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Veranstaltungsberichte

Soziale Marktwirtschaft und KMU-Förderung

Deutsche Erfahrungen und Politikaufgaben für Korea

Seit Langem debattieren koreanische Experten strittig die Rolle kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) für die koreanische Volkswirtschaft. In einem Land, dessen ökonomische Strukturen maßgeblich von Industriekonglomeraten, den sogenannten „Chaebols“, bestimmt werden, ist dies insbesondere auch im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf zu einem wichtigen Thema geworden. Dabei geht es um Wachstums- und Innovationsförderung, aber auch ganz allgemein um die von bestimmten politischen Lagern geforderte Demokratisierung der koreanischen Wirtschaft.

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In diesem Zusammenhang blicken viele in Korea auf Deutschland und dessen Soziale Marktwirtschaft als Orientierungsmodell für Koreas Zukunft. Grund genug, für die Konrad-Adenauer-Stiftung, am 20. September 2012 in Zusammenarbeit mit der „Koreanischen Gesellschaft für Ordnungsökonomik” (ORDO) und dem „Korea Institute for International Economic Policy“ (KIEP) eine Fachkonferenz zum Thema „Soziale Marktwirtschaft und KMU-Förderung – deutsche Erfahrungen und Politikaufgaben für Korea“ zu veranstalten.

Die rund 70 geladenen Gäste wurden von Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, sowie Prof. Dr. Shin-Joo Hwang, dem Präsidenten von ORDO, in den Räumlichkeiten der „Korea Federation of Small and Medium Businesses“ begrüβt. Annette Knobloch, Politik- und Pressereferentin der deutschen Botschaft, verlas ein Grußwort des neuen deutschen Botschafters in der Republik Korea, Rolf Mafael. Darin erwähnte er Beispiele deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die in ihren Branchen Weltruf genössen und beispielhaft für Beschäftigungs- und Wachstumsimpulse stünden, die von dieser Unternehmensgruppe ausgehen könnten.

Förderung von KMU: ein deutsch-koreanischer Vergleich

Im ersten Vortrag gab Dr. Ik-sun Kim (Korea Small Business Institute) einen kurzen Überblick über das Verhältnis zwischen großen und kleinen bzw. mittleren Unternehmen in Korea. Es sei ein Ungleichgewicht zum Nachteil der kleineren Unternehmen festzustellen, aber genau diese Betriebe seien elementar für eine positive Entwicklung der koreanischen Wirtschaft. Kim ließ eine Aufzählung der bisher erbrachten Leistungen zur Förderung von KMU in Korea folgen. So wurden u.a. gesetzliche Richtlinien zur Vergabe von Aufträgen beschlossen. Die bisherigen Maβnahmen erzielten bisher nicht den gewünschten Erfolg, weshalb Kim eigene Lösungsansätze präsentierte. Ziel ist hierbei ein gemeinsames Wachstum der verschiedenen Unternehmen auf dem koreanischen Markt. Genannt wurde beispielsweise ein Index, welcher das Engagement zu kooperativen Wachstum messen soll. Weiterhin erläuterte Kim, dass die Verleihungen von Auszeichnungen als Motivation für gemeinsames Wachstum dienen könnten. Die koreanische Wirtschaft könne und müsse eine Entwicklung hin zu mehr Kooperation und Solidarität nehmen, angestoßen durch die genannten Maβnahmen.

Nachdem die Situation der KMU sowie deren Förderung aus koreanischer Sicht dargestellt worden waren, berichtete Prof. em. Dr. Hans-Rimbert Hemmer zwecks eines Vergleichs der deutschen und koreanischen Wirtschaft von Erfahrungen und Maßnahmen zur Förderung der KMU in Deutschland. Zur Klärung des Begriffs KMU merkte er an, dass das Verständnis von Land zu Land variiere und die Definition der EU (unter 250 Beschäftigte; unter 50 Mio. Euro Umsatz pro Jahr) eher als Richtwert für diese sehr heterogene Gruppe anzusehen sei. Hemmer wandte sich der Frage zu, weshalb diese spezielle Gruppe der Unternehmen zu fördern sei. Prinzipiell ist ein Eingriff in den Markt nach Meinung des Experten nur gerechtfertigt, wenn der Wettbewerb verzerrt ist. Er erläuterte weiter, dass es im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft zu den sehr begrenzten Aufgaben des Staates gehöre, einen Wettbewerb zu garantieren. Benachteiligungen der kleineren Unternehmen durch asymmetrische Machtverhältnisse zwischen KMU und Grossunternehmen gelte es folglich zu überwinden.

