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Veranstaltungsberichte

Die Rolle nichtstaatlicher Organisationen bei der Friedenssicherung in Nordostasien

IST EINE AUSDEHNUNG ZIVILGESELLSCHAFTLICHER AKTIVITÄTEN SINNVOLL?

Die Rolle der Zivilgesellschaft in Korea in Bezug auf die Außenbeziehungen des Landes ist bisher sehr begrenzt geblieben. Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Hannam-Universität in Daejeon am 06. November 2013 ein Seminar, um den möglichen Handlungsrahmen eines zivilgesellschaftlichen Engagements zur Friedenssicherung in Nordostasien zu diskutieren.

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Das Seminar wurde von Dr. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der KAS, eröffnet. In seinem Grußwort brachte er seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Universität aus eigener Initiative sich dem Thema der gesellschaftspolitischen Rolle der koreanischen Zivilgesellschaft widme. Die nichtstaatlichen Organisationen und Bewegungen Südkoreas hätten eine beachtliche Tradition im Land, besonders im Kontext der Demokratiebewegung der späten 1980er Jahre.

Im darauffolgenden Einführungsvortrag betonte Geo-don Oh, Präsident der Sea Power League der Republik Korea und früherer Minister des ehemaligen Ministry of Oceans and Fisheries, einleitend, dass die schwelenden maritimen Territorialkonflikte in Nordostasien auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen seien. Beispielsweise stellten der vermutete Rohstoffreichtum in den umstrittenen Seegebieten und die damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen der Anrainerstaaten wichtige Gründe für die zuletzt gestiegenen Spannungen in der Region Nordostasien dar, da die beteiligten Parteien versuchten, die Erschließung der Rohstoffquellen exklusiv für sich zu beanspruchen.

Darüber hinaus seien historische Gründe und die daraus hergeleiteten Territorialansprüche und Gegenansprüche mitverantwortlich für die angespannte Lage in Nordostasien. So sei der koreanisch-japanische Territorialkonflikt über die Dokdo-Inseln (japanisch: Takeshima) von wechselseitigen Provokationen sowie starken nationalistischen Tendenzen auf beiden Seiten geprägt. Folglich, konstatierte Oh, dass das hohe Maß an Emotionalität, welches die Territorialkonflikte bestimme, den Handlungsspielraum von Zivilgesellschaftsorganisationen hinsichtlich der Einflussnahme auf den Friedensprozess in Nordostasien begrenze.

Nichtsdestotrotz schloss Oh seinen Einführungsvortrag, indem er die beteiligten Organisationen dazu ermutigte, relevante Fallstudien erfolgreicher ausländischer Pendants zu studieren mit dem langfristigen Ziel, zur Konfliktschlichtung in der Nordost-Asien beitragen zu können.

Status und Herausforderungen der maritimen Territorialkonflikte in Nordostasien

In der ersten Sitzung des Seminars wurden sowohl Status als auch Herausforderungen der maritimen Territorialkonflikte in Nordostasien thematisiert. Zu diesem Gegenstand referierte Professor Lee Sek-young von der Hannam-Universität einleitend über die rechtlichen Rahmenbedingungen der aktuellen Situation.

In Einvernehmen mit den vorangegangenen Ausführungen Ohs betonte Lee zunächst, dass den mannigfaltigen Territorialkonflikten in der Region Nordostasien gleich mehrere Ursachen zu Grunde lägen: Erstens sei die geografische Beschaffenheit der Seegebiete Nordostasiens überaus kompliziert, da es eine große Anzahl an verstreut gelegenen Inseln und Kleinstinseln gebe. Zusätzlich seien die drei Meere der Region (Japanisches Meer, Gelbes Meer, Ostchinesisches Meer) von den Küsten mehrerer Staaten umgeben weshalb man diese als „halbumschlossene Meere“ (semi-enclosed seas) klassifizieren müsse. Dies führe dazu, dass sich die im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen beschriebenen „ausschließlichen Wirtschaftszonen“ (Exclusive Economic Zones) der Anrainerstaaten mitunter überschnitten, was wiederum Unklarheiten hinsichtlich der Seegrenzen und Hoheitsansprüche über die relevanten Seegebiete zuließe. Dieser arbiträre Interpretationsspielraum veranlasse die Konfliktparteien dazu, eine Vielzahl an konkurrierenden Argumentationen im Sinne eigener geopolitischen Nationalinteressen anzuführen und somit die Konflikte weiter zu verschärfen.

Zweitens sei die besondere historisch-politische Situation Nordostasiens als Ursache für die regionalen Spannungen zu nennen. Ausgehend vom Zeitalter des Imperialismus, sei das moderne Völkerrecht nur langsam durch die Grenzen der nordostasiatischen Länder diffundiert, so dass sich diese erst spät an die neuen internationalen Rechtsstrukturen angepasst hätten. Dies habe dazu geführt, dass eine rasche, allgemein anerkannte Lösung der Territorialansprüche in Nordostasien, im Gegensatz zur europäischen Region, nur langsam voranschreite. Zusätzlich hätten insbesondere Japans imperialistische Vergangenheit sowie der Kalte Krieg dazu beigetragen, dass sich die nationalen Fronten verhärteten und bis heute die Chance auf konstruktive Gespräche zur Beilegung der aktuellen maritimen Territorialkonflikte erheblich schmälerten.

