Erhard, Ludwig Wilhelm
Erhard, Ludwig Wilhelm
geb. am 4.2.1897, gest. am 5.5.1977
Erhard war maßgeblich am Aufbau der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung und am Zustandekommen des „Wirtschaftswunders“ beteiligt. Durch ihn wurde die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland zu einem populären Begriff. Sein Ziel war „Wohlstand für alle“ in einer freiheitlichen Gesellschaft. Als Bundeskanzler sorgte sich Erhard um die gesellschaftspolitische Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Er hoffte, dass bessere Informationen über ökonomische Zusammenhänge ordnungspolitische Fehlentwicklungen verhindern könnten.
Daher betrieb er die Einrichtung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Utopisch blieb seine Vision von der „Formierten Gesellschaft“, in der die partikularen Gruppeninteressen durch kooperatives Zusammenwirken unter dem Druck des Wettbewerbs überwunden werden.
Bereits vor Kriegsende hatte Erhard
in einer Denkschrift die Notwendigkeit
einer Währungsreform betont.
1947 wurde er Leiter der Homburger
Sonderstelle Geld und Kredit. Auf der
Basis verschiedener Reformpläne
deutscher Experten legte die Sonderstelle
im April 1948 den Homburger
Plan zur Neuordnung des Geldwesens
in Deutschland vor. Die Alliierten
verwendeten Elemente dieses
Plans bei der Währungsreform, die
am 20. Juni 1948 in den drei Westzonen
stattfand. Als Wirtschaftsdirektor
der Bizone stand Erhard seit März
1948 vor der Aufgabe, die Währungsreform
durch eine geeignete Reform
des Wirtschaftssystems zu ergänzen.
Zu diesem Zeitpunkt existierte in
Deutschland ein umfassendes System
staatlicher Preiskontrollen und Bewirtschaftungsvorschriften.
Erhard entschied sich dafür, parallel zum Ersatz
der Reichsmark durch die D-Mark
die vollständige Aufhebung der
staatlichen Regulierungen einzuleiten
und auf die Leistungsfähigkeit freier
Märkte zu vertrauen. Er war überzeugt,
dass erst die Überwindung der
Versorgungsengpässe das Vertrauen
in die neue D-Mark sichern würde.
Umgekehrt war er sich bewusst, dass
erst mit einem neuen stabilen Geld
die Rückkehr zu einer freien Marktwirtschaft
gelingen konnte. Nur eine
funktionsfähige Marktwirtschaft würde
ihre große Leistungsfähigkeit bei
der Überwindung materieller Not erfolgreich
ausspielen, damit auf Dauer in der Bevölkerung Akzeptanz finden
und zu einer wahrhaft Sozialen
Marktwirtschaft werden.
Der starke Produktionsanstieg nach
der Währungsreform und der spürbare
Rückgang der Versorgungslücken
bestätigten Erhards marktwirtschaftliche
Wirtschaftspolitik, die er als Bundeswirtschaftsminister
konsequent weiterführte. Schon früh trat er für eine
weitreichende Liberalisierung des
Außenhandels ein, um die Einbindung
Deutschlands in die Weltwirtschaft
zu vergrößern (Außenwirtschaft).
Seinem Drängen ist es zu
verdanken, dass bei der Wirtschaftsintegration
in Europa marktwirtschaftliche
Grundsätze beachtet wurden.
Schon anlässlich der Währungsreform
hatte er die rasche Verabschiedung
eines wirkungsvollen
deutschen Antikartellgesetzes angemahnt.
Wettbewerbsbehindernde Absprachen
zwischen Unternehmen
und die Inflation blieben für ihn die
Hauptgefahren für eine funktionsfähige
Soziale Marktwirtschaft. Als das
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
1957 endlich verabschiedet
wurde, hatte Erhard sein Ziel nur
zum Teil erreicht. Das Gesetz verfügte
zwar ein generelles Kartellverbot,
listete aber gleichzeitig eine Reihe
von Ausnahmebereichen und -tatbeständen
auf. Im gleichen Jahr fixierte
das Bundesbankgesetz die Unabhängigkeit
der Zentralbank (Deutsche Bundesbank, Europäische Zentralbank) und ihre Verpflichtung auf das
Ziel der Preisniveaustabilität. Für
beide Kernelemente der Geldordnung
hatte Erhard vehement gekämpft.
Wissenschaftlicher und beruflicher Werdegang
1919-1922 Studium an der Handelshochschule Nürnberg, 1925 Promotion an der Universität Frankfurt/ M.; 1928-1942 Tätigkeit an einem Wirtschaftsforschungsinstitut in Nürnberg; 1945-1946 Bayerischer Wirtschaftsminister; 1947 Honorarprofessur an der Universität München; 1947-1948 Leiter der Sonderstelle Geld und Kredit in Bad Homburg; 1948-1949 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft der britisch-amerikanischen Bizone; 1949-1977 Mitglied des Deutschen Bundestags; 1949-1963 Bundeswirtschaftsminister; 1963-1966 Bundeskanzler; 1966-1967 Bundesvorsitzender der CDU.
Literaturhinweise:
- Erhard, L. (1977), Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung, Faksimiledruck der Denkschrift von 1943/ 44, Frankfurt/ M., Berlin, Wien;
- Ders. (1953), Deutschlands Rückkehr zum Weltmarkt, Düsseldorf;
- Ders. (1957), Wohlstand für alle, Düsseldorf;
- Ders. (1962), Deutsche Wirtschaftspolitik. Der Weg der Sozialen Marktwirtschaft, Düsseldorf, Wien, Frankfurt/ M.
Rainer Klump