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Veranstaltungsberichte

Marshallplan für Arbeit

Veranstaltung zum Thema „Wirtschaft und Schaffung von Arbeitsplätzen im Senegal“

Am Donnerstag, dem 5. Juli 2018, fand das zweite in Zusammenarbeit mit dem westafrikanischen Think Tank Wathi organisierte Rundtischgespräch in diesem Jahr in den Räumlichkeiten des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Senegal in Dakar statt. Wathi ist ein westafrikanischer Think Tank, der vor allem onlinebasiert arbeitet und Bürgern in allen westafrikanischen Staaten die Möglichkeit bietet, Veröffentlichungen zu aktuellen politischen und wirtschaftlichen Themen Westafrikas einzureichen und zu diskutieren.

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Das zweite Rundtischgespräch 2018 widmete sich dem Thema „Wirtschaftliche Entwicklung und Schaffung von Arbeits-plätzen im Senegal“.

Senegal gilt in Westafrika als wirtschaftliches Vorzeigeland, die Wachstumsraten sind seit Amtsantritt des Staatspräsidenten Macky Sall 2012 anhaltend hoch und erreichten 2017 ein Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent. Zeitgleich sind die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung nach wie vor sehr hoch – während in und um

Dakar ein Bauboom herrscht, mangelt es im ländlichen Raum an einer grundlegenden und funktionierenden Infrastruktur. Zwar hat die Regierung unter Staatspräsident Macky Sall vor allem bei der Elektrifizierung entlegener Dörfer große Erfolge vorzuweisen, doch die wesentlichen Infrastrukturprojekte (Flughafen AIBD, Messezentrum CICAD, Diamniado 34 km vor Dakar) werden von der Bevölkerung als weniger wichtig wahrgenommen, als die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeit – vor allem bei der sehr jungen Bevölkerung – ist nach wie vor hoch. Der informelle Sektor dominiert den senegalesischen Arbeitsmarkt.

Unter den mehr als 50 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft waren Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsministeriums sowie mehrere mittelständische Unternehmen. Referenten waren ein Direktor der Arbeitsagentur ANPEJ, ein Vertreter des Ministeriums für den Senegalesischen Entwicklungsplan PSE sowie der Generaldirektor des Unternehmens Dolima.

Der Vertreter des PSE-Ministeriums betonte in seinen Ausführungen, dass der Senegalesische Entwicklungsplan einen ganzheitlichen Ansatz verfolge und bis 2035 das Land grundlegend voranbringen wolle. So umfasse der PSE nicht nur große Infrastrukturprojekte, sondern auch die Elektrifizierung und die infrastrukturelle Erschließung des ländlichen Raums sowie die Ausbildung und Schaffung von Perspektiven für die junge Bevölkerung des Landes. Die Investition in Humankapital sei ein expliziter Schwerpunkt des PSE und umfasse auch die Alphabetisierung der Bevölkerung (ca. 53 Prozent der Senegalesen sind nach wie vor nicht alphabetisiert) sowie eine Stärkung von Bildung und Ausbildung. Da 97 Prozent des senegalesischen Arbeitsmarktes im informellen Sektor angesiedelt sei, müsse dieser Sektor gestärkt und ein Übergang in den formellen Sektor wesentliches Ziel aller Arbeitsmarktreformen sein. Der Ministerialbeamte hob deutlich hervor, dass es nicht die Aufgabe des Staates sei, Arbeitsplätze zu schaffen. Dies sei die Aufgabe von Unternehmen; der Staat schaffe lediglich die Rahmenbedingungen für Unternehmen.

Die anwesenden Vertreter der Ministerien waren sich einig, dass die politische Stabilität Senegals mit dazu beitrage, dass sich das Land wirtschaftlich so gut entwickelt habe. Daher lege die Regierung auch einen Schwerpunkt auf den Erhalt der politischen Stabilität sowie die soziale Kohäsion bzw. den Kampf gegen extremistische Bewegungen. Für viele Anwesenden neu war die Erkenntnis, dass Mali ein wichtiger Handelspartner Senegals im Bereich Zementhandel sei. Für Senegal nehme Mali eine strategische Rolle ein, da das Nachbarland größter Handelspartner bei Zementexporten aus Senegal sei, so der Vertreter des Wirtschaftsministeriums.

