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Veranstaltungsberichte

Nationale Sicherheit der Republik Korea im 21. Jahrhundert

Rolle und Verantwortung der Streitkräfte

Nahezu täglich berichten südkoreanische Zeitungen derzeit von Gebietsstreitigkeiten der regionalen Mächte um ostasiatische Inseln. Dies sowie der innerkoreanische Konflikt, welcher 2012 durch die Machtübernahme Kim Jong-uns ebenfalls an Aktualität gewonnen hat, bot genug Anlass, die regionale Sicherheitslage sowie die künftige Rolle der koreanischen Armee zu diskutieren.

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Aus diesem Grund veranstaltete das Auslandsbüro Korea der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Joint Forces Military University (JFMU) am 27. September 2012 eine Fachkonferenz zum Thema „National Security of the Republic of Korea in the 21st Century. Roles and Responsibilities of the Armed Forces“ auf dem Gelände der JFMU in Daejeon, einem Zentrum für Forschung u.a. in Sachen Sicherheitspolitik. Die rund 500 Teilnehmer wurden von Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, sowie Generalmajor Young-shik Kim (Präsident der JMFU) sowie Prof. Dr. Hyung-Tae Kim (Präsident der Hannam-Universität Daejeon) begrüβt werden.

Die deutsche militärische Wiedervereinigung als Vorbild - auch für Korea?

„Lektionen“ der deutschen Wiedervereinigung

Erster Redner der Veranstaltung war Generalleutnant a.D. Werner von Scheven. Ziel seines Vortrags war es, das Publikum an seinen Erfahrungen zur militärischen Wiedervereinigung teilhaben zu lassen. Zunächst stellte er die entscheidende Frage, ob die Übernahme einer anderen Armee feindlich oder friedlich erfolgen solle. Im Falle Deutschlands kam es zu einer friedlichen Übernahme im Zuge der gesamtdeutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, womit die ehemalige Nationale Volksarmee (NVA) offiziell Teil der Bundeswehr wurde.

Die Veränderungen in Ostdeutschland, so erklärte von Scheven, wurden durch das Bundeswehrkommando Ost geleitet. Die Umstrukturierungsprozesse unterteilte er in verschiedene Aufgabengebiete und ging hierbei auf die Herstellung von Führungsfähigkeit im Osten durch die Bundeswehr ein. So sei die Umgestaltung zu einem groβen Teil von westdeutschen Beamten und Offizieren übernommen worden. Dies gelte allerdings nicht für diejenigen Teile der DDR-Volksarmee, die im Umwandlungsprozess aufgelöst wurden. Diese seien bis zum Ende von ihren bisherigen Kommandeuren betreut worden, was laut von Scheven fast vollständig ohne Probleme erfolgte.

Als größte Herausforderung unter den zahlreichen Aufgabenstellungen beschrieb von Scheven jedoch die Qualifikation und Übernahme von NVA-Soldaten in die Bundeswehr. Brisant sei hierbei vor allem gewesen, dass die ostdeutschen Soldaten in der Bundeswehr zuvor ihren Feind sahen und im Rahmen der Wiedervereinigung kurze Zeit später selbst zum Teil dieses „Feindes“ werden sollten. Dies galt es bei Maβnahmen zur Eingliederung zu berücksichtigen, so der Generalleutnant. Allerdings sei die bloße Parteimitgliedschaft kein Kriterium zum Ausschluss eines Soldaten gewesen, da die Mitgliedschaft obligatorisch für alle Soldaten gewesen sei. Die Tätigkeit für die Staatssicherheit hingegen habe nicht toleriert werden können. Im Nachhinein sei die ideologische Indoktrination jedoch ein überraschend geringes Problem gewesen: So sei „die rote Einfärbung“ wie eine „zweite Haut“ von den Soldaten abgefallen.

Neben dem ideologischen Aspekt hätten sich aber auch die Qualifikationen der ostdeutschen Soldaten als schwierig in Bezug auf eine künftige Eingliederung erwiesen. So hätte die NVA über eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Offizieren verfügt, aber zu wenige Unteroffiziere beschäftigt. Durch die starke Spezialisierung der einzelnen Soldaten in der NVA seien sie zudem nicht flexibel einsetzbar gewesen. Problematisch seien auch die verschiedenen Führungsweisen gewesen. Zwar galt in beiden Armeen Gehorsam, so von Scheven, aber in der Bundeswehr herrsche eine Kombination aus Disziplin und Eigenständigkeit, was seiner Meinung nach essentiell für den Erfolg einer Armee sei. Da Eigenständigkeit mit Freiheit einherginge, hätte man ein solches Verhalten in der DDR nicht geduldet, es sei sogar gefährlich gewesen. Disziplin, gepaart mit Kontrolle, bestimmte die Organisation der NVA. Somit sei die Arbeitsweise der Soldaten, wie auch der gewohnte Führungsstil, völlig andere gewesen.

