfachen Antworten so beliebt. Die Diskussion war von Statements geprägt, die die Themen der Wiederholungsgefahr, das Desinteresse an der DDR Geschichte und die Ostalgie vertieften und kritisierten.

Nach einer Mittagspause wurde eine Diskussion zum Thema „Der sozialistische Mensch – Ein Kunstprodukt“ angeschlossen. Beteiligt an der Diskussion waren die Autorin Julia Schoch, der Historiker Dr. Andreas Kötzing und der Pfarrer Stephan Bickhardt.

Schoch zitierte in ihrem Impulsvortrag aus dem Buch „Vom Sinn unseres Lebens“, das sie zur Jugendweihe bekam. Die Literatur bezeichnet den geschlossenen Charakter als Vorstufe der Persönlichkeit, die Jugendlichen sollten stark für die Idee des Sozialismus sein. Schoch sprach von ihrer persönlichen Angst wirklich einmal einer solchen Charakterprüfung unterzogen zu werden, da sie wusste, dass sie dieser nicht standhalten könne.

Bickhardt beschrieb das Menschenbild der DDR als das einer gespaltenen Persönlichkeit, gespalten in die sozialistische Persönlichkeit und die Individualität. Die Zerrissenheit, die sich hiermit ergab, führe zu einer „inneren Vereinsamung gegenüber der Normiertheit“. Es entstand eine Nischengesellschaft, in der sich die eigene Persönlichkeit außerhalb dieser Zwangsmoral behauptete.

Kötzing beleuchtete das sozialistische Menschenbild aus verschiedenen Perspektiven, die für ihn die sozialistische Person als Kunstprodukt ausmacht. Er nannte beispielsweise den Staat, der die Bevölkerung durch eine einheitliche Vorstellung verändern und formen wollte, obwohl es selbst in der SED Ambivalenzen gab.

Die Diskussion umfasste viele Themenbereiche, sowohl aus der DDR, als auch aktuelle Entwicklungen. So wurde neben dem Kunstbegriff „sozialistischer Mensch“, die Aufarbeitung und die Nostalgie besprochen. Einig waren sich die Referenten, dass der Sozialismus an niemandem „vorbei gegangen“ sei. Es wurde ebenso das heutige Menschenbild diskutiert, das von einer großen Individualisierung geprägt ist. Außerdem rieten die Referenten, die Nostalgie dennoch nicht nur als negativ konnotierten Begriff zu sehen. Dies werde den Lebenswirklichkeiten nicht gerecht.

Die Festveranstaltung begann um 18.30Uhr mit einer musikalischen Eröffnung durch Konstanze Hollitzer. Im Anschluss sprach nach einem kurzen Resumee seitens Dr. Klose, Lutz Rathenow Landesbeauftragter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. In seinem Vortrag legte er den Fokus auf seine eigenen Erfahrungen, die er mit der SED-Diktatur machte. Im Verlauf ging Rathenow auf seine Tätigkeit bei Carl-Zeiss-Jena ein. Er erzählte von Kollegen, die sich untereinander kritisch und offen über die DDR äußerten. Die Disziplinierung der Menschen durch die SED war – wie an diesem Beispiel erkennbar – im privateren Bereich häufig nicht erfolgreich. Darüber hinaus erzählte Rathenow über die Entwicklung seiner politischen Persönlichkeit. Diese war zu Beginn geprägt durch eigene Opposition und später die Orientierungssuche im geschlossenen System der DDR. Eine wichtige Rolle hätte hierbei die Familie gespielt.

Zum Ende der Veranstaltung sprach Prof. Dr. Schücking, Rektorin der Universität Leipzig, ein Schlusswort und bekräftigte die Bedeutung der Belter-Dialoge.

Lina Berends und Carolin Hartmann

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Kontakt

Dr. Joachim Klose

Dr. Joachim Klose

Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

joachim.klose@kas.de 030/26996-3253 030/26996-53253

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