„Wir haben diese Freiheit nicht geschenkt bekommen“ - Auslandsbüro Tschechische Republik
Veranstaltungsberichte
Ein Ort europäischer Geschichte
Im Palais Lobkowicz ist der Geist der Geschichte noch deutlich zu spüren. Am 30. September 1989 sprach der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu den fast 4.000 Flüchtlingen aus der DDR, die in der Deutschen Botschaft Zuflucht gesucht hatten. Bis heute unvergessen sind seine Worte, die vom unbändigen Jubel der Menschen, denen die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland nun erstmals möglich wurde, unterbrochen wurden. An diesem Ort wurde wahrlich Geschichte geschrieben, sagte auch der Deutsche Botschafter in Prag, Dr. Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven: „Nicht nur deutsche, sondern auch deutsch-tschechische und europäische Geschichte wurde geschrieben“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung habe die Transformation Tschechiens nach der Samtenen Revolution im Jahr 1989 und die Heranführung des Landes an die Europäische Union maßgeblich begleitet. „Die Arbeit der Stiftung ist ein nicht wegzudenkender Teil deutsch-tschechischer Geschichte“, so der Botschafter in seiner Begrüßungsansprache.
„Demokratie ist kein Selbstläufer“
„Ein Dialog auf Augenhöhe“, so beschreibt Matthias Barner, der seit September das Auslandsbüro in Prag leitet, die Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung mit den zahlreichen Partnerorganisationen und -parteien vor Ort. Die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung will neben ihrem Grundauftrag - der Förderung von freiheitlicher Demokratie, rechtsstaatlicher Grundsätze und Sozialer Marktwirtschaft - vor allem die Menschen in der Tschechischen Republik dazu ermutigen, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren. „Liberale Demokratie und europäische Integration sind kein Selbstläufer“, so Barner. Vielmehr müsse Demokratie immer wieder aufs Neue gefestigt und verteidigt werden. Dr. Pavel Bělobrádek, stellvertretender Ministerpräsident der Tschechischen Republik und Vorsitzender der christdemokratischen KDU-CSL lobte die enge Zusammenarbeit seiner Partei mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch er mahnte: „Jede Generation muss sich Demokratie neu erkämpfen“. Nicht nur die Gesellschaft, auch die Politik sei gefordert: „Wir müssen unsere Grundwerte verständlicher kommunizieren“, so der tschechische Politiker.
Keine Selbstverständlichkeit
Für Christian Wulff, von 2010 bis 2012 Bundespräsident der Republik Deutschland, ist es nicht der erste Besuch in der Tschechischen Republik. Der leidenschaftliche Skoda-Fahrer Wulff lobte nicht nur die „atemberaubende Entwicklung“ Tschechiens im Bereich der Wirtschaft,sondern ebenso die Weltoffenheit des Landes. Aber auch wenn seit der Samtenen Revolution in der damaligen Tschechoslowakei vor 27 Jahren sehr viel erreicht worden sei, beunruhigen ihn eine zunehmende antieuropäische Stimmung und vermehrt kritische Stimmen in Richtung Brüssel. „Wir müssen uns häufiger daran erinnern, was wir erreicht haben“, so Wulff. Die Errungenschaften der letzten Jahre und der hohe Lebensstandard in Europa seien keineswegs selbstverständlich, so der ehemalige Bundespräsident. Extremismus am linken und rechten Rand des politischen Spektrums, globaler Terrorismus und populistische Hetze in den sozialen Netzwerken geben Anlass zu großer Sorge: „Das demokratische Erfolgsmodell ist von innen und außen bedroht“, stellte Christian Wulff in seiner leidenschaftlichen Rede fest. Der ehemalige Bundespräsident, der sich seit Jahren für ein friedliches Miteinander der Religionen einsetzt, fordert eine klare Haltung gegenüber den Feinden unserer demokratischen Grundordnung, mehr Engagement bei der Verteidigung unserer Werte sowie die Bereitschaft zum Dialog zwischen den Kulturen. Wie schnell sich die Demokratie verflüchtigen kann, zeige sich aktuell am Beispiel der Türkei. „Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass Demokratie bleibt“, sagt Wulff. Demokratie und Frieden gäbe es nicht zum Nulltarif.