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MHP-Dissidentin Akşener gründet die „Gute Partei“ (iyi Parti)

von Sven-Joachim Irmer

AKP-Medien reagieren gelassen auf Parteineugründung

Am 25. Oktober hat die ehemalige Innenministerin Meral Akşener eine schon seit einigen Monaten geplante Partei gegründet. Akşener war von 2007 bis 2015 Abgeordnete für die ultranationalistische MHP, in der sie nach den Wahlen 2015 zu einer Gruppe von Dissidenten gehörte, die den Parteivorsitzenden Devlet Bahçeli stürzen wollten. Dieses Unterfangen scheiterte. Akşener hat daraufhin mit einigen dieser Dissidenten an einer Parteineugründung gearbeitet. Deshalb sind die prominentesten Vertreter der „Guten Partei“ auch mehrheitlich ehemalige MHP-Politiker.

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Die Partei verfügt durch Parteiüberläufer aus der MHP über fünf Abgeordnete im Parlament. Ziel ist es schnell die Fraktionsstärke von mindestens 20 Abgeordneten zu erreichen. Auch die potentiellen Wähler scheinen vorerst mehrheitlich enttäuschte MHP-Wähler zu sein. Das ist Segen und Fluch zugleich für die neue Partei, macht es aber potentiell schwierig, breitere Wählerschichten anzusprechen. Das Parteiprogramm ist dementsprechend enttäuschend. Wenig Neues, nichts für Kurden und Liberale. Die AK Partei kann sich fürs Erste entspannt zurücklehnen. Die MHP dagegen wird wohl aufgerieben.

Es gibt zentralere Orte in Ankara als das Nazim Hikmet Kongresszentrum im Stadtteil Yenimahalle. Auch ist es eher ungewöhnlich, dass eine konservativ-nationalistische Partei eine Veranstaltung an einem Ort begeht, der nach einem kommunistischen Dichter benannt ist. Geplant war das auch nicht so. Aber drei zentralere Hotels haben nach Zusage, die Reservierung wieder annulliert. Akşener machte dafür im Fernsehsender Fox, „Personen rund um die Regierung verantwortlich, die päpstlicher als der Papst sind.“

Osmanische Symbolik

Nachdem Akşener mit 15 Gründungsmitgliedern im Innenministerium die nötigen Unterlagen für die Partei hinterlegt hatte, wurde anschließend die Partei offiziell vorgestellt, deren Namen bis Mittwochvormittag nicht bekannt war. Die Partei heißt „iyi Parti“ (Gute Partei), aber großgeschrieben „IYI“ ist es in göktürkischen Runenschrift auch das Symbol des Hauses Osman, des Gründers des Osmanischen Reiches. Der Slogan der Partei ist „Türkiye iyi olacak“, die Türkei wird gut.

Zur Eröffnungsveranstaltung waren etwa 2.000 Personen gekommen, viele auch mit Bussen, die aus vielen Provinzen der Türkei, Anhänger nach Ankara transportiert hatten. Der Saal fasste nur maximal 500 Personen, der Rest folgte dem Geschehen auf den Gängen, im Foyer und draußen, wo überall auch Leinwände aufgebaut waren. Zu Beginn wurden die 200 Gründungsmitglieder einzeln vorgestellt mit einem Video: Foto, Name, Beruf. Applaus gab es nur bei den Wenigsten, was auch heißt, dass die Zuschauer die Meisten einfach nicht kannten. Auffallend war der starke Applaus bei den ex-MHP Politikern, vor allem bei Ümit Özdağ und Yusuf Halaçoğlu und bei dem ein oder anderen mit Militärhintergrund.

Prominente Gründungsmitglieder

Meral Akşener: Von 1995 bis 2002 war sie Abgeordnete für die Partei des Rechten Weges (DYP) und 1996/97 die erste und einzige Innenministerin der Türkei. 2007 kehrte sie für die nationalistische MHP ins Parlament zurück, für die sie bis 1. November 2015 im Parlament war, auch als stellvertretende Parlamentspräsidentin. Nachdem der MHP-Vorsitzende Bahçeli sie nicht mehr als Kandidatin aufgestellt hatte, bemühte sie sich um einen Kongress, bei dem sie um den Parteivorsitz kandidieren wollte. Mit Hilfe der Justiz und Polizei kam dieser Kongress nie zustande, im Herbst 2016 wurde sie aus der Partei ausgeschlossen.

