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Veranstaltungsberichte

Grüne Zukunft in Korea

Wirtschaftswachstum und Umweltschutz versöhnen lernen: Die deutsche Erfahrung

Am 10. Februar 2012 fand in der International Conference Hall der Korea Press Foundation in Seoul ein von der KAS Korea, dem Energy Alternative Forum und dem Yonsei-SERI EU Centre ko-organisiertes Seminar zum Thema „Green Zukunft in Korea“ statt. Die drei Präsentationen wurden gehalten von Florian von Gropper, der als CEO der in Bocholt ansässigen Firma Meier Solar Solutions den praktischen Aspekt von Green Growth und Green Future repräsentierte, Professor Sungjin Kang vom Department of Economics der Korea Universität und Dr. Moohyeon Joo vom Korea Employment Information Service.

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Zunächst hielten Dr. Jinsoo Song als Repräsentant des Alternative Energy Forums, Prof. Young-Ryeol Park als Repräsentant des Yonsei-SERI EU Centre und Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros der KAS Korea, kurze Einführungsreden. Dr. Song hob die Wichtigkeit von Green Growth generell hervor. Professor Park sprach u.a. über Probleme steigender Produktivität der Industrie bei gleichzeitig stagnierenden Beschäftigungszahlen und die Chance, neue Arbeitsplätze durch die Förderung der grünen Industrie zu schaffen. Dr. Eschborns Fokus lag auf der Rolle Deutschlands als Vorreiter des Green Growth. Zudem hob er die Rolle des Green Growth für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt hervor, dessen Relevanz in Zukunft noch beträchtlich zunehmen werde. Dabei komme es v.a. auf Innovationen der „environmental economy“ an, aber auch der Faktor Politik als Förderer und Antreiber einer grünen Zukunft dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Moderator der Veranstaltung war Prof. June-Woo Park vom Department of Economics der Sangmyung Universität. Er stellte heraus, dass die Worte „economy“ und „ecology“ die gleiche Vorsilbe haben und somit prädestiniert für eine Vereinigung seien.

Erfahrungen mit Solartechnik und Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland

Florian von Gropper gab in seiner Präsentation einen Rückblick auf die Entwicklung der Solartechnik in Deutschland und die Rolle, die Politik und Gesetzgebung dabei spielten und spielen. Zusätzlich behandelte er unter der Überschrift „Realität hinter dem ersten Eindruck“ mögliche Einwände gegen den Nutzen der Solartechnik und den Sinn der staatlichen Förderung der erneuerbaren Energien. Dabei macht er das koreanische Publikum mit der Situation der Solarenergie in Deutschland vertraut. Der Zeitraum der Nutzung der Solartechnik ist in Deutschland noch sehr kurz: Erst seit 2003 werden Solarzellen bundesweit im großen Stil installiert. Seitdem erlebt die Industrie ein stetig steigendes Wachstum. So wurden allein im Jahr 2011 Solarzellen mit einer Leistung von 7,5 Gigawatt auf deutschen Dächern installiert. Dies entspreche der Leistung eines mittleren bis großen Kernkraftwerks. Für das Jahr 2020 wird vorhergesagt, dass 10% der erzeugten Energie aus Solartechnik gewonnen werden. Von Gropper unterstrich, dass in Deutschland 60% der Solarzellen auf Dachflächen privater Haushalte (10%) oder Bauernhöfe (50%), also auf Dächern von großen Hofanlagen, installiert sind und diese somit das Fundament der Entwicklung der Solarindustrie bilden. Die breite Unterstützung der Bevölkerung in Form von Investitionen in erneuerbare Energien sei in Deutschland enorm wichtig: So investier-ten diese z.B. im Jahr 2009 mehr in erneuerbare Energien als alle vier großen Energiekonzerne Deutschland (EnBW, E-On, Vattenfall, RWE) zusammen. Dies würde auch in Korea eine wichtige Rolle spielen, da man, ähnlich wie in Deutschland, nicht zu erwarten brauche, dass die Industrie hier die Vorreiterrolle übernehmen wird.

