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Veranstaltungsberichte

Fasten(brechen)im Senegal

Erster Interreligiöser Ndougou der KAS Senegal

Das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im Senegal lud im Rahmen einer Veranstaltung zum Interreligiösen Dialog am 1. Juni 2017 zum ersten Interreligiösen Fastenbrechen (Ndougou) der KAS Senegal ein. Der Einladung folgten mehr als 100 Teilnehmer, darunter Vertreter des diplomatischen Korps sowie zahlreiche christliche und muslimische Würdenträger.

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Seit dem 27. Mai findet für die islamische Umma – die Gemeinschaft aller Muslime weltweit – der Fastenmonat Ramadan statt. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang fasten gläubige Muslime, essen und trinken erst bei Sonnenuntergang und führen auch ansonsten ein einmonatiges Leben der inneren Einkehr. Traditionell wird das Fastenbrechen im Kreis der Familie und gemeinsam mit Freunden verbracht. Im Mittelpunkt stehen das Gemeinschaftserlebnis, das Teilen des Essens und der Austausch über Fragen des Lebens. Mit ca. 1,5 Mrd. Muslimen stellt der Islam die zweitgrößte monotheistische Religion der Welt dar. Geographisch, kulturell, sprachlich und religiös ist die islamische Welt äußerst heterogen. Zahlreiche afrikanische Länder sind mehrheitlich muslimisch geprägt – darunter auch der Senegal.

Offiziell sind 94 Prozent der Bevölkerung Senegals Muslime. Circa fünf Prozent sollen dem christlichen – vorwiegend katholischen – Glauben angehören und ca. ein Prozent sind Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen. Die Zahl der Christen im Senegal dürfte jedoch deutlich höher liegen und vermutlich ca. sieben bis 10 Prozent der senegalesischen Bevölkerung entsprechen. Doch die Religionszugehörigkeit nimmt in der senegalesischen Bevölkerung keine allzu wichtige Rolle ein. Auch Ehen zwischen Muslimen und Christen sind keine Seltenheit. Wichtig ist allerdings, dass eine Religiosität vorliegt. Atheisten und Agnostikern wird im Senegal mit Unverständnis begegnet.

Religion spielt im Alltag der Senegalesen eine große Rolle – fast jeder Muslim ist Teil einer der vier Bruderschaften des Landes. Das amerikanische Forschungsinstitut Pew Research Center sieht den Senegal gar als eines der religiösesten Länder überhaupt. Einer neuesten Studie des Pew-Forschungsinstituts entsprechend, betrachten 97 Prozent der Senegalesen die Rolle der Religion als zentral in ihrem Leben. Damit liegt der Senegal auf Platz 2 der Pew-Skala – direkt nach Äthiopien (98 Prozent erachten Religion als wichtigsten Faktor ihres Lebens) und vor Ländern wie Indonesien, Pakistan oder Malaysia.

Die Bruderschaften nehmen nicht nur eine religiöse, sondern auch eine wirtschaftliche, soziale und politische Funktion ein. Ohne die Unterstützung der einflussreichen Bruderschaften ist im Senegal praktisch keine Wahl zu gewinnen. Entsprechend buhlen Politiker um das Wohlwollen und eine öffentliche Unterstützung der religiösen Wür-denträger für ihre Politik. Dies ist gerade jetzt vor den nationalen Parlamentswahlen am 30. Juli 2017 in aller Deutlichkeit zu erkennen.

Der Senegal versteht sich als laizistischer Staat. Religionsfreiheit wird gewährleistet. Der Dialog zwischen den Religionen erfährt große Aufmerksamkeit im Land und trägt mit dazu bei, dass der Senegal als Insel der Stabilität in einer konfliktanfälligen Region gilt. Die muslimischen Bruderschaften und Kirchen nehmen wichtige gesellschaftliche Funktionen bei der Prävention von Radikalisierungstendenzen junger Menschen ein. Obschon die (Jugend-) Arbeitslosigkeit bei über 50 Prozent liegt und die Bevölkerungsmehrheit nach wie vor von weniger als 2 Dollar am Tag lebt und es an Perspektiven für die junge Bevölkerung fehlt, sind vergleichsweise wenige Fälle von Radikalisierten zu verzeichnen. Dies liegt auch an der homogenisierenden Wirkung der Religionen.

Der sufistisch geprägte Islam Senegals trägt durch seine tolerante Auslegung mit dazu bei, dass Religionsdialog im Senegal nicht ausschließlich eine Worthülse bleibt, sondern tatsächlich funktioniert. Obschon im Senegal ein hoher Grad an Religiosität vorliegt, bleibt die Religionsausübung weitgehend Privatangelegenheit. Eine politische Instrumentalisierung der Religionen liegt nicht vor. Und auch die persönliche Auslebung des Glaubens unterliegt einem starken Interpretationsspektrum.

Zahlreiche sich selbst als Muslime definierende Senegalesen fasten während des Fastenmonats nicht oder nicht durchgehend – obschon das Fasten eine der fünf Säulen des Islams und somit im Grunde konstitutiv für das „Muslimsein“ ist. Darauf angesprochen, weshalb so viele Muslime im Senegal es mit dem Fasten nicht so ernst nehmen, erhält man offene Antworten. Jeder könne seine Religion und den Grad der Ausübung selbst bestimmen. Es gäbe keinen Zwang in der Religion und somit auch keine Reglementierung dafür, wer wie seine Religion ausüben müsse. Man ist im Senegal stolz darauf, solch eine liberale Islamauslegung zu praktizieren.

Diese pragmatische Islamauslegung ist einigen (noch) kleinen Gruppen ultraorthodoxer Muslime ein Dorn im Auge. Meistens im wahhabitisch geprägten Saudi-Arabien in Koranstudien ausgebildet und anschließend in den Senegal zurückgekehrt, predigen auch im Senegal zunehmend salafistische Imame. Sie buhlen um die Gunst der von Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägten Jugend und glorifizieren einen rückständigen Islam.

Die senegalesische Bevölkerung trotzt diesen externen Einflüssen auf ihren tolerant gelebten Islam. Sie sind zu Recht stolz auf die Liberalität ihrer Gesellschaft und die intellektuelle Tradition des Landes in Westafrika. Der erste Präsident Senegals, Leopold Sedar Senghor, war schließlich nicht nur Politiker, sondern auch Poet. Er wurde als gläubiger Katholik in einem mehrheitlich muslimisch geprägten Land gewählt – mit expliziter Unterstützung der muslimischen Bruderschaften.

So waren sich die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung zum Interreligiösen Dialog mit anschließendem Fastenbrechen in den Räumlichkeiten der KAS Senegal in Dakar auch einig, dass der Religionsdialog im Senegal funktioniere und einen Vorbildcharakter weit über die Grenzen Senegals hinaus habe. Muslimische und christliche Vertreter hoben hervor, dass der gesellschaftliche Frieden im Senegal auch auf die Rolle der Religionen zurück zu führen sei und das Miteinander von Muslimen und Christen problemlos funktioniere.

Der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde für die Ausrichtung dieses ersten Gesprächsabends zum Interreligiösen Dialog inmitten des Ramadan gedankt und die wichtige Rolle der Stiftung für den Religionsdialog im Senegal mehrfach lobend betont. Die KAS organisiert im Dezember eine große internationale Konferenz zum Religionsdialog in Dakar. Thema der Konferenz in diesem Jahr: Beitrag der Religionen zur Extremismusprävention.

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Dr. Thomas Volk

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Leiter des Auslandsbüros Israel

thomas.volk@kas.de

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