Ümit Özdağ, unabhängiger Abgeordneter für Gaziantep. War 2015 für die MHP gewählt und sogar stellvertretender Vorsitzender. Wurde wie Akşener aus der Partei ausgeschlossen. Özdağs Vater Muzaffer war schon in den 1960er Jahren Abgeordneter der MHP. Ümit war in den 1970er Jahren in der damals offiziellen Jugendorganisation der MHP, den Ülkü Ocaklari (Idealistenvereine), aktiv. Özdağ studierte in München und war lange Zeit an verschiedenen Universitäten tätig.

Koray Aydın ist bereits 1976 in die MHP eingetreten. Von 1991 bis 1999 und von 2011 bis 2015 war er MHP-Abgeordneter. In den 1990er Jahren war er sowohl Generalsekretär als auch Minister für Straßenbau und Urbanisierung. 2012 war er Gegenkandidat Bahçelis für den MHP-Vorsitz, verlor aber die Wahl.

Nuri Okutan, ex-MHP Abgeordneter für Isparta. War über viele Jahre hoher Bürokrat und Gouverneur von Siirt, Sakarya, Trabzon und Urfa.

Ahat Andican, ehemaliger Staatsminister, 1995 für die ANAP (Mutterlandspartei) aus Istanbul ins Parlament gewählt. Von 1997-1999 war er für die Türkischen Gemeinschaften im Ausland zuständig und Regierungssprecher.

Ayfer Yılmaz wurde 1996 und 1999 für die DYP als Abgeordnete aus Mersin gewählt. Anschließend nicht mehr politisch aktiv, sondern arbeitete an mehreren Universitäten und Forschungszentren.

Ali Türkşen, ehemaliger Marine-Oberst. Bekannt wurde er 1996 als Kommandant der Sondereinheit, die den Ägäis-Felsen Kardak besetzte, um den sich die Türkei und Griechenland stritten. Türkşen wurde im Balyoz (Vorschlaghammer) Prozess zu 3,5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Elif Gökdemir ist das jüngste Gründungsmitglied. Die 1992 geborene Elif hat in Japan und Finnland studiert.

Selin Söütlügil ist eine Verwandte Atatürks und zwar die Tochter der Enkelin des Onkels Atatürks, Hayreddin Oytun Söğütlügil.

Ruhat Mengi, ehemalige Kolumnistin der Tageszeitung Vatan.

Suat Çağlayan, ehemaliger Minister für Kultur unter Bülent Ecevit für die links-nationalistische DSP.

Ayşe Sucu, Theologin und Kolumnistin bei der kemalistischen Tageszeitung Sözcü.

Aytun Çıray: bis zwei Tage vor der Parteigründung noch CHP Abgeordneter. Aber, Çıray ist keinesfalls sozialdemokratisch oder gar links, sondern hat eine Mitte-Rechts Vergangenheit. 1995 war er Kandidat für einen Abgeordnetenplatz für die DYP, von 2000 bis 2002 war er Berater von Mesut Yılmaz, dessen Partei ANAP er 2002 beitrat. 2007 ist er dann zur Demokrat Parti gewechselt und 2015 wurde er Kandidat für die CHP. Die Iyi Parti ist also seine 5. Parteizugehörigkeit. Er hat drei Bücher verfasst, darunter 2010 „Es gibt kein Kurdenproblem, sondern rassistischen Terror.“

Yusuf Halaçoğlu, ex-MHP Kayseri Abgeordneter, der auch zur Gruppe der Dissidenten gehörte. Halaçoğlu war zuvor Direktor der Türkischen Historischen Gesellschaft und in dieser Funktion einer der aktivsten Leugner des Genozids an den Armeniern. 2011 trat er der MHP bei und wurde im gleichen Jahr bereits gewählt und 2015 wiedergewählt.

Elmas Giragos, eine Armenierin aus Istanbul, die zuvor keinerlei politische Erfahrung hatte.

Durmuş Yılmaz, ehemaliger Präsident der Zentralbank. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Guten Partei für Wirtschaft.