Als nächstes ging von Gropper auf die Subvention bei der Vergütung des produzierten Solarstroms ein, welche im „Erneuerbare Energien-Gesetz“ (EEG) geregelt ist und den im Jahr 2009 neu eingeführten Prozess der „gleitenden Degression“ des Vergütungszuschusses für Solarstrom. Die gleitende Degression funktioniert nach dem Prinzip: Je mehr Solarzellen in einem Kalenderjahr installiert wurden, desto mehr wird der Vergütungszuschuss im darauffolgenden Jahr abgesenkt. Dies soll ausufernde absolute Kosten verhindern und zugleich zu kosteneffizienter Stromproduktion führen. Die Kosteneffizienz sei wichtig, so von Gropper, weil Solarstrom nur erfolgreich sein könne, solange er billiger ist als gewöhnlicher Strom. Ein umstrittener Punkt, der bei der Vergütungssubventionierung in Deutschland relevant wird, ist, dass die Vergütung unabhängig davon gezahlt wird, in welchem Land die Solarzelle produziert wurde.

Danach kam von Gropper auf das Thema der Beschäftigung zu sprechen. Es hat seit 2004/05 130.000 neue Stellen in der Solarindustrie gegeben. Dabei fällt ein Großteil der Jobs auf den Bereich der Zellinstallation und auf den „pre-service and product sector“, ca. 79.000. Damit sei auch das Gerücht entkräftet, so Gropper, dass durch die Vergütungssubventionierung indirekt Jobs in China geschaffen werden, da der Großteil der solarbezogenen Jobs nationale Jobs seien, die nicht nach China ausgelagert werden könnten. Als Abschluss des Kapitels der Entwicklung der Solarindustrie gab von Gropper noch einen Ausblick, basierend auf einer Studie der Roland Berger Strategy Consultants GmbH, dass es 2020, alle externen Kosten (Produktion, Umweltverschmutzung etc.) mit eingerechnet, wirtschaftlicher sein werde, Solarstrom zu nutzen als weiterhin auf Öl zu beharren.

Im nächsten Abschnitt fokussierte von Gropper auf das EEG. Er hob hervor, dass der wichtigste Punkt des EEG die präferierte Einspeisung erneuerbarer Energien in das Stromnetz sei, denn dadurch würde garantiert, dass jedes produzierte Kilowatt aus Solarenergie, auch wenn es teurer ist als ein gewöhnlich produziertes, verkauft wird. Zudem übe die gleitende Degression, wie bereits erwähnt, gleichzeitig Druck und den Anreiz auf die Industrie aus, effizienter und kostensparender zu produzieren, was bei einer gleichbleibenden Subventionierung nicht der Fall wäre. Dass die Kosten der Subventionierung an die 100 Milliarden Euro betragen, hielt Herr Gropper für angemessen und stellte sie in Relation zur Subventionierung der Atomindustrie früher und zur aktuellen Subventionierung der Kohleindustrie als verkraftbar dar. Zudem solle bedacht werden, dass die Subventionen ab 2020 komplett wegfallen und die auf eigenen Beinen stehende Solarindustrie Gewinn bringen wird. Das EEG sei nicht verabschiedet worden, um Jobs zu schaffen, dies sei nur ein positiver Nebeneffekt. Zudem stellte er heraus, dass das deutsche Modell, den Nutzen der erneuerbaren Energien statt bestimmte Formen der Energiegewinnung zu subventionieren, der beste Weg ist, um den Markt und die herrschenden Bedingungen zwischen den verschiedenen Energiegewinnungsverfahren nicht zu verzerren. Somit bleibe die Konkurrenz auf dem Markt gewährleistet und führe auf lange Sicht dazu, dass sich die effizienteste erneuerbare Energie durchsetzen und etablieren werde.

Für die Zukunft sei es v.a. wichtig, dass Produktion und Konsum von Energie zusammen gebracht würden, denn vor allem im Angesicht der Tatsache, dass Deutschland nun endgültig dem Atomstrom den Rücken kehren wird, reiche es nicht aus, nur auf die schlichte Nutzung erneuerbarer Energien zu setzen. Vielmehr seien „Intelligent Networks“ notwendig, die neue Ansätze entwickeln, wie z.B. die temporäre Speicherung von Energie, um die von der Tageszeit abhängige Schwankung von der Energieeinspeisung auszugleichen. Desweiteren müsse die Vergabe von CO2-Zertifikaten in Zukunft mit dem Anstieg der Nutzung der erneuerbaren Energien gesenkt werden, denn die Nachfrage nach Zertifikaten werde sinken, also müsse auch das Angebot beschränkt werden. Andernfalls würde man den Anspruch des Umweltschutzes untergraben.

Zum Schluss seiner Präsentation betonte von Gropper den Vorteil der Umweltfreundlichkeit des Solarstroms und, dass man Gewinnung und Nutzung des Solarstroms zu 100% dezentralisieren könne. Dafür müsse aber ein dem EEG ähnliches Gesetz geschaffen werden, inklusive der gleitenden Degression, um die Kosten im Rahmen zu halten und die nötigen Anreize zu geben.

