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Botschaften demokratischer Ideale

Interview des KAS-Repräsentanten mit aktuell THAILAND

Der Interview wurde in "aktuell Thailand" (einem deutschsprachigen monatlichen Wirtschaftsmagazin in Thailand) Ausgabe 2/2006, Seite 17 - 19 veröffentlicht.

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Botschaften demokratischer Ideale

Gespräch mit Dr. Lars Peter Schmidt und Hubertus von Welck

Konrad Adenauer, Friedrich Naumann, Friedrich Ebert, Heinrich Böll, Hanns Seidel. Wieviele Deutsche kennen diese Männer und was verbindet sie? Nun, alle fünf sind nicht nur herausragende geschichtliche Gestalten, ihr Werk wird heute von den sogenannten "Politischen Stiftungen" fortgeführt.

Unsere Leser, zumeist Vertreter der Geschäftswelt, mögen sich fragen, was die renommierten Herren beziehungsweise die Stiftungen in einem Wirtschaftsmagazin zu suchen haben. Otto Graf Lambsdorf würde schon bei dieser Frage aus der Haut fahren: Der durchaus kontroverse, aber unermüdliche Wirtschaftsfachmann tourt auch heute noch durch die Welt, um die Botschaft von den Vorteilen der Marktwirtschaft an die Eliten aufstrebender Länder zu bringen - auch inAsien.

Wenn er vor den Zuhörern einer Vortragsveranstaltung in Bangkok zum Thema: Die gegenwärtigen politischen Herausforderungen für das Wirtschafiswachstum in Asien sagt, "60 Million subventionierte Landwirte reicher Staaten gefährden den Lebensunterhalt von mehr als Milliarde Bauern im Süden", hört man ihm zu. Und daß in der ehemaligen "Dritten Welt", die langsam zur Ersten heranwachst, zugehört wird, konnte man kürzlich in Hongkong anläßlich der Welthandelskonferenz nachvollziehen.

Die deutschen Politischen Stiftungen - von denen wir hier zwei vorstellen - haben in Prinzip eines gemeinsam: Sie wollen abseits häufig bürgerfremder Tagespolitik aber auch abseits staatlicher oder geschliffener diplomatischer Aktivitäten den Menschen und Bürgern helfen, Politik und demokratische Spielregeln zu verstehen und auch umzusetzen. Erfreulich dabei ist, daß alle diese Initiativen zwar in Deutschland begannen, heute aber alle Stiftungen international operieren.

In Bangkok sprach Aktuell mit Dr. Lars Peter Schmidt, Repräsentant der Konrad Adenauer Stiftung (KAS), und mit Hubertus von Welck, Regionaldirektor der Friedrich Naumann Stiftung (FNSt) für Ost- und Südostasien. Beide sind erst seit wenigen Monaten im Land, doch sie sind alte Hasen im "Stiftungsgeschäft".

Wenn zum Jahresschluß 2005 der Präsident des obersten Verwaltungsgerichtes von Thailand, Ackaratorn Chularat, als "Persönlichkeit des Jahres" geehrt wurde, ist dies nicht nur ein Ereignis mit hoher Symbolkraft für ein Land, das sich als junge Demokratie erst noch stabilisieren und selbstfinden muß, sondern auch ein Erfolgsbarometer für Dr. Schmidt von der KAS. Die Förderung demokratischer Institutionen ist für die Stiftung ein langjähriges Arbeitsgebiet, und Thailand hat in einigen Bereichen Modellcharakter.

Die KAS blickt auf eine über fünzigjährige Geschichte zurück. Eine Gruppe von CDU-Politikern machte sich kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Gedanken, wie das auch politisch zerstörte Deutschland durch staatsbürgerliche Bildungsarbeit im Geist einer christlich-demokratischen Werteordnung stabilisiert und aufgebaut werden kann. 1955 wurde die "Gesellschaft für christlich-demokratische Bildungsarbeit e.V." in Bonn gegründet. Auf Schloss Eichholz südlich von Köln wurde sie dann als "Politische Akademie Eichholz e. V." etabliert. Bald dehnten sich Kontakte auf das Ausland aus: Zuerst ging es um aktuelle Themen wie die europäische Einigungspolitik, doch bald wurde eine Reihe internationaler Vorhaben auf andere Kontinente übertragen, einschließlich der "Dritten Welt". Internationale Hochschulseminare wurden veranstaltet und waren so erfolgreich, daß es schon 1962 zur Gründung des "Instituts für Internationale Solidarität der Konrad-Adenauer-Stiftung" (IIS) kam.

