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Veranstaltungsberichte

Frauen und wirtschaftliches Wachstumspotenzial

Die Situation von Frauen in der südkoreanischen Volkswirtschaft sowie ihre Bedeutung für das wirtschaftliche Wachstum standen im Zentrum einer internationalen Konferenz der KAS und ihres Partners, des Institute for Global Economics (IGE) am 1. Dezember 2014 in Seoul, an der rund 200 Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien teilnahmen.

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Die Veranstaltung eröffneten Dr. Il Sakong, Vorsitzender des IGE und früherer südkoreanischer Finanzminister, sowie Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS. Beide sprachen von dem enormen wirtschaftlichen Wachstumspotential Südkoreas, welches sich in den letzten Jahren zu einem der Länder mit der höchsten Bildungsrate entwickelt habe. Jedoch gebe es besonders im Bereich der Führungspositionen der Wirtschaft, die nur wenige Frauen bekleideten, erhöhten Verbesserungsbedarf, wenn sich auch hier die Lage zuletzt verbessert habe.

Das Hauptthema der Konferenz war die Debatte über Möglichkeiten, Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Heejung Kim, Ministerin für Gleichstellung und Familie, sprach in ihrer einführenden Grundsatzrede über die grundsätzliche Problematik von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Der Hauptgrund für ein langfristiges Ausscheiden aus dem Beruf sei in 50 Prozent der Fälle eine Schwangerschaft. Um die Situation zu verbessern, müsse es flexiblere Arbeitszeiten geben, die Kinderbetreuung müsse erweitert werden und alle betroffenen Parteien - Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Familien - müssten in großem Rahmen unterstützt werden. Es müsse auch insgesamt mehr Wert auf „Familienfreundlichkeit“ gelegt und der „Familientag“ (ein freier Wochentag) flächendeckend eingeführt werden. Um es den Frauen zu erleichtern, nach einer Schwangerschaft wieder in den Job zurückkehren zu können, sollten spezielle „Wiedereinstiegsprogramme“ geschaffen werden. Zudem sollte es für die Frauen während der Schwangerschaft möglich sein, in Teilzeit zu arbeiten. In diesem Bereich bestehe Nachhol- bzw. Ausbaubedarf. Letztendlich sei es für alle Parteien von Interesse, die Geschlechter in der Arbeitswelt gleich zu stellen.

Derzeitiger Status der Frauen auf dem koreanischen Arbeitsmarkt

In der ersten Session trat als erste Rednerin die Präsidentin des Korea Development Institute, Myung-Sun Lee, auf. Als Vorbilder für den Anteil von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gälten nordeuropäische Länder wie Island oder Norwegen, bei denen über 80 Prozent der Frauen erwerbstätig seien (zum Vergleich: Korea 60 Prozent, Deutschland 76 Prozent). Aber Korea liege auch in weiteren Bereichen zurück. So sei die Armutsrate bei den über 65- jährigen im internationalen Vergleich fast fünf Mal so hoch wie in Deutschland. Das liege daran, dass in Korea häufig über 50-jährige ihren Job verlören und durch Jüngere ersetzt würden. Des Weiteren sei der Anteil von Frauen, die über 40 Stunden in der Woche arbeiten, bei 75 Prozent, was im internationalen Vergleich erneut eine negative Spitzenposition sei. Von daher sollte es in Zukunft ein zentrales Anliegen sein, zum einen die Position der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und zum anderen die Diskriminierung abzubauen. Dafür sollten Schritte im Arbeitsmarktumfeld (Steigerung der Flexibilität, Verringerung der Gehaltunterschiede zwischen den Geschlechtern) als auch in der sozialen Infrastruktur (arbeitnehmerfreundliche Politik, weniger Steuern für arbeitende Eltern, Abbau von Diskriminierung) unternommen werden.

Joyce Msuya, Repräsentantin des World Bank Group Office in Südkorea, beschäftigte sich mit der Bedeutung der Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sei sich sicher, dass Korea genug Potential habe, die momentane Situation zu verbessern; in den letzten Jahren seien schon einige Fortschritte zu beobachten gewesen, vor allem im Hinblick auf die Universitätsabschlüsse, bei denen der Frauenanteil höher sei als der der Männer. Dies sei auch der einzige Sektor, bei dem sich Korea nicht im hinteren Bereich der OECD-Länder befinde - universitäre Ausbildung, wo die Frauen einen überdurchschnittlichen hohen Anteil vorweisen könnten. Ansonsten bestehe in allen anderen Teilen nach OECD-Studien ein erhöhter Aufholbedarf. Was müsse getan werden? Finnland sei eines der am weitesten entwickelten Länder und nehme mehrere Spitzenpositionen ein. Dies habe damit zu tun, dass Finnland eines der ersten Länder gewesen sei, das das Frauenwahlrecht schon vor über 100 Jahren eingeführt habe und somit eine lange Kultur der Integration der Frau in die Gesellschaft vorweisen könne. Frankreich sei ein zweites gutes Beispiel, welches in den letzten Jahren durch erhebliche Verbesserungen bei Bildungsabschlüssen und im Schließen der verschiedenen Lücken zwischen Frau und Mann bei den Umfrageindikatoren punkten konnte und daher in den letzten Jahren den größten Sprung gemacht habe. In der Zukunft sei für Wachstum und Entwicklung entscheidend, Frauen auf dem Arbeitsmarkt weiter zu etablieren, schließlich wirke sich das auch für die Wirtschaft positiv aus.