Grünes Wachstum als Beschäftigungsmotor

Die zweite Präsentation von Prof. Sungjin Kang widmete sich dem Thema „Grünes Wachstum und Beschäftigungsaussichten“. Eine grundlegende Definition von Green Jobs sei die Voraussetzung, bevor man überhaupt Aussagen darüber machen könne, ob es Wachstumspotenzial für solche Jobs gebe. Dabei führte er z.B. Definitionen der UNEP (United Nations Environment Programme), der NRCS (Natural Resources Conversation Service) und der BLS (U.S. Bureau of Labour Statistics) an. Dann ging er näher auf die Klassifikation ein, mittels derer der NRCS und das BLS Green Jobs beschreiben. Die koreanische Klassifikation ist die KSIC (Korean Standard Industrial Classification), die amerikanische ist das NAICS (North American Industry Classification System). Kang gab anhand dieser Klassifikationen eine Übersicht der verschiedenen Codes und darüber, wie viele Wirtschaftsbereiche und Industriezweige in Korea als „grün“ klassifiziert werden.

Nachdem Kang die Problematik der Definition dargestellt hatte, ging er auf den Einfluss von Green Growth auf die Beschäftigung ein. Dabei machte er darauf aufmerksam, dass es nach dem UNEP vier verschiedene Arten von neuen, mit Green Growth verbundenen Arbeitsplätzen gebe, aber nur eine, die wirkliche Neuschaffung von Arbeitsplätzen nach sich ziehe. Die anderen substituierten entweder nur schon bestehende Arbeitsplätze (z.B. ein Arbeitsplatz einer Müllverbrennungsfabrik wird durch einen in einer Recyclingfabrik subsituiert), schüfen „nicht-grüne“ Arbeitsplätze komplett ab ohne neue zu schaffen oder definierten alte, „nicht-grüne“ Jobs einfach neu, sodass diese dann als „grüne“ Jobs gelten würden. Alle diese drei Arten hätten im Endeffekt keinen positiven Einfluss auf die Beschäftigungszahl; dies müsse beachtet werden, wenn man den Anstieg der Beschäftigung in Abhängigkeit vom Wachstum der grünen Industrie darstellen wolle. Aus dieser Problematik schloss Kang, dass ein Anstieg der Beschäftigung nur als Nebeneffekt von grünem Wachstum gesehen werden kann, was sich mit von Groppers Aussage aus der ersten Präsentation deckte. Dennoch gestand er, basierend auf verschiedenen Studien, dem grünen Wachstum durchaus genug Potenzial zu, auch wirklich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine dieser Studien ist z.B. die „Green Recovery“ Studie aus dem Jahr 2008. Diese spricht Investitionen in die Industrie der erneuerbaren Energien das Potenzial zu, viermal mal so viele Arbeitsplätze schaffen zu können, als wenn in die herkömmliche Energieindustrie investiert würde. Da die Studie aber bezogen auf die Rahmenbedingungen der USA durchgeführt wurde , hat sie wenig Relevanz für Korea und kann bestenfalls nur als Ansporn gesehen werden, was alles möglich sein könnte. Die für den Fall Korea durchgeführte Studie geht von einem Anstieg der Beschäftigtenzahl im Zeitraum 2008-2018 von 200.000 Jobs aus, gleichzeitig werde es in anderen Bereichen auch sinkende Beschäftigungszahlen geben, die aber in Relation zu den neu geschaffenen Green Jobs eher gering ausfallen.

Zum Schluss wies Kang noch darauf hin, dass in Deutschland das Bundesumweltministerium die führende Rolle in Sachen Green Growth spiele, womit er noch einmal verdeutlichen wollte, dass Green Growth in Deutschland aus ökologischem Bewusstsein gefördert wird, nicht um Arbeitsplätze zu schaffen.

Arbeitsplatzschaffung in Korea

Die dritte Präsentation von Dr. Moohyeon Joo befasste sich mit dem Thema „Erneuerbare Energien-Politik und Arbeitsplatzschaffung in Korea“. Einleitend merkte Joo u.a. an, dass fast alle Technologien, die zum Green Growth beitragen könnten, importiert würden und Korea in dem Punkt noch einiges aufzuholen hätte. Zudem bezifferte er die Ausgaben der Regierung Südkoreas für erneuerbare Energien im Zeitraum 2008-2010 auf ca. € 1,4 Milliarden.