Wie weitsichtig die damaligen Politiker handelten, zeigt die Tatsache, daß 1962 das Jahr der "Kubakrise" war, denn heute ist vielfach in Vergessenheit geraten, daß die Welt damals am Rand eines Atomkrieges stand. Partnerschaften mit Parteien, Bildungsinstitutionen, Kommunaleinrichtungen, Gewerkschaften und Genossenschaften in vielen Ländern sind bis heute der Kern des Engagements geblieben. Der heiklen Frage nach der Position aller politischer Stiftungen hat sich das Bundesverfassungsgericht 1966 und 1986 stellen müssen. Nach einer Organklage der Grünen, die forderten, den Stiftungen keine öffentliche Mittel für politische Bildungsarbeit zu vergeben, wurde diese abgeschmettert und die Stiftungen höchstrichterlich als parteinah, aber von den Parteien als rechtlich, personell und organisatorisch unabhängige Einrichtungen anerkannt.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat die KAS ihr Arbeitsgebiet ständig vertieft und verbreitert - sowohl fachlich wie auch regional. In vielen Ländern wurden Außenstellen eröffnet, allen voran in Paris, London und Brüssel. Neue Schlüsselbereiche der modernen Gesellschaft werden erschlossen - wie die journalistische Nachwuchsförderung, um der Ideologisierung der Medien durch eine Qualifizierung von angehenden Journalisten entgegenzuwirken. Ab 2002 hat die Stiftung eine eigene Journalisten-Akademie in klarer Erkenntnis der Bedeutung heutiger Medien. Mit dem Ende des Kalten Krieges wiederum hat auch die KAS sich intensiv um politische Bildungsarbeit in den Neuen Bundesländern gekümmert. Doch schon die Eröffuung der ersten Außenstelle in Mittel- und Osteuropa einen Tag nach dem Mauerfall in Warschau, später in Budapest, Moskau und St. Petersburg zeigt nicht nur, daß die Stiftung nicht nur ein bei Politikern selten bekanntes Tempo vorlegt, sondern auch klar auf Globalisierung gesetzt hat.

Gerade die Tatsache, daß die deutschen Politischen Stiftungen weniger öffentlich und weitgehend unabhängig operieren, sollte nicht dazu verleiten, ihre Bedeutung zu unterschätzen. Schon 1990 legte die KAS ein Gesamtkonzept für die politische Bildung in der DDR vor - unter besonderer Berücksichtigung der Ausbildung und Beratung im Bereich der Kommunalpolitik, der Schulen und Hochschulen sowie der Begabtenförderung. 15 Jahre später ist Angela Merkel erste Kanzlerin der Bundesrepublik. Natürlich gibt es keinen direkten Zusammenhang, aber als Indiz für die Richtigkeit der Stiftungsarbeit kann es durchaus gelten. Und noch ein Hinweis an unsere Leser: 1996, als viele Unternehmer noch mit sich rangen, ob man in ein unsicheres Land wie China investieren soll, eröffnete die KAS bereits ihr Büro in Peking - von exotischen Plätzen wie Ramallah, Kiev, Taschkent, der Mongolai, aber auch Vietnam, Kambodscha, den Baltischen Staaten und anderen abgesehen.

Wenn auch die KAS mit Adenauer als Namensgeber den höchsten Bekanntheitsgrad haben mag, "kleinere" Stiftungen wie die Friedrich Naumann Stiftung (FNSt) sind inzwischen weltweit aktiv und erfolgreich. Nicht ohne Stolz weist deren Vertreter mit Sitz in Bangkok, Hubertus von Welck, daraufhin, daß der Vorläufer seiner Stiftung schon Generationen früher die "Bildungslücke" erkannt hatte. Der Namensgeber Friedrich Naumann erkannte schon vor der Jahrhundertwende, daß nur politisch gebildete Menschen, die sich ihrer Rechte und Verantwortung als Staatsbürger bewußt sind, ein demokratisches System aufbauen und erhalten können. Anders als bei der KAS wurde diese Idee in den Zwischenkriegsjahren von deutschen Industrieunternehmen wie der Bosch AG aufgegriffen und gefördert. Auch hier ein früher Hinweis, daß Politik, Wirtschaft und Demokratie gemeinsam und konstruktiv operieren können.

