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Länderberichte

Präsidentschaftswahlen in Kasachstan

von Dr. Thomas Kunze, Lina Gronau, Moritz Junginger

Deutlicher Sieg für den amtierenden Präsidenten Nasarbajew

Am 31. Januar 2011 wurde der Vorzug der kasachischen Präsidentschaftswahlen von Dezember 2012 auf den 03. April 2011 verkündet. Es ist bereits das dritte Mal in 20 Jahren Unabhängigkeit, dass die Präsidentschaftswahlen außerplanmäßig stattfinden. Alle bisher durchgeführten Wahlen konnte Präsident Nursultan Nasarbajew, der bereits 1989 als letzter Generalsekretär der kasachischen Sektion der KPdSU an die Macht kam, mühelos gewinnen.

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Auch dieses Mal war der Ausgang eindeutig: Nach dem vorläufigen Endergebnis vom 05. April haben 95,5% der Wähler für Nasarbajew gestimmt. Drei Gegenkandidaten teilen sich die übrigen 4,5%: Gani Kasimow bekam 1.9%, Zhambyl Akhmetbekow 1.4% und Mels Jeleusisow 1.2%. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 90%.

Warum die Wahl wirklich vorgezogen wurde, weiß niemand mit Sicherheit, doch es gibt verschiedene Vermutungen, die in der unabhängigen zentralasiatischen Presse für wahrscheinlich gehalten werden. Zunächst wäre an dieser Stelle das Referendum für die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten, das Ende 2010 im Raum stand, zu nennen. Am 27. Dezember 2010 registrierte die Zentrale Wahlkommission den Vorschlag einer bürgerlichen Initiativgruppe, die Amtszeit Nasarbajews ohne Wahlen bis 2020 zu verlängern. Daraufhin initiierten beide Parlamentskammern eine entsprechende Verfassungsänderung. Die Begründung für das Referendum: Es gäbe keine Alternative zu Nasarbajew, Wahlen wären daher reine Geldverschwendung. Die Mehrheit beider Parlamentskammern stimmte dafür, die Wahlen 2012 und 2017 ausfallen zu lassen. Stattdessen solle das Volk durch das Referendum die Amtszeit einmalig verlängern. Der Präsident und „Führer der Nation“ zierte sich zunächst und lehnte das Gesetz ab. Schließlich kippte der kasachische Verfassungsrat das Gesetz mit der Begründung, es sei verfassungswidrig.

Das geplante Referendum war international auf weitreichende Kritik gestoßen – dies insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Kasachstan im Jahr 2010 den OSZE-Vorsitz inne hatte. Auf dem OSZE-Gipfel im Dezember 2010 in Astana kritisierte beispielsweise der Sprecher der deutschen Bundeskanzlerin, Steffen Seibert, das Vorhaben. Eine solche Verlängerung der Amtszeit ohne Wahlen um zehn Jahre widerspräche den Prinzipien der Demokratie und der guten Regierungsführung, die Kasachstan nach außen hin propagiere. Nach dem Scheitern des Verfassungsreferendums wurden die vorgezogenen Neuwahlen verkündet. Es schien, als wolle man Nasarbajews festen Sitz auf dem Präsidentenstuhl auf jeden Fall sichern, nun eben durch Wahlen anstelle des Referendums.

Die Ankündigung der Wahlen geschah zudem kurz nach Beginn der nordafrikanischen Revolutionen. Die Vermutung liegt nahe, dass man in Kasachstan Auswirkungen dieser Nachrichten befürchtete und Nasarbajew möglichst schnell „frische“ Legitimation verschaffen wollte, um seine Position zu bewahren und das Schicksal eines Ben Ali oder Mubarak zu vermeiden. Die kasachischen Behörden gaben ihrerseits Erklärungen ab, weshalb die Wahlen vorgezogen worden seien: Man habe zunächst festgestellt, dass 2012 sowohl Präsidentschafts- als auch Parlamentswahlen hätten stattfinden müssen; dies sei zuviel für die Organisatoren und die Wähler. Außerdem habe man die Stimmen der fünf Millionen Menschen, die ihre Unterschrift für das Referendum abgegeben hatten, nicht einfach unberücksichtigt lassen wollen.

Auch wenn die Wahlen im Vergleich zum ursprünglich geplanten Referendum als deutlicher (demokratischer) Fortschritt erscheinen, erfüllten sie wohl nur in begrenzter Form demokratische Kriterien. Schon im Vorfeld gab es Zwischenfälle und Unregelmäßigkeiten, die an der Ernsthaftigkeit Kasachstans bei der Implementierung demokratischer Strukturen zweifeln ließen. Als die Wahlen im Januar angekündigt wurden, blieben den Gegenkandidaten noch etwa zwei Monate, um sich als Kandidaten zu bewerben und Wahlkampf zu führen – zu wenig Zeit, um sich als ernsthafte Konkurrenten um das Präsidentenamt zu etablieren. Dessen schien sich auch Nasarbajew bewusst zu sein: Er machte erst gar keinen Wahlkampf. Dennoch sah es zunächst danach aus, als würden sich viele Gegenkandidaten für Nasarbajew finden; fast täglich berichteten die Medien von neuen Bewerbern.

