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Veranstaltungsberichte

Unabhängigkeit der Justiz oder Anarchie

WATHI-KAS-Rundtischgespräch zum Justizsystem Senegals

Am 29. März fand in Zusammenarbeit mit dem westafrikanischen Think Tank Wathi die erste Rundtischdiskussion 2018 statt. Seit 2017 organisiert das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung im Senegal viermal jährlich Rundtischgespräche zu aktuellen Themen mit Wathi, um Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Möglichkeit zum Austausch über aktuelle Themen zu bieten.

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Im Mittelpunkt des ersten WATHI-KAS-Rundtischgesprächs 2018 stand die Frage nach der Reformbedürftigkeit des senegalesischen Justizsystems. Referenten der Diskussionsveranstaltung waren Professor Adrien Dioh, Rechtswis-senschaftler an der Universität Gaston Berger in St. Louis, Moustapha Ka als Vertreter des senegalesischen Justizministers und Maitre Dior Fall Sow, ehemalige Richterin und Mitglied der Senegalesischen Juristinnenvereinigung.

In einer ersten Runde stellten die drei Referenten ihren jeweiligen Standpunkt bezüglich des senegalesischen Jus-tizsystems dar und regten somit zu einer intensiven Diskussion an.

Die ehemalige Richterin Dior Fall Sow unterstrich, dass die Unabhängigkeit der Richter eine unablässige Grundvoraussetzung für das Justizsystem sei und sie in ihrer jahrzehntelangen Berufsausübung als Richterin im Senegal von keinerlei politi-schen Einflussnahmen auf ihr Amt berichten könne. So wichtig die Unabhängigkeit der Richter sei, so zentral seien die Richter selbst dafür verantwortlich, diese auch zu gewährleisten. Es komme daher stark auf das Arbeitsethos der jeweiligen Richter an.

Dior Fall Sow bemängelte so etwa auch, dass sich zu viele Richter in den Dienst der Exekutive stellten und in einer Art vorauseilendem Gehorsam so urteilten, wie es die jeweilige Regierung wünschen könnte. Dieser Umstand sei offen anzusprechen und an den Schwur der Richter zu erinnern, ihre Unabhängigkeit sei zentral für eine Demokratie.

Professor Dioh attestierte dem Land eine weniger unabhängige Justiz. Als Wissen-schaftler beobachte er das Justizsystem des Landes seit Jahren sehr aufmerksam und könne durchaus Tendenzen feststellen, die das Justizsystem des Landes als nicht vollumfänglich unabhängig erscheinen ließen. Er führte den Fall des seit März 2017 inhaftierten Oberbürgermeisters von Dakar, Khalifa Sall, an, der sich in Haft befände ohne rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Es lasse sich daher die Frage stellen, ob die Justiz nicht mitunter politisiert werde und einen möglichen Konkurrenten des seit 2012 amtierenden Staatspräsidenten Macky Sall gezielt angeklagt habe, um ihm politisch zu schaden.

Auf die Frage angesprochen, wie denn das Justizsystem reformiert werden müsse, um eine Unabhängigkeit sicher gewährleisten zu können, musste der Professor jedoch eingestehen: „Ich habe keine Lösung, aber ich kenne das Problem.“ Professor Dioh unterbreitete allerdings den Vorschlag, dass die obersten Richter des Landes nicht mehr wie bisher vom Staatspräsidenten ernannt würden. Dies könne ebenso von einem Richterkollegium übernommen werden. Somit sei die Besetzung der Richterstellen nicht länger politisch konnotiert.

Moustapha Ka betonte als Ministerialbeamter des senegalesischen Justizministeriums in seinem Beitrag, dass der Zutritt zur Rechtsprechung für alle Bürger eine unabhängige Justiz voraussetze. Die Unabhängigkeit der Justiz sei gewährleistet und nehme im regionalen Kontext im Senegal seit der Unabhängigkeit 1960 eine vorbildliche Funktion ein.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das senegalesische Justizsystem größtenteils als unabhängig bezeichnet werden kann, allerdings zahlreiche Reformanstrengungen umgesetzt werden sollten.

So ist etwa eine Konzentration von Rechtsanwälten in städtischen Ballungsräumen zu erkennen. Für die Bevölkerung auf dem Land ist der Zugang zu einem Rechtsbeistand daher nur schwer zu erfüllen und mitunter mit hohen Kosten verbunden.

Die Lage in Justizvollzugsanstalten sei zudem verbesserungswürdig, so die anwesenden Wissenschaftler und Juristen. Zudem wisse ein Großteil der Bevölkerung noch immer nicht ausreichend über ihre Rechte Bescheid und ließe sich somit leicht manipulieren. Die Zahl der Richter im Land sollte erhöht werden, damit offene Fälle schneller bearbeitet werden könnten. Generell sei eine Erhöhung des Etats für die Judikative wichtig, da die zur Verfügung gestellten Budgetmittel für das Justizsystem sehr dürftig seien, so die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung.

Die Teilnehmer des Rundtischgesprächs waren sich einig, dass die Justiz ein Garant für die Wahrung der Menschenrechte sei und eine korrupte oder politisch ge-steuerte Justiz eine Katastrophe für das Land wäre. „Ohne eine unabhängige Justiz gibt es eine Anarchie“, so Dior Fall Sow, und diese gelte es zu vermeiden. Man sei stolz auf die politische Stabilität Senegals und werde sich daher weiterhin voller Engagement für die Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz im Land einsetzen, so das Fazit der Veranstaltung.

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Dr. Thomas Volk

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Leiter des Auslandsbüros Israel

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