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Das 500. Reformationsjubiläum steht vor der Tür, und mit ihm unweigerlich der hammerschwingende Martin Luther, dessen Thesenanschlag nach landläufiger Ansicht die Reformation auslöste. Ginge es allein darum, dass sich Protestanten der Entstehung ihres Bekenntnisses erinnern, dann klänge das „Anklopfen“ weniger fordernd. Aber der Anspruch geht weit darüber hinaus. Nicht genug, dass sich die kirchlichen Repräsentanten vornehmen, das Reformationsjubiläum im Geiste der Ökumene zu begehen: Auch staatliche Gewalten nehmen Anteil und sehen ein „Ereignis von Weltrang“ voraus.

Reformationsjubiläen und Lutherjahre sind der Ursprung der heute um sich greifenden Jahrestaghistoriografie. Kirchenintern wie politisch hatten sie meist beachtliche Bedeutung, aber eine die Gräben überwindende Kraft entfaltete bislang wohl keines. Nicht selten erhielt das Gedenken sogar den Anstrich ideologischer Zuspitzung: eine feldgraue Färbung zum 400. Reformationsjubiläum 1917, eine braune zu Luthers 450. Geburtstag 1933. Fünfzig Jahre später versuchte es die DDR-Führung mit roter Tünche.

Gediegene Festtagsroutine darf 2017 schon wegen dieser belasteten Traditionen nicht aufkommen, die wunden Punkte bedürfen einer kritischen Auseinandersetzung. Nur dann kann das 500. Reformationsjubiläum über Versöhnungsgesten hinaus einen Beitrag leisten. Das verlangt viel, schließlich stehen Katholiken und Protestanten vor der ungeheuren Aufgabe, ausgerechnet dort nach Gemeinsamkeiten zu suchen, wo die Trennung begann.

Noch dazu bleibt die Gestalt Martin Luthers ein „Stein des Anstoßes“. Der Streit der Konfessionen war jahrhundertelang nicht zuletzt ein Streit um sie. Auch 2017 wird man sich sehr unterschiedlich auf Luther berufen und ihn entsprechend divergierend interpretieren. Entscheidend wird sein, dass man vom historischen Luther, einem Mann des Widerspruchs und Gegensatzes, nicht erwarten darf, unser Programm der Ökumene und gesellschaftlichen Integration zu legitimieren. Die Konsequenzen aus der Geschichte müssen wir schon selbst ziehen und verantworten.

„Das vornehmste Bestreben der Welt sei darauf gerichtet, keines Herkules zu bedürfen“, schrieb Friedrich Hebbel. Weder schallende Hammer- noch dumpfe Keulenschläge können die Orientierung geben – das geistige Ereignis des zeitlos frommen Luther dafür umso mehr. Wenn das Gewissen in der Bindung an Gottes Gebote die letzte irdische Instanz ist, dann hat das Konsequenzen, die weit über die persönliche Lebensgestaltung hinausreichen. Gelänge es, damit den dringend vermissten ethischen Rahmen für unsere säkular gewordene Welt deutlicher zu konturieren, dann hätte sich das Nachdenken über Reformation und Luther gelohnt.

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Bernd Löhmann, Chefredakteur

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