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Zwischen Machtanspruch und Machtteilung: Südafrikas Parteien lernen den Umgang mit Koalitionen

von Henning Suhr
Südafrikas Parteien zeigen im Vorwahljahr ein desolates Bild. Innere Zerrissenheit und kurzsichtiges Taktieren lassen die Wähler an der Regierungsfähigkeit ihrer Parteien zweifeln. Auf der einen Seite kommt die Dauerregierungspartei African National Congress (ANC) mit der Aufarbeitung der Korruptions- und Veruntreuungsskandale in den eigenen Reihen nur schleppend voran. Auf der anderen Seite hadern die Oppositionsparteien mit den Koalitionsregierungen auf lokaler Ebene, einem Modell, das eigentlich als Blaupause zur Machtablösung des ANC auf nationaler Ebene dienen sollte.

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Besonders der Bruch der Koalition in Nelson Mandela Bay (Metropolregion Port Elizabeth) und das fragile Bündnis in Tshwane (Hauptstadtregion Pretoria) zeigen die Schwierigkeiten der Oppositionsparteien bei der Koalitionsbildung auf. Die politische Kultur, die lange Zeit durch die erdrückende Dominanz des ANC geprägt war, scheint noch nicht auf Machtteilung in Form von Koalitionen ausgerichtet zu sein. Unabhängig der politischen Couleur fallen Parteiführer vor allem durch Autorität und Alleinherrschaftsanspruch, anstatt durch Kompromissfähigkeit und Ausgleich auf. Die politische Stabilität ist in Gefahr, wenn Südafrikas Parteien das Spiel der Koalitionsbildung nicht schnell lernen.


Bisher hat der ANC durch seine Dominanz das politische Geschehen weitestgehend alleine diktieren können. Weder in der Politik, noch bei den Wählern wurde in den letzten Jahren der Machtanspruch der Dauerregierungspartei in Frage gestellt. Das politische Erbe des „Übervaters“ Nelson Mandela strahlte noch lange nach dem Ende seiner aktiven Politikerlaufbahn über alle Parteien und Politiker hinweg und verhalf dem ANC zu einer erdrückenden Mehrheit auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Nicht im Parlament, sondern vor allem in der ANC-Zentrale, dem Luthuli-Haus, wird über die Zukunft des Landes entschieden. Wegen zahlloser Korruptionsskandale und evidenter Misswirtschaft der vergangenen Jahre wenden sich jedoch Wähler zunehmend von der Partei ab. Zudem sinkt die emotionale Bindung vor allem junger Wähler zum ANC und dessen Befreiungskampf gegen die Apartheid. Sie interessieren sich mehr für ihre soziale Lage und die berufliche Zukunft. Auch wenn Demoskopen für die Wahlen 2019 einen Sieg des ANC mit absoluter Mehrheit prophezeien, kann von einem langfristigen Abwärtstrend ausgegangen werden.


Die Opposition arbeitet hart an dem Projekt, den ANC landesweit unter die 50-Prozent-Marke zu drücken, da auf diese Weise die Mehrheiten in der Legislative darüber entscheiden, wer die Regierung stellt. Mittel zum Zweck sind Koalitionsregierungen, da nur durch Zusammenschluss der zwei größeren Oppositionsparteien Democratic Alliance (DA, liberal-konservativ) und den Economic Freedom Fighters (EFF, linksradikal, populistisch) sowie einer Reihe kleinerer und Kleinstparteien die Mehrheit des ANC durchbrochen werden kann.


Dabei kommt der Opposition zu Gute, dass das südafrikanische Wahlsystem die Zersplitterung der Parteienlandschaft tendenziell befördert: Die Wähler können sich nur für geschlossene Parteilisten entscheiden. Eine Sperrklausel gibt es nicht, da die Verfassungsväter und -mütter nach dem Ende der Apartheid eine möglichst hohe Inklusion erreichen wollten. Die geographische Verteilung der Stimmen spielt keine Rolle, da es keine Aufteilung in Wahlkreise gibt. In der Praxis bedeutet dies, dass für einen Sitz im Parlament nur rund 50.000 Stimmen notwendig sind. Im Vergleich mit Wahlsystemen anderer Länder besteht in Südafrika ein hoher Anreiz für Parteineugründungen und Nischenparteien, da man mit relativ geringem Aufwand politische Repräsentativität erreichen kann. Eine stärkere Fraktionierung der Parteienlandschaft blieb bisher aufgrund der Dominanz des ANC aus, die auf historische Umstände zurückzuführen ist. Je mehr sich aber die Volkspartei ANC in der Abwärtsspirale befindet, umso stärker werden die Eigenschaften des Wahlsystems zum Tragen kommen und eine Zersplitterung der Parteienlandschaft befördern. Koalitionsregierungen werden dann nicht mehr Ausnahme, sondern Alltag in der südafrikanischen Politik sein.