Der stellvertretende Direktor der Arbeitsagentur ANPEJ unterstrich in seinem Referat, dass die Reduzierung der (Jugend-) Arbeitslosigkeit ein wichtiger Auftrag für seine Behörde sei. Zeitgleich dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass Arbeitslosigkeit kein speziell afrikanisches Phänomen sei. Überall auf der Welt, auch in Europa, gebe es hohe Arbeitslosenquoten, weshalb dies keinesfalls nur als Problem des afrikanischen Kontinents bezeichnet werden dürfe. Da jährlich ca. 200.000 junge Senegalesen neu auf den Arbeitsmarkt kämen, stehe das Land jedoch vor einer besonders großen und ernstzunehmenden Herausforderung. Er forderte daher die Unternehmen im Land auf, ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu werden und offensiv in die Schaffung von Arbeitsplätzen zu investieren. Die hohe Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen verleitete den ANPEJ-Vertreter gar zu der Feststellung, dass Universitäten im Senegal eine Art „Fabriken der Arbeitslosen“ seien.

Der anwesende Direktor von Dolima unterstrich als Unternehmer die gesellschaftlich wichtige Funktion von Unternehmern und Unternehmensgründern und appellierte an junge Senegalesen, ihre Ideen zu verwirklichen und keine Furcht vor Rückschlägen oder Scheitern zu haben. Westafrikanische Länder böten die Möglichkeit, auch „Verrücktes zu wagen“ und Ideen umzusetzen, die man andernorts so einfach nicht verwirklichen könne. Er selbst habe einen Kredit aufgenommen, um sein Unternehmen (Herstellung von Milchprodukten) im Senegal zu gründen und sei dabei ein hohes Risiko eingegangen. Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Mehrzahl der Unternehmer jedoch keine Kredite erhalten – auch da sie keine Sicherheiten bieten können. Anfangs habe er 40, nunmehr 240 direkte Angestellte gehabt. Gleichzeitig zeigte der Unternehmer wenig Verständnis dafür, weshalb lokale Produkte, z.B. die von ihm hergestellte Milch, höher besteuert würden, als importierte Produkte. Er appellierte daher an die senegalesische Politik, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen und einheimischen Unternehmern durch solche Maßnahmen nicht Steine in den Weg zu legen.

In der anschließenden, sehr lebendigen Diskussion wurde deutlich, wie sehr das Thema die Gemüter bewegt. Ein wichtiger Appell aus der Runde war, dass im Senegal eine „Kultur des Unternehmertums“ entstehen müsse und dazu bereits im Bildungssystem die Weichen gestellt werden müssten. Es sei fatal, einen Akademisierungsdruck zu er-zeugen, der den Anschein vermittle, ohne Hochschuldiplom sei kein Beruf zu finden. Die hohe Arbeitslosigkeit von Hochschulabgängern belege das Gegenteil, die duale Berufsausbildung und handwerkliche Berufe müssten attraktiver gemacht werden.

Ferner wurde moniert, dass das Wirtschaftswachstum nicht bei der Bevölkerung ankomme. Der öffentliche Sektor sei zudem aufgebläht und arbeite nicht effizient genug, es werde ein „Marshallplan für Arbeit“ benötigt, so ein Beitrag, der als oberste Priorität die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in Afrika verfolge. Die mehr als 200.000 jungen Senegalesen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt kämen, bräuchten auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse – auch und gerade um irreguläre Migrationsbewegungen zu verhindern. Ohne die Schaffung von Arbeitsplätzen und Perspektiven sei die Diskussion über Migration in afrikanischen Ländern nicht zu lösen und ähnele einer Alibi-Diskussion.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass bei einer anhaltend hohen Bevölkerungsentwicklung die Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Herausforderung bleibt, um Perspektiven zu schaffen und eine Entwicklung afrikanischer Staaten zu vollbringen. Letztlich sei dies auch die wirksamste Maßnahme zur Reduzierung von Fluchtursachen.

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Dr. Thomas Volk

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Leiter des Auslandsbüros Israel

thomas.volk@kas.de

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