Im Wiedervereinigungsprozess stellten aber nicht nur mangelnde Kompetenzen Hürden dar, auch auf Ängste galt es entsprechend zu reagieren. Das Schlagwort laute hierbei Vertrauensbildung. Zu berücksichtigen gewesen seien die einzelnen Soldaten und ihre Existenzängste genauso wie das Misstrauen zwischen den beiden Teilen der Armee. Zuletzt galt es auch, die deutsche Bevölkerung und die Nachbarstaaten davon zu überzeugen, dass die erweiterte Bundeswehr zuverlässig und vertrauenswürdig sei. So hätten u.a. Polen und Tschechien aus historischen Gründen einer vereinten Armee skeptisch gegenüber gestanden.

Gegen Ende seiner Rede betont von Scheven noch einmal, dass es keine Alternative zu einer „Armee der Einheit“ gegeben habe. Die Verantwortlichen hätten lediglich in der Durchführung einen gewissen Handlungsspielraum gestalten können. Gesamtgesellschaftlich sah von Scheven die Umwandlung als gelungen an und bezeichnete die militärische Vereinigung als erfolgreicher als viele andere Reformen im Zuge der Wiedervereinigung. Er begründet dies damit, dass die Bundeswehr für Handlungen auf ungewissem Terrain am besten vorbereitet und befähigt gewesen sei. Bemerkenswert sei dies angesichts der Tatsache, dass die Bundeswehr nur einen sehr schmalen Zeitrahmen zur Verfügung hatte. Als Erklärung liefert der Generalleutnant die gute Ausbildung bzw. die hervorragenden Managementqualitäten in der Bundeswehr. Die Befehlshaber seien mehr als nur militärische Spezialisten, nämlich ausgezeichnete Krisenmanager. In dieser Qualifikation sieht von Scheven das Geheimnis des friedlich abgelaufenen Prozesses der militärischen Wiedervereinigung. Am Ende des besagten Umwandlungsprozesses wurden 110.000 der ehemals 500.000 NVA-Soldaten in den Dienst der Bundeswehr übernommen.

Bezüglich der koreanischen Vereinigung könnten unter Berücksichtigung der deutschen Erfahrungen noch bessere Lösungen gefunden werden, so von Scheven. Deutschland habe bewiesen, dass die militärische Führung schneller reagieren konnte als die Politik. Die koreanische Armee müsse unbedingt in die Ausbildung der Soldaten und Offiziere investieren. Sie brauche schnelles und flexibles Führungspersonal in der Armee, das die Herausforderung einer möglichen Wiedervereinigung ähnlich wie die Bundeswehr oder möglicherweise besser bewältigen könne.

Die Anwendung der deutschen Erfahrungen in Korea bildete auch den thematischen Schwerpunkt der anschlieβenden Fragen. U.a. stellte man dem Referenten die Frage, was für eine schnelle Wiedervereinigung Koreas getan werden müsse. Von Scheven betonte hierbei nochmals seinen Standpunkt, dass es schlichtweg kein Rezept zur Wiedervereinigung gebe. Man müsse deshalb in alle Richtungen denken, was eine fundierte Ausbildung unabdingbar mache. Die konkrete Vorbereitung könne - so habe die deutsche Geschichte gezeigt - erst im entscheidenden Fall getroffen werden. An dieser Stelle appellierte er an die JFMU, dies in ihrer Forschung und Lehre zu berücksichtigen und damit einen Beitrag zu einer zukünftigen Wiedervereinigung zu leisten.

Die südkoreanische Armee als entscheidender Faktor für eine mögliche Wiedervereinigung Koreas?

Oberst Jung Jae-Ho (ehemaliger südkoreanischer Militärattaché in Deutschland) stellte in seinem Vortrag ebenfalls einige Überlegungen zur deutschen Wiedervereinigung an, um daraus seine Schlüsse für eine Prognose zur koreanischen Wiedervereinigung zu ziehen. Dabei erläuterte er zunächst, wie es zu einer friedlichen Wiedervereinigung in Deutschland hatte kommen können. Hier nannte er zwei entscheidende Gründe. Einerseits habe der friedlich Ablauf damit zu tun, dass eine groβe Anzahl von Menschen an den Demonstrationen teilnahm, so hätte kein Soldat „auf seine eigenen Kinder schieβen wollen“. Hinzugekommen sei noch die Enttäuschung über die Sowjetunion. Mit Nordkorea verhalte es sich insoweit anders, als dass die Armee eine sehr zentrale Rolle im Staat spiele. Für eine gesamtstaatliche Wiedervereinigung müsse deshalb zuerst auch nach einer Strategie für die militärische Wiedervereinigung gesucht werden. Man solle deshalb Überlegungen anstellen, welches militärische Modell bei einer Wiedervereinigung infrage kommen könnte.