Drittens sei die von den beteiligten Ländern intensivierte Reklamation von maritimen Hoheitsansprüchen auf den ökonomischen Wert der natürlichen Meeresressourcen zurückzuführen. So würde es den beteiligten Staaten nur vordergründig um die Verwaltungshoheit über relativ unbedeutende Inseln gehen. Tatsächlich seien die Konfliktparteien bestrebt, die Markierung und Erweiterung ihrer „ausschließlichen Wirtschaftszonen“, die nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen dem Verwalter das exklusive Recht zur Erforschung und Bewirtschaftung einräumen, zu sichern.

Vor dem Hintergrund dieser Faktoren sei der Dokdo-Konflikt mit Japan aus südkoreanischer Perspektive am bedeutendsten. Nach Auffassung Lees sei es unbestreitbar, dass Dokdo in historischer, geografischer und politischer Hinsicht zu Südkorea gehöre. Es stelle sich somit nicht etwa die Frage, ob die Felsformation koreanisches oder japanisches Territorialgebiet sei, sondern wie Südkorea seine Hoheitsansprüche gegenüber Japan rechtlich bestätigen und im Zweifelsfall auch durchsetzen könne.

Neben dem Dokdo-Konflikt mit Japan sei der Konflikt mit China über den unterseeischen Socotra-Felsen, auf dem Südkorea eine Forschungsstation betreibt, von nationaler Bedeutung. Auch im Fall des Socotra-Felsens sei es nicht zu bestreiten, dass die Gewässer um den Felsen südkoreanisches Seegebiet seien. Allerdings sei es problematisch, den hieraus abgeleiteten Territorialanspruch durchzusetzen, da die bestehenden Seegrenzen unklar seien und nur bedingt den tatsächlichen geografischen Gegebenheiten entsprächen. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Socotra-Felsen jedoch auf dem Festlandssockel Südkoreas befinde, müsse man die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten, um eine rechtlich verbindliche Übereinkunft mit China zu treffen. Aufgrund der diffusen rechtlichen Lage solle man solle letztlich in Erwägung ziehen, provisorische Grenzen zu verhandeln mit dem Ziel, eine neue Abmessungen der Seegebiete auf Basis geografischer Tatsachen und letztlich eine neue, von allen Parteien anerkannte Grenzziehung herbeizuführen.

Die Diskutanten der ersten Sitzung, Professor Lee Hyung-woo (Hannam-Universität), Jung Sung-yub (ehemaliger Sprecher der Seestreitkräfte) und Lee Sang-gi (ehemaliger Präsident von „Asia N“ und der „Asia Journalist Association“) betonten einvernehmlich, dass die Beziehungen unter den drei nordostasiatischen Ländern Südkorea, Japan und China seit dem Ende des Kalten Krieges nicht zuletzt aufgrund einer intensivierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit erhebliche Fortschritte gemacht hätten. Die aktuellen Territorialkonflikte würde diese positive Entwicklung allerdings untergraben. Da es sich gezeigt habe, dass rechtliche Untersuchungen und juristische Feinheiten aufgrund divergierender Interpretationen mitunter zu einer Verschärfung der Territorialkonflikte führen können, stünden zivile Basisbewegungen vermehrt in der Verantwortung, Impulse für einen nachhaltigen Frieden in der Region zu setzen. Dabei sei die Rolle von nichtstaatlichen Organisationen gerade aufgrund der Tatsache, dass viele der aktuellen Konflikte die Menschen in der Region emotional stark berührten, von hervorgehobener Bedeutung. In dieser Hinsicht seien Initiativen von Bürgerbewegungen aus der Mitte der Gesellschaft in der Lage, die Menschen persönlich zu erreichen und negative Emotionen sowie aufkeimende extreme Nationalismusströmungen einzudämmen, indem man politische Bildung betreibe und internationale Partnerschaften aufbaue.

Als Beispiel könne die südkoreanische Bürgerbewegung „Daejeon Citizen Union“ angeführt werden, die seit Jahren freundschaftliche Beziehungen zu japanischen Zivilgesellschaftsorganisationen pflege. Zusammenfassend kam man zu dem Schluss, dass die Partizipationsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen zur Friedenssicherung in Nordostasien zu diesem Zeitpunkt zwar als vielversprechend, aber noch erheblich ausbaufähig einzustufen seien.

Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Förderung des Friedens in Nordostasien

Zum Auftakt der zweiten Sitzung hielt Kim Bong-tae, Aktivist und Direktor der Nichtregierungsorganisation „Peace Asia“, einen Vortrag in dem er seine Ansichten erläuterte, warum ein Umdenken im Friedenssicherungsprozess in Nordostasien vonnöten sei und einer damit einhergehenden Beteiligungsform von Zivilbewegungen.