Frau, jung, IYI Parti

48 der 200 Gründungsmitglieder sind Frauen, also 24%. Das ist für eine nationalistische Mitte-Rechts Partei sehr viel. Die Mehrheit der Frauen sind nicht verschleiert und jung, ohne parteipolitische Erfahrung. Die aktuelle MHP-Fraktion hat gerade einmal 8% Frauen und auch traditionell sehr wenige.

Das Logo der Partei ist eine 8-strahlige Sonne, die für „Hoffnung, Gerechtigkeit, Mut, Entschiedenheit, Information, Zivilisation, Zukunft und Reichtum“ stehen soll.

Bevor Akşener ihre Eröffnungsrede hielt, wurde in einer Schweigeminute, Atatürk gedacht und die Nationalhymne gesungen. Auffällig dabei war, wie viele der Anwesenden das Wolfszeichen mit der Hand machten, das Symbol der MHP (Graue Wölfe). Damit skizziert sich schon ein Hauptproblem für die neue Partei. Sie ist was die Infrastruktur, Wähler, Helfer, Sympathisanten anbetrifft, auf die unzufriedenen MHP’ler angewiesen. Um aber deutlich mehr als 10% zu erreichen (und damit die bei Wahlen geltende 10%-Hürde überspringen zu können) und die AKP herausfordern zu können, muss sie auch andere Wählergruppen ansprechen. Das ist ein Spagat, den sie bei den Gründern ganz gut hinbekommen hat, es gibt zwar Prominente MHP’ler, aber eben auch viele andere, vor allem Personen, die zuvor in überhaupt keiner Partei waren. Dieses Grundproblem zeigt sich auch bei der Programmatik. Akşener ist extrem vorsichtig, problematische Themen für die MHP-Anhängerschaft werden ausgeblendet. Im Parteiprogramm der Guten Partei stehen die Themen wie demokratische Werte, Rechtsstaatlichkeit, freie Presse, Frauenrechte und Zivilgesellschaft im Fokus. Auszug aus dem Parteiprogramm: „Wir werden die Freiheiten als Basis nehmen. Wir werden nicht zulassen, dass die Freiheiten durch administrative Mittel und Methoden eingeschränkt werden.“ So versucht die Gute Partei sich von der MHP zu differenzieren und große Gesellschaftsgruppen anzusprechen.

Autoritarismus von Türken abgelehnt

Zu Beginn machte sie einen historischen Abriss von der Zeit nach Atatürk bis in die 1990er Jahre, in der es immer mal wieder autoritäre Phasen gab, die aber nicht lange dauerten, „weil das Volk das nicht wolle“.

Über den Aufstieg der AKP meinte Akşener, dass sie 2002 gewählt wurde, weil die Leute genug hatten von Korruption und Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten. Obwohl dies anfangs recht erfolgreich war, sei ab 2007 die AKP aber immer autoritärer geworden. Akşener bezeichnete die AKP-Zeit als „postmoderne ‚milli şef‘ (= Inönü, 1938-1945) Periode, um zu sagen, dass Autoritarismus nach einer bestimmten Zeit an den Wahlurnen bestraft werde.

„Schmutziges“ Verfassungsreferendum

Ein Beispiel für diesen zunehmenden Autoritarismus, war für Akşener das Referendum vom 16.4. 2017, das sie als „schmutzig“, bezeichnete, weil die AKP keine Mehrheit hatte und deshalb nur über Manipulationen, Gerichte und den Hohen Wahlrat gewinnen konnte. Dazu ein Zitat von Meral Akşener:„16. April Referendum ist ein schmutziges Referendum. Die Wahlen vom 1946 sind fast identisch vorgeführt worden. Wenn die gesellschaftliche Unterstützung bei Wahlen nicht ausreichend ist, dann werden sie von Richtern vervollständigen. Wenn sie unzureichende gesellschaftliche Unterstützung finden, dann helfen die Gerichte und der Hohe Wahlrat.“

Relativ lange sprach sie über Bildung als den Weg, Wachstum zu generieren. Die Brücke zur Bildung schlug sie mit einem Verweis auf moderne Technologien. Mit einem Blick in den Saal, sagte sie, dass heute jeder mit dem Handy, Aufnahmen machen und sie über soziale Medien verbreiten könne. Das könnte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, dass sie sich von den Mainstream-Medien, die fest in der Hand der AK Partei sind, nichts verspricht und deshalb auf soziale Medien und die Verbreitung von Informationen über Sympathisanten setzt. Akşener selbst folgen auf Twitter 1,86 Millionen. Die AKP und Erdogan sind ebenfalls sehr stark im Bereich der sozialen Medien, Erdogan alleine hat 11,5 Mio. Follower bei Twitter.