In der folgenden Diskussionsrunde waren Kiu Sik Bae (Director-General of Labor Relations and Social Policy Research Division, Korea Labor Institute), Yoonho Nahm (Managing Editor, JoongAng Sunday) und Amy Jackson (President, American Chamber of Commerce in Korea) beteiligt. Bae erklärte in seiner Rede, dass Frauen im Schnitt einen besseren Hochschulabschluss als Männer erzielen würden und es somit angebracht sei, dass sie in größerer Anzahl als Männer auf dem Arbeitsmarkt vertreten wären, gerade auch in Führungspositionen. Durch die nicht vorliegende Chancengleichheit und die Geschlechterungleichheit würden die Menschenrechte nicht geachtet. In Korea gäbe es des Weiteren die größte Lücke zwischen Männern und Frauen, was das Einkommen beträfe. Um die Situation zu verbessern, sei es notwendig, soziale Normen zu ändern, was andere Länder zuvor schon vollzogen hätten und damit Erfolg hätten. Um die Qualität und Produktivität zu steigern, sei die Einführung bzw. der Ausbau der Jobangebote in Teilzeit sehr sinnvoll.

Nahm sah das Problem nicht in einzelnen Bereichen, sondern eher in seiner Gesamtstruktur. Es hänge schon mit dem gesellschaftlichen Denken an sich zusammen, dass ein Arzt beispielsweise mit einem Mann assoziiert werde. Nachholbedarf bestehe auch im Bereich der politischen Institutionen, da Ministerialposten fast ausschließlich durch Männer besetzt seien. Angesetzt werden müsse im gesamten Bereich der Arbeitsumwelt, hier müsse das Umdenken stattfinden. Hinsichtlich der Besetzung der Führungspositionen seien die Männer schon deswegen im Vorteil, weil meistens eine 20-jährige Berufserfahrung unabdingbar sei. Viele Frauen müssten aufgrund von Schwangerschaften ihre Karriere unterbrechen und stünden damit im Nachteil.

Amy Jackson hob die Rolle der Frau in Korea hervor. Sie nähmen eine herausragende Rolle in Korea ein, da nach OECD-Studien die Südkoreaner die meisten Arbeitsstunden vorwiesen und koreanische Männer vergleichsweise wenig in der Familie und im Haushalt mitarbeiten würden. Um Frauen besser auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren, seien folgende Veränderungen notwendig: Flexibilität im Bereich des Job- bzw. Positionswechsels, Arbeitsstunden und Elternzeit (für beide Teile) sowie Unterstützung von allen Seiten. Somit sollte es gelingen, Frauen nicht vor die Entscheidung stellen zu müssen, ihre Jobs aufgeben zu müssen, wenn sie schwanger seien. Als Beispiel nannte sie amerikanische Firmen in Korea, die einige Programme haben, die die Situation der Frau deutlich verbessert hätten. Korea habe sich in den letzten Jahren stark und schnell entwickelt, deswegen müsse es auch möglich sein, die Rolle der Frau stetig zu verbessern.

Politiken und Strategien zur Erhöhung weiblicher Partizipation in der Wirtschaft

In der zweiten Session trat als erste Rednerin Minjai Lee auf, Präsidentin der Korean Women Entrepreneurs Association. Es sei die Pflicht aller, die Rolle der Frau stetig zu verbessern. Die Aufgabe der Regierung sei es, die richtigen Grundpfeiler dafür zu setzen und Kampagnen zu starten. Die schwerwiegendsten Probleme sehe sie bei der Diskriminierung der Frau am Arbeitsplatz sowie bei der Gründung von Netzwerken. Korea sollte sich, gerade als einer der Länder, die in den letzten Jahren ein so hohes wirtschaftliches Wachstum verzeichnen konnten, seiner Verantwortung bewusst sein, die Rolle der Frau zu stärken und Frauen in Führungspositionen zu fördern. Mit den richtigen Programmen sei eine Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familien machbar.