Laut einer repräsentativen Umfrage des liberalen Institute of Race Relations (IRR) profitieren vor allem die EFF von dem Abwärtstrend des ANC. Bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent entfielen auf die Regierungspartei „nur“ noch 53 Prozent der Wählerstimmen. Da das IRR als DA-nah gilt, stellt sich wie bei anderen Umfragen auch die Frage nach der Verlässlichkeit der Zahlen. Gleichwohl käme auf Seiten des „Dauergewinners“ ANC ein Ergebnis unterhalb der 60 Prozent einer Niederlage gleich und würde den historischen Abwärtstrend bestätigen.



Koalition in Nelson Mandela Bay zerbricht an politischem Egoismus

Der Bruch der Koalition in Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth) verdeutlicht die Herausforderungen der Opposition bei der Bildung stabiler Koalitionen. Bereits seit Monaten zeichnete sich in der Stadt eine Ablösung des Bürgermeisters Athol Trollip (DA) ab. Die Koalitionspartner der DA, die im Stadtparlament nur vier zu der 61 Sitze zählenden Koalition beisteuerten, kritisierten die Selbstherrlichkeit, Arroganz und einen autoritären Führungsstil Trollips. Dieser warf wiederum seinem Vizebürgermeister Monagmeli Bobani vom Koalitionspartner United Democratic Front (UDM, zwei Sitze) Korruption und Vetternwirtschaft vor. Als Trollip seinen Stellvertreter entließ, war es eine Frage der Zeit bis die Koalition zerbrach. Ende August wählte ein Bündnis bestehend aus ANC, UDM, EFF, United Front und African Independent Congress (AIC) Bobani zum neuen Bürgermeister und löste die DA an der Macht ab. Obwohl stärkste Kraft in diesem Bündnis, wollte der ANC keinen Bürgermeister stellen, da man sich nach offizieller Lesart nicht in die Abhängigkeit der linkspopulistischen Partei EFF begeben wollte. Diese gilt als zu erratisch und unzuverlässig.

Zwei Jahre zuvor verlor der ANC bei den Wahlen noch die Mehrheit in Nelson Mandela Bay, da die Wähler sich einen Wechsel in der von Korruption geplagten Stadtregierung wünschten. Nun ist die Partei wieder an der Macht. Dabei änderte sich unter der Führung des DA-Bürgermeisters Trollip vieles zum Guten. So wurde das Haushaltsdefizit abgebaut und die Versorgung der Bevölkerung verbessert.



Koalitionsbruch symptomatisch für den Zustand der Parteien

Die Gründe für das Zerbrechen der Stadtregierung in Nelson Mandela Bay sind symptomatisch für die generelle Fragilität von Koalitionen in Südafrika. Obwohl die DA 57 und die Koalitionspartner lediglich vier Stimmen zur benötigten Mehrheit zusteuerten, verstand Trollip nicht die Notwendigkeit, den kleineren Partnern entsprechenden Profilierungsraum in der Regierung zu gewähren. Vielmehr diktierte er die Amtsgeschäfte ohne Rücksicht auf Ansichten und Befindlichkeiten der Koalitionspartner und beförderte so das Auseinanderbrechen. Bobani hingegen wirkte in seiner Rolle anmaßend. Seine Partei erhielt lediglich 1,9 Prozent der Stimmen, verlangte aber dafür ein unverhältnismäßiges Mitspracherecht. Nach der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Trollip nutzte Bobani auf opportunistische Weise die Gelegenheit, um selbst den Posten des Bürgermeisters zu übernehmen. Zwar reichte die DA Klage gegen das Abwahlverfahren Trollips ein, doch besteht wenig Aussicht auf Erfolg.