Oberst Sock Seung-Kyu betonte in seinem Kommentar zunächst die unterschiedlichen Ausgangssituationen von Deutschland und Korea. So dürfe bei der Diskussion nicht vergessen werden, dass Nord- und Südkorea einen Krieg gegeneinander geführt hätten und es auch in naher Vergangenheit noch zu Zwischenfällen mit Todesopfern gekommen sei. Nichtsdestotrotz gäbe es Grund zur Hoffnung. Wichtig sei es, die Bedeutung von Demokratie im Wiedervereinigungsprozess zu berücksichtigen, wie es auch in Deutschland geschehen sei. Unerlässlich für eine Wiedervereinigung sei mehr als alles andere, dass ein gewisses Vertrauen hergestellt werden müsse. Dies sei unabdingbare Voraussetzung für ein vereintes Korea in der Zukunft.

Bei der Konferenz fiel auf, dass immer wieder der Versuch unternommen wurde die historischen Geschehnisse in Deutschland auf ein künftiges Szenario in Korea zu übertragen und zu diesem Zweck nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zu suchen. So wurde die Einmaligkeit „der Zeit der Umwälzungen“ in Europa während und nach dem Kalten Krieg betont. So seien die Feindstaaten um Deutschland herum verschwunden. Dies stellte das Militär vor die Notwendigkeit, seine Sicherheitsstrategien grundlegend zu ändern, beispielweise unter Berücksichtigung der Frage, was mit den westdeutschen Grenztruppen geschehen sollte, da eine Verteidigung gegen den Osten ab 1990 nicht mehr notwendig schien. Generell galt es seither, ständig neue Reformen einzuleiten. Dies sei keine leichte Aufgabe, aber unabdingbar. Auch die koreanische Armee müsse sich dies vor Augen halten. Letztendlich wurde in diesem Punkt der Ratschlag beherzigt, dass man keine detaillierte Planung anfertigen könne, sondern die Armee auf flexibles Handeln im Falle der Wiedervereinigung ausbilden müsse. Gleichzeitig solle man künftig noch mehr Informationen über die Situation der nordkoreanischen Armee einholen. Dies sei die Grundlage, auf der im Ernstfall aufzubauen sei. Unter den Experten herrschte Einigkeit darüber, dass die deutsche Wiedervereinigung ohne die genannten Kompetenzen niemals den gleichen Erfolg hätte erzielen können.

Anlässlich der Erkenntnis, dass eine fundierte militärische Ausbildung essentiell sei, wurde die Frage nach der Notwendigkeit einer speziellen Akademie bzw. eines gesonderten Studienfaches für die militärische Wiedervereinigung Koreas diskutiert. Aus Angst, dies könne als Provokation gegenüber dem Norden angesehen werden, wurde die Idee allerdings abgelehnt und eine diskrete Behandlung der wissenschaftlichen Forschung zu diesem Szenario bevorzugt. Ergänzt werden könne dies durch mehr politische Bildung zum Thema koreanische Wiedervereinigung, einhergehend mit Gesetzen, die die Grundlagen für eine künftige Wiedervereinigung schaffen könnten.

Regionale Sicherheitspolitik

Koreas Stellung im Machtkampf zwischen den USA und China im asiatisch- pazifischen Raum

Da die die Beschäftigung mit der nationalen Sicherheit im 21. Jahrhundert zwangsläufig global bzw. regional erfolgen sollte, nahm Dr. Chang-Hyung Lee (Korea Institute of Defense Analysis) die geopolitische Situation Koreas zum Ausgangspunkt seines Vortrags. Er stellte eine elementare Frage in Bezug auf die koreanischen Außenbeziehungen, nämlich nach welcher Macht sich Korea künftig ausrichten solle: den USA oder China? Bei Koreas langjährigen Bündnispartner, den USA, könne beobachtet werden, dass dessen auβenpolitischer Schwerpunkt wieder zunehmend die Asien-Pazifik-Region sei. Eine Erklärung dafür fände sich wiederum in der Strategie Chinas. Da das Land einen groβen Bedarf an Ressourcen habe, mache es zunehmend von seiner geografischen Lage an zwei Ozeanen Gebrauch. Dies führe zu zahlreichen Streitigkeiten in der Region, bedeute aber gleichzeitig auch eine Bedrohung der amerikanischen Machtstellung im Asien-Pazifik-Gebiet.

