Ostalgie und Glorifizierung - Unkenntnisse der Nachgeborenen - Politisches Bildungsforum Sachsen
Veranstaltungsberichte
Starke postsozialistische Tendenzen
Auch fast neunzehn Jahre nach dem Fall der Mauer zeigt die ostdeutsche Gesellschaft starke postsozialistische Tendenzen, und zwar sowohl in der mentalen Verfassung großer Teile der Bevölkerung als auch im Hinblick auf die Kritik demokratisch-pluralistischer Institutionen. Die in der DDR erworbenen mentalen Prägungen wirken weiter und werden in den verschiedenen Milieus ebenso wie Fragmente eines Geschichtsbildes an jüngere Generationen weitergegeben.
Selektives DDR-Bild
In familiären Gesprächen wird Jugendlichen ein selektives DDR-Bild vermittelt. Erzählt werden positive Erlebnisse sowie im Nachhinein als lobenswert empfundene Aspekte des SED-Staates. Dabei nehmen die Arbeitsplatzsicherheit und der Zusammenhalt in Betrieb und Wohngebiet eine herausragende Rolle ein. Die diktatorischen Bedingungen und die Mangelwirtschaft werden dagegen ebenso wie die Aktivitäten des MfS nur selten erwähnt.
Jugendliche wollen mehr wissen
Die überwiegende Mehrzahl der befragten Schüler in den vier Ländern bzw. fünf Untersuchungsregionen glaubt, wenig über die DDR und das geteilte Deutschland zu wissen und erfährt hierüber in der Schule kaum etwas oder überhaupt nichts. Gleichzeitig äußern viele der Jugendlichen Interesse an der DDR und möchten mehr über das Leben dort erfahren. In ostdeutschen Familien wird die DDR weitaus häufiger thematisiert, allerdings zumeist nur in Bezug auf das Alltagsleben.
Negatives Gesamtbild
Eine breite Mehrheit der Schüler hat ein überwiegend negatives Gesamtbild der DDR. Immerhin knapp 40 Prozent legen sich aber nicht fest oder geben eine positive Bewertung ab. In Ostdeutschland sowie unter Haupt- und Realschülern liegt die Quote der negativen Stimmen sogar deutlich unter der absoluten Mehrheit.
Lob der sozialen Seite der DDR
Ostdeutsche Schüler loben mit breiter Mehrheit die sozialen Seiten des SED-Staates und gleichzeitig neigt eine beträchtliche Minderheit unter ihnen zur Ausblendung diktatorischer und repressiver Aspekte. Westdeutsche Schüler sprechen – wenn auch in abgeschwächter Form – der DDR bei einigen sozialen Dimensionen des Lebens ebenfalls ein Lob aus, erkennen aber mit sehr breiter Mehrheit den Diktaturcharakter dieses Staates.
Schroeder kommt zu den Schluss, dass das Bild der DDR stark geprägt wird vom Kenntnisstand: Je mehr Schüler über den SED-Staat wissen würden, umso kritischer falle ihr Urteil aus, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter und besuchtem Schultyp. Es müsse daher Aufgabe der Schule sein, so Schroeder, dieses Wissensdefizit auszugleichen. Dabei sollte die Delegitimation der sozialistischen Diktatur mit der Vermittlung freiheitlich-demokratischer Werte verknüpft werden mit dem Ziel, Jugendliche immun zu machen gegen jegliche diktatorische Verführung.
Den ganzen Beitrag von Prof. Dr. Klaus Schroeder finden Sie zu Beginn des Textes als pdf-Download.
Tipp: Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird Ende des Jahres 2008 mit einer Online-Wissensplattform unter www.DDR-Mythen.de auf die beschriebene Problematik reagieren.
In dieser Reihe sind bisher erschienen:
- Tillich warnt vor Verharmlosung der DDR-Diktatur (29.September 2008)
- Warum wir sind, wie wir sind? Zur kulturellen Prägung durch den Sozialraum DDR (9.Oktober 2008)
- Utopisten, Händler und Moralisten (21.Oktober 2008)
- Als zu sagen war, wofür man ist, zerfiel die DDR-Opposition (24.Oktober 2008)
- Machtsichernde Mythen (29.Oktober 2008)
- Staatsgelenkte Wirtschaft ist ein Irrweg (7.November 2008)
- Das ganze Leben nicht mehr frei sein (12.November 2008)