„Wir sind durch mit der DA“

Selbst zuvor erfolgte Vermittlungsversuche des DA-Parteivorsitzenden Musi Maimane und des Vorsitzenden der UDM, Bantu Holomisa, konnten das Bündnis in Nelson Mandela Bay nicht retten. Vielmehr hinterließ es verbrannte Erde. Holomisa warf der DA vor, andere Parteien als Steigbügelhalter zur Macht zu „gebrauchen“ und sie anschließend „abzuwerfen“. „Wir sind durch mit der DA. Und wenn sie jetzt ihre Haltung änderten, heißt das nur, dass sie panisch vor den Wahlen 2019 reagieren und nur daran interessiert sind, uns erneut zu gebrauchen. Sie haben uns in Nelson Mandela Bay weggejagt. Also was haben sie erwartet?“, sagte Holomisa der Presse.

Abgeordnete anderer kleiner Parteien kritisierten ebenfalls, dass ihre Belange von der DA nicht ernst genommen werden würden. Dabei sei es offensichtlich, dass die DA aus eigener Kraft den ANC langfristig nicht ablösen könne. Darüber hinaus spielen in der südafrikanischen Politik auch kulturelle Faktoren eine Rolle. Obwohl Maimane als Vorsitzender der DA eine deutlich größere Partei repräsentiere, müsse er aufgrund seines jungen Alters Parteiführern wie Holomisa oder dem Vorsitzenden der Inkatha Freedom Party (IFP, traditionalistisch, konservativ), Prince Mangosuthu Buthelezi, Respekt vor dem Alter zeigen, so ein Abgeordneter der IFP. Das persönliche Miteinander, geprägt durch kulturelle Befindlichkeiten, spiele eine enorm wichtige Rolle und sei womöglich entscheidender für den Erfolg von Koalitionen als ideologische Gemeinsamkeiten.



Unsicherheitsfaktor EFF

Nachdem die DA-geführten Koalitionen in der Kleinstadt Mogale City (Magaliesburg) und nun in Nelson Mandela Bay zerbrochen sind, könnte es als nächstes das fragile Bündnis zwischen der DA und EFF in der Hauptstadtgemeinde Tshwane (Pretoria) treffen. Am 30. August beantragte sowohl Koalitionspartner EFF als auch der ANC im Stadtparlament ein Misstrauensvotum gegen DA-Bürgermeister Solly Msimanga. Da der EFF-Antrag keine schriftliche Begründung enthielt, warum das das Misstrauensvotum umgehend abgehalten werden müsse, wurde dieser aufgrund von Formfehlern durch den Parlamentssprecher abgelehnt. Daraufhin verließ die EFF-Fraktion die Sitzung. In der Folge fehlten dem ANC die notwendigen ANC-Stimmen, um ihren Antrag auf Absetzung des Bürgermeisters durchsetzen zu können. Die Vorgehensweise der EFF dürfte kalkuliert gewesen sein: der Formfehler war simpler Natur und muss somit bewusst getätigt worden sein. Ebenso dürfte das Fernbleiben bei dem ANC-Misstrauensantrag Berechnung gewesen sein, denn hätten die EFF wirklich die Ablösung herbeiführen wollen, hätten sie dem folgenden Antrag des ANC zugestimmt. Vielmehr wollten die EFF dem Bürgermeister verdeutlichen, dass sie Zünglein an der Waage sind und somit darüber entscheiden, ob der ANC oder die DA den Bürgermeister in Tshwane stellen. Es war daher wenig verwunderlich, dass Msimanga in den darauffolgenden Tagen auf den Koalitionspartner EFF zuging und Zugeständnisse in der Frage über die Festanstellung von tausenden Sicherheitskräften in Pretoria machte. Die EFF verkauften das taktische Vorgehen medial als Erfolg und suchten den Eindruck zu verstärken, dass man selbst über die Regierungsgeschicke bestimmt, obwohl man der kleinere Koalitionspartner ist. Offenbar rechnet die Partei nicht damit, dass die machtpolitischen Spielchen und die Beliebigkeit in der Auswahl der Koalitionspartner durch die Wähler sanktioniert werden könnte.



