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Veranstaltungsberichte

Hedgefonds statt Verantwortung? Unternehmerisches Handeln für Beschäftigte und Region

Impulsvortrag im Rahmen der Reihe „Demographie im Blickpunkt“ am 4. März 2010 in Dresden

Frau Prof. Gudula Deipenbrock, Professorin für Wirtschaftsrecht an der HTW Berlin, über Verantwortungsbewusstsein in der Kreditwirtschaft.

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I.Einführung

Zunächst möchte ich der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bildungswerk Dresden, insbesondere Herrn Dr. Joachim Klose, für die Einladung zu der heutigen Diskussionsveranstaltung herzlich danken. Der nachfolgende Kurzvortrag dient als Impulsreferat für die sich anschließende Diskussion. Ausgangspunkt ist der Titel der Veranstaltung: „Hedgefonds statt Verantwortung? Unternehmerisches Handeln für Beschäftigte und Region“

II.Akteure an den Kapitalmärkten

Der provozierende Titel „Hedgefonds statt Verantwortung“ hat in den letzten Wochen erneut, beschleunigt und verschärft an Brisanz gewonnen. Nach den tiefgreifenden Umwälzungen in Folge der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise(n) beherrscht die Sorge insbesondere um die Staatsverschuldung Griechenlands und ihre möglichen Folgen für die Eurozone die Märkte. Nationale und internationale Tageszeitungen berichten von der Verschärfung der Krise durch Spekulation. Dabei beziehen sich die Schlagzeilen der letzten Tage insbesondere auf Hedgefonds oder Kreditversicherungen gegen einen Ausfall (Credit Default Swaps).

In der - dieser aktuellen Problemlage - vorausgehenden Krise, die sich mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers in den Vereinigten Staaten von Amerika im September 2008 verschärfte, wirkten insbesondere der Verfall der US-amerikanischen Immobilienpreise und seine Folgen für die Subprime-Hypothekenkredite und die sie verbriefenden Wertpapiere krisenauslösend. Für eine Analyse der Ursachen der jüngsten Verwerfungen auf den Finanzmärkten weltweit ist es wichtig, die Finanzinstrumente, die hier von Bedeutung sind, zu verstehen. Für eine Gesamtbeurteilung entscheidend ist jedoch, wer diese Instrumente zu welchem Zweck entwickelt (hat) und wer sie zu welchem Zweck einsetzt(e).

Die Frage nach den Verantwortlichkeiten für die jüngsten Krisen auf den Finanz- und Wirtschaftsmärkten ist diejenige nach dem Verhalten der Akteure auf den Märkten. Es ist schmerzlich deutlich geworden, dass die Ziele und Maßstäbe für unternehmerisches Handeln neu definiert werden müssen. Es gilt, Freiheitsräume neu zu gestalten, um ihrem Missbrauch künftig vorbeugen zu können. Den Finanzmarktunternehmen obliegt die zentrale Aufgabe, ihr mangelhaftes Risikomanagement grundlegend zu erneuern und ihr (Fehl)Anreiz-, Vergütungs- und Bonusregime radikal zu verändern. Daneben sind die nationalen und in der Europäischen Union (EU) der europäische Gesetzgeber gefordert und diese haben damit begonnen, nach eingehender Analyse der Sachlage und sorgfältiger rechtlicher und wirtschaftlicher Abwägung effektive Ge- und Verbote zu formulieren, um entsprechende Krisen zukünftig zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen.

Für den Zweck dieses Impulsreferats soll vor diesem Hintergrund aus rechtswissenschaftlicher Sicht exemplarisch eine Gruppe von Akteuren betrachtet werden: die Ratingagenturen. In einem ersten Schritt wird kurz die Ende 2009 in Kraft getretene einschlägige europäische Verordnung über Ratingagenturen skizziert. In einem zweiten Schritt stellt sich die kritische Frage nach der Wirkmacht des gesetzgeberischen Handelns und nach dem Umgang mit der (verbleibenden) Freiheit sowie der Verantwortung der Akteure.

III.Was kann das Recht zur Krisenbewältigung leisten? - Das Beispiel der Europäischen Verordnung über Ratingagenturen

Die fehlende Transparenz des Finanzgewerbes hat wesentlich zur Entstehung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen. Diese legte erhebliche Schwächen der Einzel- und Systemaufsicht offen. In der EU haben ihre Mitgliedstaaten zahlreiche, tief greifende Maßnahmen zur Krisenbewältigung entwickelt und umgesetzt. Daneben oblag und obliegt es der Europäischen Kommission (Kommission), die Mängel in der Finanzaufsicht zu beseitigen.