Allerdings sah Hemmer bei der Förderung der KMU, wenngleich diese prinzipiell sinnvoll sei, ein generelles Problem. So brauche man - ähnlich wie in der Medizin - „Prophylaxe und keine Reparaturmassnahmen“. In Deutschland sei es hingegen oftmals umgekehrt. Für die KMU-Förderung bedeute dies, dass kleine Unternehmen so zu unterstützen seien, dass sie eine Chance haben in Wettbewerb zu treten, nicht aber sei es Aufgabe oder Ziel, den Wettbewerb zu unterbinden. Konkrete Unterstützung erhielten die KMU in Deutschland, u.a. bedingt durch das föderale System, auf vielfältige Art und Weise. Exemplarisch führte er hierbei die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an, die den KMU den Zugang zum Kapitalmarkt ermögliche. Hemmers Fazit: Förderung der KMU ist generell in einer Sozialen Marktwirtschaft sinnvoll, aber die Praxis sei derzeit nicht befriedigend. So müsse, neben der Bearbeitung der erwähnten Kritikpunkte, auch eine Weiterentwicklung der Förderung unter Berücksichtigung der Globalisierung erfolgen.

In der anschlieβenden Diskussion brachte Prof. Dr. Jun-sung Hwang in Bezug auf den ersten Vortrag der Konferenz den Begriff des „fairen Wettbewerbs“ ein, der in den folgenden Vorträgen noch des Öfteren aufgegriffen wurde. Zudem forderte er zu einem Perspektivwechsel von Konkurrenten hin zu kooperierenden Marktteilnehmern auf, damit sich ein „plus sum game“ für alle beteiligten Akteure entwickeln könne. Prof. Dr. Doo-Soon suchte nach Parallelen der KMU in Deutschland und Korea. Er merkte an, dass die Situation in Deutschland deutlich besser sei als in Korea, möglicherweise aufgrund der vielschichtigen Förderprogramme.

KMU: Erfolgsbeispiele aus Deutschland und Korea

Prof. Dr. Byung-Sun Cho von der Soongsil Universität berichtete zum Auftakt der zweiten Session über seine Studie zum Thema der deutschen „Hidden Champions“. Unter diesem Begriff versteht man laut Cho Unternehmen, die als KMU gelten und über einen durchschnittlichen Bekanntheitsgrad verfügen, obwohl sie wirtschaftlich besonders erfolgreich sind. Als Beispiel wurden die Unternehmen Freudenberg und Merck genannt. Charakteristisch ist, dass diese ein starkes Wachstum durch Export erzielen. Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis fiel Prof. Cho auf, dass es meist die Zielsetzung der Hidden Champions sei, „Global Market Leader in einer Nische“ zu werden. Bei seinen Untersuchungen konnte er allerdings noch weitere Gemeinsamkeiten entdecken. Diese beziehen sich vor allem auf den Führungsstil und das Wertesystem der Unternehmer. Der Erfolg der KMU hänge weiterhin mit dem deutschen dualen Ausbildungssystem zusammen, welches international eine Besonderheit darstellt. In Korea falle auf, dass die Chaebols, welche als globale Multiplayer in vielen Bereichen agieren, in starkem Kontrast zu den deutschen Hidden Champions stehen, die sich ihrerseits auf einen speziellen Bereich beschränken.

In Anschluss folgte die genauere Betrachtung eines solchen Hidden Champions. Um die Informationen aus erster Hand zu erhalten, wurde Thomas Geyer, Präsident von Vector Korea IT, einem Unternehmen der Automobilzuliefererbranche, eingeladen. Geyer gab zunächst einen Überblick über die Struktur und die Entwicklung seines Unternehmens, welches als sehr erfolgreich bezeichnet werden kann. Bei seinen Ausführungen fielen ungewöhnliche Maβnahmen in der Unternehmensführung auf. So wurde eine eigene Stiftung gegründet, in die 60 Prozent des Gewinns fließen; dies wird mit dem Nachhaltigkeitsdenken des Unternehmens begründet. Unternehmen profitierten von der Gesellschaft, z.B. in Bezug auf Bildung, somit sollten sie seiner Auffassung von Vector auch etwas zurückgeben. Zur Förderung deutscher KMU merkte er an, dass er diese nur sehr eingeschränkt für notwendig erachte. Förderungen seien, wenn überhaupt, nur zur Unterstützung der Unternehmensgründung sinnvoll. Geyer hält die Möglichkeiten des Staates zur wirtschaftlichen Intervention im Allgemeinen für recht begrenzt. Entscheidend für ihn sei, dass faire Chancen für kleine Unternehmen bestünden, um auf dem Markt aktiv sein zu können. Darüber hinaus sei eine vom Staat gewährleistete Infrastruktur, auf die die Unternehmen zurückgreifen können, unabdingbar. Sind diese Voraussetzungen geschaffen, benötige eine erfolgreiche Unternehmung keine zusätzliche Hilfe seitens des Staates, so Geyer. Anders verhält es sich für ihn aber mit der Unterstützung durch Verbände im Sinne einer gemeinsamen Interessenvertretung.