Bricht die Koalition in Johannesburg?

Politische Beobachter erwarten bereits, dass die EFF auch die Koalition mit der DA in Johannesburg sogar noch vor den Wahlen 2019 aus taktischen Gründen aufkündigen könnten. Nach den Ereignissen in Mogale City, Nelson Mandela Bay und Tshwane scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass die EFF wenige Monate vor den Parlaments- und Provinzwahlen zeigen möchten, wer die Königsmacher für künftige Koalitionen sind. Nicht politisches Gestalten ist das Ziel der EFF, sondern die Oberhand im machtpolitischen Spiel. Sowohl in Mogale City als auch in Nelson Mandela Bay war es für die EFF einfach, den Bürgermeister auszubooten: In beiden Städten war dieser weiß. Als linksradikale Partei, die fortwährend gegen die weiße und die indisch-stämmige Minderheit agitiert, passt dies ins Bild. In Tshwane und Johannesburg stellt die DA jedoch zwei schwarze Bürgermeister, die zudem versuchen, ein freundschaftliches Verhältnis zu den EFF zu pflegen. Besonders in Johannesburg ist Bürgermeister Herman Mashaba, der sich über die Parteigrenzen hinweg großer Beliebtheit erfreut, bemüht, sich mit seinem Koalitionspartner EFF gut zu verständigen. Eine EFF-initiierte Absetzung Mashabas könnte durchaus unpopulär sein und negativ auf die Partei zurückfallen.


Für die EFF macht allerdings eine Positionierung zwischen DA und ANC machtpolitisch durchaus Sinn. Sie könnten sowohl mit dem ANC als auch mit der DA Koalitionen bilden. Auch wenn laut Umfragen der ANC bei den Parlamentswahlen 2019 mit absoluter Mehrheit für sich entscheiden und somit den Präsidenten stellen kann, ist die Lage auf Provinzebene nicht so eindeutig. Vor allem in der wichtigsten Provinz des Landes Gauteng und dem bevölkerungsreichen KwaZulu-Natal kann der ANC drastisch an Wählerstimmen und womöglich die Mehrheit verlieren.



Unreifes Verständnis von Partnerschaft

Für die politische Zukunft Südafrikas verheißt es nichts Gutes, wenn das Schicksal des Landes von einer linkspopulistischen und machtopportunistischen Partei wie den Economic Freedom Fighters abhängt. Parteivorsitzender Julius Malema und andere EFF-Führer schrecken nicht vor einer gewaltverherrlichenden Sprache, dem gezielten Tabubruch und rassistischer Hetze gegen Minderheiten zurück. Das Kalkül, durch Radikalität eine überproportionale Aufmerksamkeit der Medien zu erreichen, geht jedoch bisweilen auf.


Ivor Sarakinsky und Ebrahim Fakir von der School of Governance der Witwatersrand University gehen mit der Partei hart ins Gericht: Ohne erkennbare Strategie und mit einem ideologischen Mischmasch hüpfe man von Disput zu Disput und biete unausgereifte und rhetorische Forderungen an, anstelle von echten Politikvorschlägen. Pauschale Anschuldigungen gegen Minderheiten führen zu Polarisierung und Hass in der Gesellschaft. „Das Verständnis von Partnerschaft auf lokaler Ebene bezeichnet die politische Promiskuität und das nackte Verlangen und die individuellen Vorzüge der Macht und des Einflusses“, so die beiden Analysten über die Koalitionsfähigkeit der EFF. Doch auch anderen Parteien werden von Sarakinsky und Fakir scharf kritisiert. Die DA verliere an inhaltlicher Tiefe bei dem Versuch, Wählerlager mit unterschiedlichen Auffassungen anzusprechen. Zudem sei man inkohärent, wenn man Parteimitglieder bei dem geringsten Fehlverhalten ausschließe, jedoch bei oberen Parteiführern andere Maßstäbe anlege oder diese gar protegiere. Die Koalitionsfähigkeit sei ebenso wenig ausgeprägt, da die DA versuche, kleinere Partner zu sehr zu dominieren.