Die systemische Bedeutung der Ratingagenturen in dem Zusammenspiel der Akteure auf den Finanzmärkten ist unstreitig. Die Ratingagenturen trifft der Vorwurf, dass sie die Risiken strukturierter Finanz- und Subprimeprodukte unterschätzt und ihre Ratings nicht zeitgerecht den verschlechterten Marktbedingungen angepasst haben. Der europäische Rechtsetzer reagierte mit der Verabschiedung der Europäischen Verordnung über Ratingagenturen (VO-Ratingagenturen, VO (EG) Nr. 1060/2009, ABl. EU L 302/1 v. 17. November 2009).

Die VO-Ratingagenturen markiert eine Zäsur. Die EU erteilt mit der VO-Ratingagenturen dem zuvor favorisierten Prinzip der Selbstregulierung des Ratingmarkts eine Absage. Die VO-Ratingagenturen führt ein Regulierungsregime ein, um die Integrität, Transparenz, Verantwortung, gute Unternehmensführung und Verlässlichkeit von Ratingtätigkeiten zu fördern und so zur Qualitätsverbesserung der von in der Gemeinschaft abgegebenen Ratings einen Beitrag zu leisten. Die VO-Ratingagenturen gilt für Ratings, die von in der Gemeinschaft registrierten Ratingagenturen abgegeben und der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weitergegeben werden.

Nach Art. 4 Abs. 1 der VO-Ratingagenturen (Art. 4 Abs. 1 gilt ab dem 7. Dezember 2010) dürfen die dort genannten Institutionen, insbesondere Kreditinstitute, Wertpapierfirmen etc. im Sinne der jeweils einschlägigen europäischen Richtlinien für aufsichtsrechtliche Zwecke nur Ratings von solchen Ratingagenturen verwenden, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben und nach der VO-Ratingagenturen registriert sind. Die VO-Ratingagenturen legt das Registrierungsverfahren für Ratingagenturen im Einzelnen fest.

Ferner stellt die VO-Ratingagenturen detaillierte Anforderungen an den angemessenen Umgang mit Interessenkonflikten, die Qualität von Ratings und Transparenz des Ratingverfahrens. Die VO-Ratingagenturen ist zwar ein wesentlicher Beitrag für das Aufsichts- und Regulierungsregime für das Ratingwesen in der EU. Dieser Rechtsakt ist jedoch in seinen Wirkungen sektoral beschränkt. Zusätzliche weit reichende Reformen der europäischen Finanzaufsicht sind ferner erforderlich und werden derzeit vorangetrieben. Gleichzeitig liegt die begrenzte Wirkmacht des Rechts vor Augen. Zentral für die Vermeidung künftiger Krisen ist, dass die Akteure auf den Märkten der ethischen Dimension ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen gerecht werden.

Auf den Finanzmärkten, das zeigen die jüngsten Entwicklungen trotz unmittelbar vorangegangener Krise, wirken zahlreiche Akteure, deren vorrangiges Ziel (nach wie vor) die kurzfristige Gewinnmaximierung ist. Die internationale Verflechtung der Märkte führt jedoch dazu, dass bereits das Handeln einiger weniger Akteure verheerende Folgen für die Finanzmärkte weltweit zeitigen kann. Hier müssen dringend Anreize zu nachhaltigem Wirtschaften weltweit etabliert werden. Dieses erfordert jedoch dauerhaft ein gemeinsames Handeln der Weltgemeinschaft und nicht nur einzelner Länder oder der EU.

Daneben, jedoch ebenso von zentraler Bedeutung bleibt der Appell an sämtliche handelnden Personen auf den Märkten und ihr Gewissen, ihrer jeweiligen moralischen Verantwortung im rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereich gerecht zu werden. Die Finanzkrise(n) zeigen, dass der Bereich der Wirtschaft dauerhaft nach moralischen Gesichtspunkten geordnet werden muss. In der Enzyklika „Caritas in Veritate“ verweist Papst Benedikt XVI. (Punkt 6.) darauf, dass insbesondere zwei Orientierungsmaßstäbe für das moralische Handeln speziell für die Entwicklung in einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung erforderlich sind: die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl. Eine Re-Orientierung an diesen Maßstäben tut not.

Frau Prof. Dr. iur. Gudula Deipenbrock ist seit 1998 Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Vor ihrer Berufung auf die Professur versah Frau Prof. Deipenbrock neben der Planung und Leitung strategischer Projekte vornehmlich Aufgaben als Justitiarin mit den Schwerpunkten internationale Kooperationen, internationale Mergers und Acquisitions sowie Wirtschafts - und Unternehmensrecht in verschiedenen Unternehmungen. Ihre vielfältigen Publikationen widmen sich praxisrelevanten aktuellen Fragestellungen des nationalen, internationalen, europäischen und ausländischen Wirtschaftsrechts sowie der Rechtsvergleichung.

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