Gerechtigkeit verlangt Mut

Akşener nahm auch Stellung zu einem der aktuellsten Themen in der Türkei, dem Rechtsstaat: „Feige Regierungen verhalten sich ungerecht, weil Gerechtigkeit Mut verlangt.“ In weiteren verbalen Angriffen kritisierte sie die Regierungspartei und warf ihr Vetternwirtschaft vor. „Ohne eine Beziehung zur AK Partei, eine Bescheinigung von der AK Partei, bekommt man weder im öffentlichen Sektor noch in der Privatwirtschaft eine Anstellung.“, so die ehemalige Innenministerin.

Zum Schluss kam sie auf die Wirtschaft zu sprechen. Das Wachstum sei unterdurchschnittlich, die Zinsen sehr hoch, genauso wie die Korruption, die wie Schlamm ist. „Sie sickert von oben nach unten durch.“ Das zerstöre Vertrauen, was so wichtig sei für die Wirtschaft.

Parteiprogramm: EU Kriterien als Maßstab

IYI Parti hat zwar noch keine Webseite, dafür aber schon ein fertiges Programm, das die ehemalige MHP-Zeitung Yeniçağ, die jetzt Akşener nahe steht veröffentlichte. Somit hat sie wenigstens eine kleine Tageszeitung als mediale Unterstützung.

Das Programm spricht unter „Zielen“ davon, das „parlamentarische System zu stärken“, das Erdoğan aus Sicht der IYI Parti gerade beerdigen möchte. Für die Auslandstürken sollen Wahlkreise eingerichtet werden und die Wahlhürde auf 5% gesenkt werden. In Bezug auf die Wahlkreise sind die Forderungen aber bereits veraltet, denn diese sind von der Regierung bereits eingerichtet worden. Was die „Medien“ anbetrifft, ist als Ziel ausgegeben, „beim Thema Zensur nehmen wir die EU-Kriterien als Maßstab.“ IYI Parti versucht sich beim Thema Frauen gerade von der MHP und AKP abzusetzen. In der Politik und öffentlichen Verwaltungen soll eine Frauenquote eingeführt werden, deren Prozentsatz aber nicht erwähnt wird.

Kampf gegen den Terror = Kampf gegen FETÖ

Im Abschnitt „Kampf gegen den Terror“ werden zwar als Terrororganisationen die PKK, FETÖ und dschihadistische Gruppen erwähnt, die konkreten Maßnahmen beziehen sich dann aber lediglich auf FETÖ. Die Aufarbeitung des gescheiterten Putsches vom 15. Juli 2016 und Bestrafung der Schuldigen sei „unsere Ehrenschuld.“ Akşener wird seit geraumer Zeit von der AKP-Presse beschuldigt, Gülenistin zu sein. Das könnte man als Verteidigung dagegen sehen.

Programm ohne Kurden

Es gibt einen Paragrafen, der aus einem Satz besteht und mit „Ost-Südost-Problem“ überschrieben ist. Eine permanente Lösung eines nicht näher definierten Problems soll zweigleisig geschehen. Erstens durch ein beherztes Vorgehen des Militärs und zweitens durch rechtliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Projekte soll die Bevölkerung ‚umarmt‘ werden. Das ist wohl der schwächste Teil des ganzen Programms, weder wird das Problem definiert, noch Kurden erwähnt, noch irgendeine Erwähnung von sprachlichen Rechten. Diese „Lösung“ schmeckt nach 1990er Jahren und ist seit 25 Jahren erfolglos byw. politisch überholt.

Beim Thema Außenpolitik wird die „Nahostisierung“ der Türkei kritisiert, die beendet werden sollte. Ansonsten ist der Bereich recht allgemein gehalten, die Beziehungen sowohl zum Westen als auch zum asiatisch-pazifischen Raum sollen intensiviert werden. Es gibt einen eigenen Paragrafen zur EU, der aber recht schwammig ist. Zwar wird gesagt, dass die Beziehungen zur EU von „lebenswichtiger Bedeutung“ sind, dass aber die Verhandlungen sich zu pseudo-Verhandlungen entwickelt haben. Schuld daran hätte einzig die EU, die interne Probleme hätte. Vernünftige Beziehungen hätten nicht nur für die EU und die Türkei positive Folgen, sondern auch für den Nahen Osten, den Kaukasus, Balkan und das östliche Mittelmeer. Um die Beziehungen zu verbessern, müsste aber die EU sich weniger abschotten und sich von rassistischen Einflüssen befreien.