Innere Zerrissenheit der Parteien erhöht Fragilität

Angesichts der zahlreichen Korruptionsvorfälle und den Erkenntnissen aus den Skandalen der so genannten „State Capture“, die ein Netzwerk von Korruption und Veruntreuung in Milliardenhöhe innerhalb der Partei und unter der Führung des Ex-Präsidenten Jacob Zuma offenbarten, werfen Sarakinksy und Fakir dem ANC moralischen Verfall vor. Die Partei habe in Sachen Korruption nicht ein einziges Mitglied zur Rechenschaft gezogen und übernimmt ebenso wenig die Verantwortung für ein „Vierteljahrhundert Policy-Schwäche und Staatsversagen“.


Der harte Rundumschlag an dem Zustand südafrikanischer Parteien durch die beiden Wits-Dozenten hat seine Berechtigung. Neben der mangelnden Koalitionsfähigkeit kämpfen die meisten Parteien mit internen Grabenkämpfen: Als Cyril Ramaphosa im Dezember 2017 Jacob Zuma an der Spitze des ANC und kurze Zeit später als Staatspräsident ablöste erhoffte man sich eine rasche Erneuerung der Partei. Diese blieb bisher aus, weil die Partei weiterhin zwischen den (al

s korrupt geltenden) Zuma-Anhängern und den Befürwortern Ramaphosas gespalten ist. Besonders in den Provinzverbänden der Partei hängt der Haussegen schief und könnte dem ANC bei den Wahlen 2019 deutlich schaden.


Ein ähnliches Bild zeigt sich in der DA. Der Ausschluss der Kapstädter Bürgermeisterin De Lille, die eine Vertreterin der Coloured-Minderheit ist und seinerzeit im Zuge eines Zusammenschluss der DA mit den Independent Democrats der Partei beitrat, legte die Fraktionierung der Partei offen. Nicht nur die Anhänger De Lilles, sondern auch zwischen den weißen Parteigrößen aus der Westkapprovinz und den schwarzen Newcomern – allen voran dem Parteivorsitzenden Musi Maimane – herrscht Einigkeit über den Kurs der Partei. Möchte die Partei ihre Wählerbasis ausweiten, muss sie sich unweigerlich der jungen, urbanen, schwarzen Wählerschicht öffnen. Sowohl demographisch als auch ideologisch würde sich die DA dadurch stärker verändern. Mit dieser Öffnung hadern vor allem konservative weiße Politiker in der Partei. Die Grabenkämpfe in der Partei befeuern wiederkehrende Gerüchte um eine Spaltung der Partei, auch wenn dies vor den Wahlen als illusorisch gelten darf. Langfristig fehlt der DA-jedoch ein zuverlässiger, ideologisch passender Koalitionspartner, der schwarze Wähler der Mittelschicht anspricht. Die Kleinstparteien sind unprofessionell oder eine „One-Man-Show“ und die EFF sind unzuverlässig und linksradikal.


Auch innerhalb der Economic Freedom Fighters gibt es mit dem Vorsitzenden Malema wegen seines autoritären Führungsstils Unzufriedenheit. Dem militärisch anmutenden Parteiaufbau entsprechend nennt sich Malema „Commander-in-Chief“. Unter den Abgeordneten und anderen Amtsträgern der Partei herrscht eine große Rotation. Viele geben entnervt auf und verlassen die Partei.


Kleinere Parteien haben vor allem mit ihren Parteivorsitzenden ihre Schwierigkeiten. Bantu Holomisa führt die UDM ebenso patriarchisch wie Mangosutho Buthelezi die IFP oder Mosiuoa „Terror“ Lekota den Congress of the People (COPE). Obwohl die Politiker wichtige, national bekannte Persönlichkeiten sind und durch ihren Bekanntheitsgrad den Parteien zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, verhindern sie eine Erneuerung ihrer Parteien. Besonders junge Wähler können mit den Parteien wenig anfangen.



Parteien entfernen sich von den Wählern

Innere Zerrissenheit und politisches Taktieren der Parteien absorbieren Zeit und verhindern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Während der ANC mit sich selbst beschäftigt ist, rutscht das Land immer tiefer in die wirtschaftliche Rezession und soziale Schieflage. Doch auch die Oppositionsparteien vermögen es nicht, ihre Rolle sinnvoll auszuführen, sondern verlieren sich in politischem Geplänkel untereinander. Die fragilen Koalitionsbündnisse sind Zeugnisse dessen.