Bis zur Wahl hielten allerdings nur die bereits erwähnten drei Konkurrenten durch: Der Gegenkandidat Gani Kasimow ist Senator, gehört der Partei der Patrioten an und ist der einzige Parlamentsabgeordnete, der nicht Mitglied der Präsidentenpartei Nur Otan ist. Zhambyl Akhmetbekow kandidierte für die kommunistische Partei, deren Hauptziel es war, im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2012 die eigene Bekanntheit zu steigern. Der parteilose Mels Jeleusisow trat zum wiederholten Male gegen Nasarbajew an. Er engagiert sich vor allem in Umweltfragen. Insgesamt sagten alle Kandidaten, dass sie die Wahl vor allem als Vorbereitung auf die Parlamentswahlen 2012 nutzen wollten, den Sieg Nasarbajews zweifelte bereits im Vorfeld niemand an. Aus diesem Grund traten prominentere Oppositionspolitiker wie Bulat Abilow oder Wladimir Kaslow gar nicht erst an und riefen zum Boykott der Wahl auf. Alle weiteren Kandidaten zogen sich freiwillig zurück, weil sie eingesehen hätten, dass Nasarbajew ohnehin der beste Kandidat sei, oder sie scheiterten am Sprachtest für die Amtssprache Kasachisch. Unabhängige Medien berichteten außerdem, dass einige Kandidaten und ihre Unterstützer von Unbekannten unter Druck gesetzt worden seien. Der parteilose Kandidat, Mels Jeleusisow, gab nach der Wahl an, er habe seine Stimme nicht sich selbst, sondern Nasarbajew gegeben, da dieser am besten für das Amt des Präsidenten geeignet sei. Ein unerwartetes Geständnis, das einen schalen Beigeschmack hinterlässt.

Auch die OSZE war nicht zufrieden mit der Wahl. Sie sei zwar gut organisiert gewesen und reibungslos verlaufen, allerdings habe sie in einem wettbewerbslosen Umfeld stattgefunden. Auch sei die Presse- und Versammlungsfreiheit im Vorfeld der Wahl nicht gewährleistet worden. Bei der Durchführung der Wahl und der Stimmenauszählung habe es ebenfalls Ungereimtheiten gegeben, bei der nächsten Wahl müsse insbesondere auf mehr Transparenz geachtet werden. Auch die Methode vieler lokaler Politiker, Druck auf Bürger auszuüben, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, sei nicht akzeptabel. Russische Wahlbeobachter hingegen bezeichneten die Wahl als demokratisch, fair und frei. Kasachstan habe alle internationalen Standards erfüllt.

Vermutlich hätte Nasarbajew die Wahl auch gegen stärkere Gegenkandidaten gewonnen. Er ist bei der Bevölkerung insgesamt recht beliebt und momentan gibt es niemanden, der ihn politisch ersetzen könnte. Dass es seit 20 Jahren keine Alternative zu ihm gibt, ist allerdings auch kein Zufall. Es deutet einiges darauf hin, dass Nasarbajew, der inzwischen über 70 Jahre alt ist, erste Vorbereitungen für seine Nachfolge trifft. Im Sommer 2010 ernannte ihn das Parlament zum „Führer der Nation“, ein Titel, der ihm lebenslängliches Mitspracherecht in Regierungsangelegenheiten einräumt, auch wenn er nicht mehr Präsident sein sollte. Zudem macht in Kasachstan nun die Nachricht die Runde, dass die Parlamentswahlen eventuell ebenfalls vorgezogen werden könnten, in den Sommer 2011. Sollte das passieren, würde Nasarbajews Partei Nur Otan, gestärkt durch die gerade gewonnene Präsidentschaftswahl, mit großer Wahrscheinlichkeit (und zum wiederholten Male) auch die Parlamentswahl eindeutig für sich entscheiden, zumal die Opposition erneut kaum Zeit hätte, Wahlkampf zu führen. Mit zwei gewonnen Wahlen im Rücken könnte Nasarbajew bequem bis zu den nächsten Wahlen 2016 einen Nachfolger aufbauen. Als Führer der Nation bliebe er Entscheider und könnte zusammen mit dem Nachfolger seiner Wahl Kasachstan regieren bzw. dafür sorgen, dass das Land auf der bisher eingeschlagenen Linie bleibt.

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Kontakt

Dr. Thomas Kunze

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Regionalbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Zentralasien (komm.) und Beauftragter für die Russische Föderation

sekretariat.russland@kas.de

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