Als koreanisches Pendant zum deutschen Unternehmer stellte Won Hae Lee (CEO von Daemo Engineering Co.) die Geschichte seines noch recht jungen Unternehmens dar. Zunächst erläuterte er zahlreiche Schwierigkeiten, die mit der Unternehmensgründung in Korea einhergingen. Ein Punkt seiner Ausführung war diesbezüglich das Verhältnis zwischen den kleineren Unternehmen und den großen Konglomeraten in Korea. Seine erste Kooperation mit einem solchen Großkonzern endete negativ, was ihn zunächst von einer weitereren Zusammenarbeit mit Chaebols abschreckte. Allerdings habe er bei einem späteren Versuch sehr positive Erfahrungen in einer solchen Kooperation gemacht habe und profitiere noch heute von der Zusammenarbeit. Folglich könnte Daemo als Paradebeispiel für die vorherige Forderung nach mehr Kooperation von Dr. Kim angesehen werden. Allerdings ergaben sich für Lee noch weitere Schwierigkeiten bei der Etablierung seines Unternehmens. Als problematisch beschrieb er die Suche nach internationalen, im Besonderen deutschen, Kooperationspartnern. Diese Zusammenarbeit stellte für den Unternehmer von Beginn an eine hohe Priorität dar. Einerseits sehe er die deutschen KMU als Inspiration, andererseits sei eine solche Zusammenarbeit aber auch essentiell zur Erschließung ausländischer Märkte. Interessant an den Ausführungen Lees war, dass er im Gegensatz zu seinem deutschen Unternehmerkollegen staatliche Unterstützung als hilfreich und notwendig für Unternehmensgründer bewertete und solche Maßnahmen auch selbst in Anspruch nahm. Abschließend erläuterte der Geschäftsführer von Daemo noch seine Unternehmenspolitik, die elementar für die positive Entwicklung war. Hierbei fällt die Betonung des Nachhaltigkeitsgedankens in seinen Ausführungen auf. Als Beispiel kann die Teilung des Gewinns mit allen Mitarbeitern des Unternehmens genannt werden.

Im Anschluss kommentierte Prof. Dr. Kang-sik Kim (Korea Aerospace University), dass an den Vorträgen die Brisanz des Themas Hidden Champions deutlich werde, es aber bislang an einer eindeutigen Definition fehle, welche Unternehmen als Hidden Champions gelten. Es sei Aufgabe der Wissenschaft, dies zu ändern. Dr. Myong-duk Koh vom Institut für nationale Sicherheitsstrategie stellte ebenfalls eine Forderung an die Politik. Ihm fehle bisher eine nationale Strategie, wie das Erfolgsmodell der Hidden Champions auch in Korea mehr Anwendung finden könnte. Dr. Kiu-sik Bae (Korea Labour Institute) schloss inhaltlich an seinen Vorredner an, indem er auf das duale Ausbildungssystem in Deutschland verwies. Dieses habe einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Humanressourcengewinnung und folglich zum Erfolg der Hidden Champions geleistet. An solchen Systemen zur Ausbildung von Fachkräften fehle es in Korea laut Bae noch.

Welche Anforderungen ergeben sich für die künftige Politik Koreas zur angemessenen Förderung der KMU?

Nak-hoon Kim (The Korea Economic Daily) vertrat die These vertrat, dass Korea sich in Bezug auf KMU stärker am deutschen Vorbild orientieren müsse, sollte es sich weiterentwickeln wollen. Yu-Hyun Cho (Korea Federation of Small and Medium Businesses) ergänzte diese Forderung noch damit, dass Deutschlands Wirtschaft in der Vergangenheit vor ähnlichen Problemen stand wie Korea heute und die Politik sich diese Erfahrungen zunutze machen müsse, um optimierte Lösungen für Korea finden zu können. In diesem Prozess sei seiner Meinung nach aber auch eine künftige Wiedervereinigung Koreas miteinzubeziehen. Han Gyo Cho (Senior Manager der Small & Medium Businesses Corperation) verwies auf die vorherrschende Angst vor einer Unternehmensgründung in Korea und forderte Maßnahmen, die diesem Trend entgegenwirken.

Da sich im Laufe der Veranstaltung zahlreiche Fragen an Professor Hemmer richteten, erhielt dieser das Schlusswort der Diskussionsrunde. Er eröffnete seinen Beitrag mit einer provokanten Kritik am Diskurs zur Entwicklung der koreanischen Wirtschaft. So habe er den Eindruck, es „herrsche eine Mentalität des gemeinsamen Jammerns“. In Bezug auf Wettbewerb führte er aus, dass es seiner Meinung nach falsch sei, von einem fairen Wettbewerb zu sprechen, vielmehr ginge es um einen funktionierenden Wettbewerb, welcher wiederum durch eine Balance zwischen Macht und Gegenmacht gewährleistet würde. Auch den Begriff der Kooperation, so mahnte er, gelte es in Relation zu sehen. So hinge die Entscheidung zum Kooperieren oder Konkurrieren im wirtschaftlichen Handeln letzten Endes doch immer davon ab, wie man die höchsten Gewinne erzielen könne. Abschließend appellierte er an die koreanischen Experten, dass es einer übergeordneten Zielsetzung für das koreanische Wirtschaftssystem bedürfe, bevor man ausführlich über konkrete Fördermaßnahmen diskutieren könne.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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