Die Bürger, die wegen der bisherigen Dominanz des ANC nicht an Koalitionsregierungen gewöhnt sind, reagieren mit Unverständnis und Enthaltung. Klare Wählertrends lassen sich nicht erkennen. Gleichwohl belegen Umfragen regelmäßig, dass wichtige Themen wie Kriminalitätsbekämpfung, Arbeitslosigkeit und sozialer Wohnungsbau nicht von den Parteien aufgegriffen werden. Auch zu dem heiklen Thema Migration und Xenophobie äußern sich nur wenige Politiker. Den Wählern zeichnet sich so ein Bild von politischen Parteien, die sich von den Sorgen der Bürger weit entfernt haben und sich stattdessen um Ämterverteilung und individuelle Vorteile kümmern.


Es bleibt zu hoffen, dass die politischen Verhältnisse nach den Wahlen dahingehend geordnet werden können, dass eine Stabilisierung eintritt. Dass dies gelingt darf jedoch bezweifelt werden. Bisher konnte der ANC als ehemalige Befreiungsorganisation aus der Dankbarkeit der Wähler über die gewonnene Freiheit politisches Kapital schlagen. Je länger das Ende der Apartheid jedoch zurückliegt, umso weniger fühlen sich die Wähler dem ANC verbunden. Bereits jetzt stellen die Wähler der sogenannten „Generation Born Free“ die Mehrheit. Überraschenderweise ist die Wahlbeteiligung dieser jungen Wähler jedoch sehr niedrig. Auch wenn der ANC nach wie vor beste Chancen hat, die Wahlen 2019 mit absoluter Mehrheit für sich zu entscheiden, so ist es ebenso wahrscheinlich, dass der historische Abwärtstrend andauern wird.



Fazit: Koalitionsregierungen können Wahlverhalten und Parteienlandschaft verändern

Koalitionsregierungen werden somit zum politischen Alltag Südafrikas gehören, wenn es die Wahlergebnisse erfordern. Es sollte daher prioritäre Aufgabe der Parteien sein, Mechanismen sowie eine politische Kultur und Reife zu entwickeln, die die Fähigkeit zur Bildung stabiler Koalitionen auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene ermöglichen. Das in Afrika vorherrschende Bild des Politikers als alles bestimmender „Big Man“ muss vielmehr einem Typ Politiker weichen, der Brücken bauen und Kompromisse schließen kann. Andernfalls wird Instabilität und politisches Chaos Merkmal südafrikanischer Politik werden.


Wichtig ist, dass die südafrikanischen Wähler sich stärker darüber bewusst werden, dass sie Parteilisten und keine Direktkandidaten wählen. Der Staatspräsident, die Provinzgouverneure und die Bürgermeister werden durch die Parteien in den entsprechenden Legislativorganen bestimmt. Mit der Stimmabgabe können die Wähler daher Einfluss über die politische Zusammensetzung der Koalition ausüben und somit auch darüber, welcher Spitzenkandidat in die Exekutive gelangt. Für die junge südafrikanische Demokratie ist dies eine neue Erfahrung, da die dichotomische Aufteilung der Macht nach dem Motto „ANC vs. Anti-ANC“ bisher Maß aller Dinge war und auch das Wählerverhalten beeinflusst. Die Parteien werden viel stärker berücksichtigen müssen, welcher ihrer Spitzenkandidaten auch koalitionsfähig ist. Wahlchancen von Kandidaten werden davon abhängen, ob sie überparteilich akzeptiert werden und sich nicht nur mehrheitlich innerhalb ihrer Partei durchsetzen. Sollte es den Parteien und den Wählern gelingen, nach dem Ende der Dominanz des ANC ein richtiges Verständnis von Koalitionsregierungen zu entwickeln, könnten Südafrikas Institutionen besser funktionieren. Nicht zuletzt die parlamentarische Kontrolle über die Exekutive könnte sich verbessern - ganz im Sinne der Verfassungsväter und -mütter.

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Henning Suhr

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