Zu Beginn seines Vortrages postulierte Kim, dass physische Landesgrenzen vor der Entstehung moderner Nationalstaaten praktisch nicht existiert hätten. Zudem habe der Lebensraum von Völkern in jener Vorzeit noch nicht unter der Hoheit von Staaten gestanden, was dazu führte, dass es innerhalb der heutigen Staatsgebiete Südkoreas, Nordkoreas, Chinas, Japans und Russlands zu einem hohen Maß an altertümlicher Migration und Siedlungswanderungen gekommen sei. Folglich habe es einen regen kulturellen und ethnischen Austausch innerhalb der Region gegeben, was zur Entstehung eines gemeinsamen nordostasiatischen Erbes geführt habe.

Die historische Bildung von nationalstaatlichen Institutionen und die Einsetzung von obrigkeitlicher Kontrolle hätten jedoch dazu geführt, dass das menschliche „Grundrecht auf Migrationsfreiheit“ abhanden gekommen sei. Diese frühzeitliche Entwicklung sei in die Entstehung von nationalistischen Ideologien gemündet und habe somit den Grundstein für die heutigen zwischenstaatlichen Konflikte der nordostasiatischen Nationen gelegt. Mit Verweis auf das angedeutete gemeinsame Erbe der nordostasiatischen Länder kommentierte Kim jedoch, dass solche ideologischen Strömungen deplatziert seien und es vielmehr erstrebenswert sei, auf eine natürliche Koexistenz innerhalb der Region hinzuarbeiten.

Kims Argumentationskette basierte grundsätzlich auf der Annahme, dass die natürliche Umwelt Nordostasiens nicht exklusiver Gegenstand singulärer Nationalinteressen und Gesetzgebungen sein könne und ebenso wenig von bestehenden Landesgrenzen beeinflusst würde. So sei es töricht, würde man behaupten, es gäbe etwas wie „koreanische Luft“ oder „koreanische Fische“. Dementsprechend dürften bestehenden Konfliktfelder wie beispielsweise die Diskussion um die Auswirkungen des Fukushima-Unglücks auf die Nachbarländer, der erhebliche Einfluss chinesischer Luftverschmutzung auf die koreanische Halbinsel, die mannigfaltigen maritimen Territorialkonflikte oder der illegale Fischfang in koreanischen Hoheitsgewässern durch chinesische Fischer nicht mehr länger Nährboden für nationalistische Ideologien sein. Man müsse davon ablassen, sich gegenseitige Vorwürfe ob der Verantwortlichkeiten zu machen und derartige Probleme als Sammelsurium einzelner nationaler Angelegenheiten zu verstehen. Stattdessen solle man beginnen, die Probleme als ganzheitliche „nordostasiatische Herausforderungen“ zu betrachten, indem man multilaterale Partnerschaften zwischen den beteiligten Ländern aufbaue.

Bei einem solchen Vorhaben sei es wichtig, dass Initiativen und Aktivitäten auf einer Nichtregierungsebene vorangetrieben und von der Zivilgesellschaft mitgetragen würden. Dabei unterstellte Kim, dass Maßnahmen zur Friedenssicherung nicht auf der Regierungsebene durchzusetzen seien, da die politischen Machthaber unwissend über die vorherrschenden öffentlichen Meinungen in den jeweiligen Ländern seien und durch ihre anhaltenden Aufrüstungsbestreben ohnehin nur zu den Spannungen beitrügen. Es bleibe folglich Aufgabe solidarischer Zivilbewegungen, die nötige Anerkennung des gemeinsamen kulturellen und ethnischen Erbes Nordostasiens aufzubringen und durch Förderung des gegenseitigen Respekts innerhalb der Region zum Aufbau einer nordostasiatischen Gemeinschaft nach europäischem Vorbild beizutragen.

In der anschließenden Diskussionsrunde stimmten die Diskutanten Professor Ahn Jung-sun von der Kongju Nationaluniversität (darüber hinaus Repräsentant der „Daejon Civil Society for Social Solidarity“), Kum Hong-sub (Vorsitzender des Bereichs „Politik“ der Nichtregierungsorganisation „Citizen’s Solidarity for Participation and Self-Governance“ mit Sitz in Daejeon) und Lee Gan-suk (ehemalige Forscherin des „Korean Women Development Institute“) überein, dass man in Nordostasien einen kollektiven Sinneswandel weg von internationalen Antagonismen hin zu internationalen Kooperationen benötige. Dabei seien es nicht nur historische Altlasten, die einen solchen Wandel erschweren könnten, sondern auch die Abwesenheit einer gemeinsamen Ideologie wie beispielsweise des „Europäismus“ in Europa.

Somit müsse man feststellen, dass die gemeinsamen, durch Zivilgesellschaften und Regierungen angestellten Anstrengungen zur Friedenssicherung in Nordostasien zum jetzigen Zeitpunkt ausbaufähig seien. Gleichwohl müssten die konstanten Bestrebungen beteiligter Akteure schon jetzt anerkannt werden, nicht zuletzt, da einige durchaus vielversprechende Ansätze zum Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zwischen Korea, Japan und China existierten wie beispielsweise die Greater Tumen-Initiative.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

stefan.samse@kas.de +65 6603 6171

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