Nordzypern soll unabhängiger türkischer Staat werden

Sehr viel länger ist der Abschnitt zur „Türkischen Welt,“ immer ein wichtiges Thema der nationalistischen Strömungen. Das Programm spricht von einer „Geographie des Herzens.“ Die Beziehungen zu türkischen Völkern vom Balkan bis nach Zentralasien sollen intensiviert werden, auch zu den Türken in Syrien und den in Europa lebenden Türken.

Sehr klar ist das Programm beim Thema Zypern. Die beste Lösung wäre „die Türkische Republik Nordzypern als unabhängiger türkischer Staat.“ Eine mögliche Vereinigung mit der griechisch-zyprischen Republik Zypern wird gar nicht erwähnt. Die Beziehungen zur Türkei sollen auf der Grundlage des Prinzips, „eine Nation, zwei Staaten“ gemacht werden. Im Verteidigungsbereich wird eine Zusammenarbeit angestrebt, damit die türkischen Militärbasen für immer auf der Insel bleiben können.

AKP-nahe Medien: Ignorieren geht über diffamieren

Die Reaktion der AKP-Medien auf die Parteigründung am Folgetag bestand im Ignorieren. Die großen AKP-nahen Zeitungen Sabah, Akşam, Yeni Şafak hatten gar nichts auf der ersten Seite. Die kleinere Güneş hatte es als Aufmacher und behauptete dort, Akşeners Partei sei eine Idee Fethullah Gülens. Das könnte die Strategie der regierungsnahen Medien auch in der Zukunft sein. Ignorieren oder wahlweise diffamieren.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die IYI Partei wirklich Bewegung in die Parteienlandschaft bringen kann und welches Potential sie entwickeln kann. Die MHP scheint dabei einen schweren Stand zu haben. Laut Umfragen hatten ca. 70% der MHP-Wähler beim Verfassungsreferendum mit Nein gestimmt und damit gegen die Parteilinie. Sollte es Akşener gelingen, einen Großteil dieser 70% MHP-Wähler dauerhaft zu binden, wäre die MHP erledigt und deutlich unter der 10%-Hürde. Auch die CHP wird einige Wähler an die IYI Partei verlieren, denen die CHP zu liberal geworden ist. Gerade an der Westküste könnten das einige Prozentpunkte sein. Entscheidend für den bleibenden Erfolg wird aber sein, in wieweit sie in die AKP-Wählerschaft eindringen kann. Da sie durch die türkisch-nationalistische Ausrichtung, keine Chance hat, die konservativen Kurden, die die AKP wählen, zu gewinnen, muss sie versuchen, die türkisch-nationalistischen AKP-Wähler anzusprechen. Dabei scheinen die Chancen am Schwarzen Meer und der Westtürkei am günstigsten, schwieriger wäre das in Zentralanatolien, wo die Partei wohl zu wenig religiös erscheint.

Marsch in die Regierung?

Der Erfolg der Partei wird auch davon abhängen, wie es ihr gelingt, ihre Infrastruktur aufzubauen und sich fast ohne Medienunterstützung Gehör zu verschaffen. Eine politische Partei aufzubauen, ist in der Türkei ein teures Unterfangen, ebenso wie ein Wahlkampf, weshalb Akşener auch auf die Unterstützung von Geschäftsleuten angewiesen ist. Viele sind aber für ihre Geschäfte auf gute Beziehungen mit der AKP angewiesen. Ein heikler Punkt. Als AKP-Gründungsmitglied und ehemaliger Minister Abdullatif Şener im Streit die Partei verließ und die Türkei-Partei gründete, war er nach einigen Jahren komplett pleite. Akşener scheint besser aufgestellt zu sein, aber ihr „Marsch in die Regierung“, wie sie es bei der Eröffnung nannte, muss noch zahlreiche Hindernisse nehmen.

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