Für Korea bedeute dieser Machtkampf zwischen China und den USA, sowie die Konkurrenz zwischen den asiatischen Ländern untereinander „kurzfristig eine Chance, langfristig eine Herausforderung“. Die Machtverhältnisse in der Region seien für Korea auch mit Blick auf eine mögliche Wiedervereinigung entscheidend. Deshalb gelte es, den Machtkampf unbedingt aufmerksam zu verfolgen. Für die Zukunft prophezeite Dr. Lee, dass die Macht Chinas, die der USA (bis 2080 auch militärisch) übersteigen werde. Dies gelte es bei Koreas künftiger Ausrichtung zu berücksichtigen. Er riet dazu, mit dem geografisch weit entfernten USA wie bisher eng zusammen zu arbeiten, allerdings unbedingt auch eine Freundschaft zu China zu pflegen.

Der Diskutant Prof. Eun-Gu Lee (Hannam-Universität) brachte zur Betrachtung der Machtverhältnisse in der internationalen Politik ergänzend die „Theorie der Häuser“ ein. Dieses Konzept biete ebenfalls eine Erklärung dafür, dass eine solche Konkurrenz um Machtpositionen im asiatischen Raum entstanden sei. Allerdings werden von ihm die Ausgangspositionen sowie die Motive der Akteure abweichend beurteilt. So wollten einerseits die USA ihren Einfluss auch auf Asien vergrößern, aber auch Europa hätte nach Ende des Ost-West-Konflikts ein verstärktes Interesse am asiatischen Kontinent. China, als stärkste regionale Macht sieht sich dadurch bedroht. Einigkeit herrschte weiterhin darüber, dass der „Wert“ Koreas in der internationalen Politik gestiegen sei.

Jointness als geeignete Antwort auf regionale Konflikte sowie Drohgebärden Nordkoreas?

Geht es um zukünftige „Erfolgsrezepte“ für Sicherheitsstrategien, ist immer häufiger von „Jointness“ die Rede. So durfte die Thematisierung des Konzeptes auch in einer Konferenz zur Rolle der koreanischen Armee im 21. Jahrhundert nicht fehlen. Den Vortag zum Thema Jointness und dessen Anwendung zur Verbesserung der nationalen Sicherheit hielt Dr. Jung-Ik Kim (Korea Institute of Defense Analysis). Er plädierte für eine Stärkung der Jointness in der südkoreanischen Armee. Eine ausgefeilte Militärstrategie sei wiederum entscheidend für den Erfolg und die Erstarkung von Jointness. So müsse man sich mit Blick Richtung Norden v.a. die Frage stellen, mit welchen Strategien die nordkoreanische Armee kämpfe. Es gelte, die eigene Strategie derjenigen des Gegners anzupassen. Folglich seien auch Reformen unerlässlich und immer wieder vorzunehmen. Dr. Kim plädiert aber auch dafür, Militärstrategien so flexibel zu entwickeln, dass man sie in der Zukunft je nach Umfeld anwenden könne.

Der Diskutant Oberst Yun Gi-Sun wiederum definierte Jointness nicht als Zweck, sondern als Ziel. Zweck hingegen sei es zu siegen. Zur Entwicklung und Umsetzung des Konzepts gab er zu bedenken, dass allein die Mischung der Streitkräfte keine Jointness sei. Jeder Bereich für sich müsse optimal entwickelt sei n, damit eine gemeinsame Operation im Sinne der Jointness Erfolge erzielen könne. Zudem mahnte er, dass man sich nicht zu sehr auf die klassische Form des Krieges mit Tiefoperationen konzentrieren dürfe, denn heute seien auch andere Szenarien denkbar. Kontrovers wurde weiterhin darüber diskutiert, dass in manchen Ländern die klassischen Feinde der einzelnen Streitkräfte eines Staates verschieden seien. Dies stelle das Konzept in Frage. Zudem dominiere ein Teilbereich in vielen Armeen, in Korea etwa das Heer. Dies mache das Ziel der Jointness schwierig.

Anwendungsorientierung im Zentrum der militärischen Ausbildung

Am Ende der Konferenz ergriff der Präsident der JFMU, Generalmajor Kim Young-Shik, nochmals das Wort. Auch er verwies auf die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung. Hierbei sprach er besonders die Mentalität des Lernens an. Man solle „nicht nur lernen, sondern auch anwenden.“ Zur militärischen Wiedervereinigung Koreas bedürfe es v.a. einer hochqualifizierten Führung zum optimalen Krisenmanagement.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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