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Veranstaltungsberichte

Kerneuropa oder Peripherie?

von Matthias Barner

Europäischer Tag an der Wirtschaftsuniversität Prag

Auch in diesem Jahr und damit bereits zum zehnten Mal fand der „Europäische Tag“ an der Wirtschaftsuniversität in Prag statt. Die internationale Konferenz wird gemeinsam vom Zentrum für Europäische Studien (CES) der Prager Wirtschaftsuniversität und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) organisiert. Im Mittelpunkt standen die Zukunft der EU und die derzeit viel diskutierten Reformbemühungen.

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In drei Panels stellten Experten aus Deutschland, Frankreich und allen vier mittelosteuropäischen Ländern ihre Sichtweisen und auch die jeweiligen nationalen Perspektiven dar. Einig waren sich alle, dass man die EU mit ihren vielen Institutionen und teils unübersichtlichen Entscheidungsverfahren wieder näher an die Menschen heranbringen müsse. Doch soll das mit mehr oder weniger Integration vollzogen werden? Möchte man zum „Kerneuropa“ gehören oder an der Peripherie verbleiben? Vor allem die Lage der vier Länder Mittelosteuropas wurde lebhaft diskutiert. Einhellig wurde betont, in Zukunft die eigenen Interessen innerhalb der EU besser zu vertreten, doch es zeigten sich auch Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den sogenannten Visegrad-Staaten. An der Konferenz und der anschließenden Diskussion nahmen zahlreiche Studierende, Wissenschaftler und diplomatische Vertreter teil.

Auch kleine Staaten können großen Einfluss haben

Zu Beginn stellte Jan Král, der europapolitische Chefkoordinator im tschechischen Regierungsamt, die Prognosen für die Zukunft der EU aus tschechischer Perspektive dar. Er betonte, dass die Tschechische Republik durchaus Einfluss in der EU habe und diesen auch wahrnehmen sollte. Dabei müssten die Bürger stärker mit einbezogen werden. Freiheit, Sicherheit, Verständlichkeit für den Bürger sowie die Steigerung der Attraktivität der EU seien die elementaren Ziele tschechischer Europapolitik. Král machte zudem deutlich, dass es in der EU mehrere Kerne gäbe und dass man Tschechien nicht einem Kern zuordnen kann. Hinsichtlich der anstehenden EU-reform müsse Tschechien die Entscheidungen anderer Staaten abwarten, bevor es einen eigenen Standpunkt vertrete.

Olaf Wientzek, Koordinator für Europapolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, betonte, dass auch kleinere oder mittelgroße Staaten großen Einfluss auf die EU haben können. Gleichzeitig sei es sicherlich nicht einfach, eigene Interessen gegen eine deutsch-französische Allianz durchzusetzen. In Deutschland gäbe es eine starke proeuropäische Bewegung innerhalb der Parteien. Auch der kürzlich unterschriebene Koalitionsvertrag der drei Regierungsparteien sei deutlich zu Gunsten der EU ausgelegt. Die Prioritäten deutscher Europapolitik beschrieb Wientzeck wie folgt: Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der EU müssten gestärkt werden, ebenso die Solidarität innerhalb der EU. Der solidarische Grundgedanke beziehe sich aber nicht nur auf das Thema Migration, sondern auch insgesamt auf europäische Grundwerte und zum Beispiel soziale Aspekte. Weitere Prioritäten Deutschlands sei das Prinzip Subsidiarität und sowie die Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Auch Reform der Eurozone sowie eine stärkere Einbeziehung der EU-Bürger stehen oben auf der deutschen EU-Agenda.

Die französische Sicht stellte der Analytiker des „European Policy Centre“ in Brüssel, Yann-Sven Rittelmayer, dar. Dabei legte er den Fokus auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der durch seine ambitionierten Ideen der EU eine neue Dynamik verliehen habe. Er habe seine Ideen deshalb so klar deutlich gemacht, um seine eigene Position zu festigen und auch Druck auf andere europäische Staaten aufzubauen. Ziel sei es, so Rittelmayer, eine neue Souveränität zu etablieren. Allerdings müssen die französischen Pläne für die EU mit Berlin und Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt werden, was Kompromisse in vielen Bereichen nötig mache. Es wird sich zeigen, inwieweit Deutschland bereit ist, sich auf die Reformideen Macrons einzulassen. Laut Rittelmayer müsse die EU demnach auch zwingend reformiert werden, um Probleme wie den Anstieg des Populismus und die anhaltende Debatte um das Thema Migration zu meistern.

Die Rolle der Visgerad-Staaten

Das zweite Panel behandelte das Thema „Mitteleuropa in der EU – mehr Koordination oder Konfrontation?“ und befasste sich mit der Rolle der Visegrad-Staaten innerhalb der EU. Tomáš Strážay, leitender wissenschaftliche Mitarbeiter der Slowakischen Gesellschaft für Außenpolitik, stellte die Wichtigkeit der Visegrad-Staaten aus Sicht der Slowakei dar, da sie für das Land wirtschaftlich und politisch von großer Bedeutung sei. Die Slowakei wolle sich aber in Zukunft auch unabhängig von den V4-Staaten für ein starkes Europa, mehr Sicherheit und gute Lösungen einsetzen.

Ágnes Vass, zuständig für das EU-V4 Office im Antall Jószef Knowledge Zentrum in Budapest, betonte, dass regionale Kooperationen wie die V4 in der EU von großer Bedeutung seien. Ungarn versuche, seine Rolle innerhalb der EU, aber auch global neu zu definieren. Dabei verfolge es das Prinzip der Subsidiarität. Vass erläuterte, dass man derzeit vor allem Polen politisch sehr nahestehe und starke Nationalstaaten innerhalb der EU unterstützten wolle. Als dritter Redner in diesem Panel trat der Direktor des Forschungszentrums der Assoziation für internationale Angelegenheiten (AMO) in Prag, Vít Dostál, auf. Eine Alternative für die Zukunft Tschechiens innerhalb der V4-Staaten könnte eine Brückenfunktion zwischen den V4-Staaten und den anderen EU-Mitgliedern sein. Wobei das bisher schwierig sei, da das Land noch nicht bereit sei, seine unmissverständliche Haltung zur Migration zu ändern.

Tschechische Interessen nicht gegen, sondern innerhalb der EU verteidigen

Im abschließenden Panel ging es konkret darum, was Tschechien der EU bieten könne. Aleš Chmelař, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten des tschechischen Regierungsamtes, machte deutlich, dass das Land als Brücke zwischen Ost und West dienen könne und somit erheblichen Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der EU haben könne. Laut Marek Mora, Mitglied im Vorstand der Tschechischen Nationalbank, könne Tschechien der EU viel bieten, müsse jedoch in Zukunft offener für Kompromisse sein. Karolína Kottová, die Leiterin der politischen Abteilung in der Prager Repräsentanz der Europäischen Kommission, meinte, dass Tschechien selbstbewusster sein und die grundsätzliche Denkweise verändert werden müsse: Die tschechischen Interessen müssten innerhalb der EU verteidigt werden, nicht gegen die EU. Sich auf Kompromisse einzulassen, sei hierbei notwendig.

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Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

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