Vielleicht ist auch diese erste Verbindung der FNSt mit der Wirtschaft der Grund für deren heutiges Engagement für die weltweite Anerkennung liberaler Prinzipien. Vereinfacht gesagt, vertritt die FNSt eine liberale Ethik, während die KAS eine christliche Ethik propagiert - und erstaunlicherweise oder glucklicherweise sind Vorgehen, Aktivitäten und Ergebnisse vergleichsweise ähnlich. Das heißt, die Ziele sind ähnlich, die Schwerpunkte unterschiedlich. Wenn Hubertus von Weick darauf hinweist, daß auch die Amerikaner politische Bildungsarbeit leisten (aber zumeist mittels kurzfristiger und massiver Projekte, im Gegensatz zu den deutschen Stiftungen, die mit bescheidenen Mitteln vor allem nachhaltig und langfristig operieren), stimmt sein Kollege von der KAS uneingeschränkt zu; Doch auch die Stiftungen der SPD beziehungsweise der CSU würden es kaum anders formulieren - deutsche Gründlichkeit aus Überzeugung.

Der Namensgeber der FNSt war ein Spiegelbild seiner Zeit; Der Pastor wechselte 1897 von der Kanzel zum Rednerpult des Politikers, wurde Parteigründer und schließlich Sozialreformer. Er schrieb 1894: "Gott will den technischen Fortschritt, er will die Maschine", aber er sah auch das unaufhaltsame Fortschreiten des Maschinenzeitalters. Und die Gefahr, daß nicht nur die Industrie, sondern auch der Staat mit allen seinen Institutionen den Menschen zum Rädchen und Schräubchen im Getriebe degradierte - kein Manchester-Kapitalismus, sondern ein verantwortlicher, sozialer Liberalismus war seine Botschaft. So wundert es nicht, daß der Christdemokrat und Bundespräsident Roman Herzog die Festrede zum 40. Gründungstag der Stiftung hielt.

Heute arbeitet auch die FNSt auf allen Kontinenten, außer - wie auch die KAS – in Australien und Neuseeland, und ebenso wie diese gibt es kaum einen "schwierigen Platz" auf der Erde, an dem die FNSt nicht engagiert ist. Für unsere Leser in Asien eher die Qual der Wahl: ob es um das Gespräch mit dem Dalai Lama geht, der Förderung von Basisverwaltungen im ländlichen Pakistan oder die Unterstützung eines Dialogs zwischen den Streitparteien im Kashmir-Konflikt, die Stiftung ist dabei. Weiter östlich engagiert man sich im gesamten ASEAN-Bereich mit Projekten zur Verbesserung von Menschenrechten oder der Stärkung von Parlamenten und politischen Parteien. In Kambodscha bildet man Landwirte bei der sinnvollen Nutzung von Wasserreserven aus, aus Nordkorea wiederum lud man Wirtschafts- und Finanzfachleute ein, um sich in Deutschland über das Funktionieren einer etablierten Marktwirtschaft zu informieren. Verehrte Leser, lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Nordkorea! Kein Tippfehler, sondern ein diskreter Hinweis, daß politische Stiftungen "normalen" Politikern und Diplomaten um Lichtjahre voraus sind, wenn es urn langfristige Trends geht.