Joo stützte seine Aussagen über den Anstieg der Beschäftigung in Abhängigkeit vom Wachstum der grünen Industrie auf verschiedene Modelle und Analysen, die eben diesen Zusammenhang untersuchen. Die drei Analysenformen waren die I-O Analyse (Input-Output), das CGE Model (Computable General Equilibrium) und die PSM Analyse (Propensity Score Matching). Nach der CGE Analyse würden die für die Förderung der erneuerbaren Energien ausgegebenen € 1,4 Milliarden insgesamt 51.000 neue Jobs in den kommenden zehn Jahren schaffen, in den drei Jahren zuvor wurden nach der CGE Analyse bereits 14.500 Jobs geschaffen. Auch wenn sich die Ergebnisse der Analysen unterscheiden, berechnen aber alle einen Anstieg der Beschäftigung durch Investition in den Bereich des Green Growth. Dafür brauche es aber v.a. Subventionen des Staates, um Anreize zu schaffen. Anders als von Gropper es sieht, sollen die verschiedenen Zweige der erneuerbaren Energien aber differenziert subventioniert werden. Zudem wies Joo noch darauf hin, dass es an ausgebildeten Facharbeitern mangele und eine entsprechende Ausbildung von Nöten sei. Auch hob er die Wichtigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Industriezweig hervor, da sie, wie in Deutschland, eine tragende Rolle spielen müssten. Eine gute Zukunft sah er v.a. für die Solarindustrie, insgesamt seien große Effekte - trotz des hohen Potenzials - aber erst langfristig zu erwarten.

Korea: Nur „Growth“ statt „Green“?

Die Diskutanten Frau Park Jin Hee und Herr Park Nyun-Bae hielten jeweils kurze Vorträge über die Probleme des Green Growth allgemein. Frau Park hob hervor, dass trotz der offiziellen Anstrengung, Green Growth in Südkorea zu fördern, der Fokus dennoch zu sehr auf Growth statt auf Green gelegt würde, gerade im Hinblick auf die immer noch präferierte Atomenergie. Zudem sei es wichtig, die Entwicklung der Grünen Industrie nicht nur den Chaebols zu überlassen, sondern auch die kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Außerdem sei die Analyse des Zusammenhangs zwischen Grünem Wachstum und Arbeitsplatzschaffung wichtig. Herr Park verglich in seinem Beitrag unter anderem die Zusammensetzung der produzierten Energie zwischen Deutschland und Südkorea. Zudem stellte er einen generellen Unterschied in der politischen Behandlung des Themas Green Growth fest, der sich auch in den viel höheren Beschäftigungszahlen in der deutschen Erneuerbaren Energien-Industrie wiederspiegelt. Außerdem sagte er, dass der Energiemix generell neue Jobs kreieren kann, wenn man ihn clever nutzt.

Professor Kang sagte, dass die Politik den Anstoß geben müsse, um auch Anreize in der Bevölkerung zu schaffen. Demnach sei die Politik nur anfangs verantwortlich für die Jobschaffung. Außerdem sollte man zuerst in Betracht ziehen, sich nur auf „Growth“ zu fokussieren, bevor man den Aspekt des „Green“ mit dazu nimmt, da das Wachstum der Wirtschaft immer noch die erste Priorität sei.

Von Gropper hob hervor, dass eine Standardisierung der Produkte eine Kostenreduzierung mit sich bringen würde da sich die Konsumenten dann im Voraus im Klaren darüber wären, welche Möglichkeiten sie haben, Solarzellen zu installieren, was wiederum dazu führt, dass die Produzenten standardisierte Produkte im großer Stückzahl herstellen könnten. Standardisierung würde die Kosten also nicht nur senken, sondern die Arbeit für alle Beteiligten (z.B. auch Architekten) um einiges leichter machen. Zusätzlich führte er an, dass in Deutschland die Preise für Solarmodule im Zei traum von 2008 bis heute um 75% gefallen sind.

In Deutschland, obwohl dort schon acht Atomkraftwerke abgeschaltet worden seien, konnte während des kürzlich aufgetretenen Energieengpasses, den Frankreich wegen der Kältewelle in Europa erlitt, trotzdem noch überschüssige Energie nach Frankreich abgezweigt werden. Dies sei, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Frankreich mit 58 Atomkraftwerken die Atom-Nation überhaupt ist, doch nur ein Argument für erneuerbare Energien bzw. den Verzicht auf Atomstrom.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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