Hyun-Suk Park, Generaldirektorin des Womens´ Policy Bureau im Gleichstellungsministerium, prangerte als größtes Problem die Rückkehr der Frauen in den Beruf an. Es sei für Frauen, die beispielsweise aufgrund einer Schwangerschaft eine Pause eingelegt hätten, sehr schwer in ihren alten Beruf zurückzukehren, weil dafür nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden seien, um den Wiedereinstieg zu erleichtern. Dabei würden über 50 Prozent der Frauen gerne in ihren Beruf zurückkehren, weswegen die Einrichtung sogenannter „restart centers“ sehr sinnvoll wäre. In diesen sollten Beratungen, Erziehung und Training für den Wiedereinstieg angeboten werden. Auch die Ausbildung von Personen, die in diesen Einrichtungen arbeiten, müsse vorangetrieben werden. Um die Gesamtsituation zu verbessern, gebe es drei Bereiche, die geschaffen werden müssten: der Ausbau der Kinderbetreuung, ein flexibleres Arbeitszeitsystem mit Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit sowie familienfreundliche Unterstützung seitens der Arbeitgeber. Der Ausbau der Kinderbetreuung müsse vorangetrieben werde, da es immer noch zu wenige Einrichtungen gebe, um den Bedarf decken zu können. Bis zum Jahr 2017 sollen große Fortschritte erzielt werden, weswegen die „Gender parity task force“ geschaffen wurde, die den Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten, den Schaffung der „Auszeit“ für Väter, Vereinfachung der beruflichen Wiedereingliederung u.ä, vorantreibe, die auch auf die individuellen Erfahrungen und Bedürfnisse angepasst werden sollten.

Cyn-Young Park, Assistant Chief Economist der Asian Development Bank (die u.a. Studien zur Geschlechtergleichheit durchführt), referierte über Politik und Strategien, um die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern und zu verbessern. Das Konzept stehe unter dem Namen „FLPL (Female Labor Force Participation)“. Dass Frauen unterbezahlt seien, sei bei weitem kein rein asiatisches Problem, sondern ein weltweit verbreitetes Phänomen, nur sei das Ausmaß in Teilen Asiens besonders stark, was die großen Gehaltsunterschiede noch einmal verdeutlichen würden. Der Mangel an Frauen am Arbeitsmarkt habe verschiedene Ursachen, wie beispielsweise zu wenig Teilzeitjobmöglichkeiten, fluktuationsbedingte Arbeitslosigkeit, Rollenmodelle, Diskriminierung, fehlende soziale Normen. Auch er sah das Problem nicht nur am Arbeitsmarkt selbst, sondern vielmehr müssten im gesellschaftlichen Denken Veränderungen eintreten. Hierfür seien Änderungen der sozialen Normen notwendig. Es sei nicht einfach für Frauen, Führungspositionen zu bekleiden, da dies zu einer gewissen Belastung und Leistungsdruck führe. Um die Frauen auf diese Situationen vorzubereiten, seien fortbildenden Maßnahmen unentbehrlich. Auch eine Frauenquote in Unternehmen sei eine Möglichkeit, das Problem der Geschlechterungleichheit anzugehen. Vor allem in den Bereichen Medizin, Jura und im höheren Beamtentum seien Frauen unterrepräsentiert.

Kiu Sik Bae, Senior Research Fellow am Korea Labor Institute, sprach von einem notwendigen Wandel der Kultur, um die Lage langfristig zu verbessern. Die Zukunftsaussichten seien jedoch sehr gut, besonders weil die akademische Abschlussrate der Frauen sich in den letzten Jahren erheblich gesteigert habe und die der Männer überholt habe. Zudem kämen einige Programme mit positiver Aussicht in Gang, was die Etablierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt beträfe. Politik und die Arbeitgeber müssten sich auch dafür einsetzen, dass Frauen nach einer Unterbrechung ihrer Arbeitstätigkeit wieder schnell auf den Arbeitsmarkt zurückkommen könnten. Wie viele seiner Vorredner sprach sich Bae für mehr Flexibilität und weniger Arbeitsstunden aus, vor allem letzteres sei ein wichtiger Punkt.

Yongseon Kim, Direktor und Vizepräsident des Korea Development Institute, sah eine negative Entwicklung und erheblichen Verbesserungsbedarf, vor allem in der Kinderbetreuung, die für die neue Entwicklung essentiellen sei und dringend gefördert werden müsse.

Barbara Zollmann, Generalsekretärin der Koreanisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, machte deutlich, dass Korea vor vielen Herausforderungen stehe. Zum einen sei die niedrige Geburtenrate ein Problem, zum anderen sollte die Frauenrate auf dem Arbeitsmarkt erhöht werden. Das widerspreche sich, weswegen in vielen Bereichen Verbesserungen notwendig seien. Ein Problem in der Vergangenheit sei gewesen, dass mit Ressourcen falsch umgegangen und dadurch viel Geld verschwendet wurde. Sobald hier die richtigen und wichtigen Voraussetzungen geschaffen worden seien, würde es für die Frauen zunehmend leichter werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Das Schlussplädoyer hielt Arbeitsminister Ki-kweon Lee. Er betonte, dass die Verbesserungen am Arbeitsmarkt für Frauen nur durch bedingungslose politische, soziale und kulturelle Unterstützung möglich seien. Es sei sehr sinnvoll, dass die Regierung eine „road map“ entwickelt habe, die die Situation verbessern solle, damit Frauen, vor allem nachdem die Kinder größer seien, in den Beruf zurückkehren könnten. Ebenso sei die Einführung der „Vaterzeit“ ein richtiger Schritt. Grundsätzlich müssten die Stellung wie auch die Rechte der Frauen weiter ausgebaut werden, um die Geschlechtergleichheit mittelfristig zu erreichen.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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