Daß dies alles nicht ganz ohne Risiko läuft und von Politikern und Diplomaten mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen wird, bestätigt auch der Statthalter der KAS in Bangkok. "Wir sind hier in einer ganzen Reihe konkreter Beratungsmaßnahmen engagiert", drückt sich Dr. Schmidt bescheiden aus. Doch hinter der Diplomatensprache steckt massive "Hardware": Wer das lächelnde Königreich mit den schneeweißen Stränden näher kennt, erinnert sich, daß erst vor einigen Wochen ein führender General lapidar meinte, es werde derzeit keinen Staatsstreich geben. Doch Thailand hat so viele Staatstreiche hinter sich, daß man versteht, warum ein Mann wie Ackaratom Chularat fast Heldenstatus innehat - und eine Stifumg mit dem Namen Konrad Adenauers noch eine Menge Arbeit hinter und vor sich. Als am 3. August 200l die 15 obersten Richter des thailändischen Verfassungsgerichtes prüften, ob der Premierminister des Landes private Vermögenswerte verschleiert hatte, stand die junge Demokratie vor einer schweren Zerreißprobe. Kein Wunder also, daß ein Mann wie der ehemalige deutsche Verfassungsrichter, Prof. Dr. Ernst Benda, bei seinen Vorträgen für die Kollegen in Bangkok nicht nur aufmerksames Gehör findet, sondern auch der KAS für die Organisation solcher in Deutschland inzwischen unbekannter Höhepunkte dankbar ist.

Obwohl nur die Geschichtsbücher irgendwann den tatsachlichen Einfluß solcher Aktivitäten auf die Politik und die Situation eines Landes beurteilen können, schon heute steht fest, daß die Politischen Stiftungen etwas leisten, was Politiker nicht können und Botschafter nicht dürfen. Wo sich die KAS sonst noch in Thailand "einmischt"? Beispielsweise beim Sekretariat des "House of Representatives", der Verwaltung des Parlaments, die mit uber 1000 Mitarbeitern von der deutschen Stiftung vor allem organisatiorisch unterstützt wird. Lars Peter Schmidt sagt ganz klar: "Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Basis beziehungsweise die Infrastruktur tragfähig ist". Ein weiteres langfristiges Projekt ist das Büro der "Kommission für den Öffentlichen Dienst". Wer das Thema aus Deutschland kennt, ahnt nur, was hier zu tun ist. Ähnliches gilt für Kabinetts-Sekretariat, das man organisatorisch unterstützt. Andere "Kunden" sind die "Population and Community Development Association" und das "Institute of Public Policy Studies".

Die Friedrich Naumann Stiftung hat ihre Arbeit in Thailand anfangs weniger "politisch" aufgezogen als die Kollegen der KAS. Es begann mit einem landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekt im nördlich gelegenen Chiang Mai 1975. Doch als 1986 das Büro der FNSt in Bangkok öffnete, wurde das Engagement sensibler. Der Schwerpunkt lag bei der Unterstützung thailändischer Nicht-Regierungsorganisationen, zuerst erneut im Bereich Landwirtschaft, doch seit 1994 ist man tiefer eingestiegen: Nun geht es um die Förderung der Zivilgesellschaft im urbanen Umfeld. Kein unsensibles Gebiet, denn die Beteiligung dieser Gruppen an politischen Prozessen ist in Thailand - wie in anderen Ländern Asiens - ein heißes Eisen. Für Hubertus von Welk, der nicht nur Thailand, sondern die ganze Sub-Region betreut, eine echte Herausforderung, die er jedoch - wie sein Kollege - als faszinierend empfindet.

Auch wenn der Schwerpunkt der "Naumänner" bei der Vermittlung von liberalen Wirtschaftswerten liegt, in Thailand ist man auch politisch kreativ: ein Programm für ausgeschiedene Militärs mit dem Titel "The Alternative Future" vermittelt sinnvolle Berufsbildung für die aktiven Herren - ohne Waffen. Aber auch für die Jugend hat man Ideen: Thailändische Jungwähler werden durch Computersimulationen nicht nur ausgebildet, sondern können am "Wahlomat" spielerisch demokratische Motivation erhalten.

Wer sich für die vorgestellten Politischen Stiftungen informieren möchte, findet gut gemachte Webseiten unter www.kas.de und www.fnst.org.

Von Horst Rudolf in Bangkok.

Der Autor ist Diplom-Volkswirt und arbeitet als Wirtschaftsberater in Südostasien. Als deutscher Diplomat war er unter anderem Botschafter in Afrika.

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