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- Was passiert in unseren Schulen? - Was ist zu tun?

Impulsvorträge mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema "Gewalt gegen Lehrer"

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Gemeinsam mit dem thüringer lehrerverband lud das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 18. April ein, um dem Thema „Gewalt gegen Lehrer“ ein Podium zu bieten. Jüngste Vorfälle, zuletzt in Baden-Württemberg, bestätigen die Zunahme dieses Tabuthemas und den Verlust an Respekt und Autorität gegenüber Lehrern, so Maja Eib. Die Landesbeauftragte für Thüringen und Leiterin des Politischen Bildungsforums Thüringen leitete die Veranstaltung mit dem Wunsch ein eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu führen, um somit auf die Zustände an den Schulen aufmerksam zu machen. Sie danke dabei den 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Kommen und die damit signalisierte Bereitschaft dem Thema Gesicht zu verleihen.

Zahlen der forsa und des tlv zum Thema „Gewalt gegen Lehrer“

Rolf Busch, Landesvorsitzender des tlv, präsentierte die Ergebnisse, der 2016 durchgeführten Gewaltumfrage an Schulen. Diese repräsentative Umfrage verzeichnete im Jahr 2016 über 45.000 Fälle körperlicher Gewalt an Lehrern und 350.000 Fällen psychischer Gewalt, wovon 8000 letzterer Fälle in Thüringen verzeichnet wurden. Diese erschreckenden Zahlen, sowie die Ergebnisse der Umfrage des tlv von 2018 seien ein klares Indiz dafür das Thema aus der Tabuzone zu holen.

Die jüngste Umfrage des tlv weist darauf hin, dass sich seit 2016 kaum etwas getan hat. Lediglich sechs Prozent der an der Studie teilnehmenden Lehrer sah eine positive Veränderung. Gewalt an Schulen sei weiter an der Tagesordnung. Ein drittel der Befragten gab an, innerhalb der letzten 18 Monate psychische Gewalt an Schulen erlitten zu haben. Auch O-Töne der befragten Thüringer Lehrer weisen auf dringlichen Handlungsbedarf hin:

„Bei der Sicherstellung des Schülers zum Schutz der Mitschüler wurde ich durch diesen mehrfach gezielt auf den Kopf geschlagen, was zu einer Schädelprellung bei mir führte.“

„Messerangriff eines Grundschülers aus der 2. Klasse.“

„Während des Skizzierens von Entwürfen wollte ich mir die Zeichnungen ansehen und begutachten. Der Schüler reagierte auf meine Bitte, mir den Hefter zu bringen, nicht. Demzufolge nahm ich mir seinen Hefter. In diesem Moment reagierte er abrupt und ohne Vorankündigung mit Schlägen ins Gesicht.“

Was passiert in unseren Schulen?

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Mit diesem Zitat des griechischen Philosophen Sokrates leitete Klaus Seifried, Diplom-Psychologe in seinen Vortrag ein und skizzierte die heutigen Ursachen und Hintergründe der zunehmenden Gewaltbereitschaft an Schulen. Konflikte seien etwas Natürliches, so Seifried, vor allem in Schulen, wo Schüler und Lehrer auf engem Raum zusammenleben. Aber oft bleiben Konflikte ungeklärt, da es an Raum und Zeit fehlt diese zu lösen.

Doch woher kommt die zunehmende Gewaltbereitschaft der Schüler? Dafür gebe es verschiedene Gründe. Konflikte aus dem persönlichen Umfeld werden mit in die Schule gebracht: Scheidung der Eltern, Streitigkeiten, Missbrauch und Verwahrlosung. Die Kinder leiden unter dieser emotionalen Belastung. Aber auch die tagtägliche Konfrontation Jugendlicher mit Gewalt durch verschiedene Medien trage dazu bei. Sei es durch die Berichterstattungen über herrschende Konflikte weltweit, oder das Computerspiel zu Hause. Dieses ständig präsente Gewaltbild prägt sich in den Köpfen der jungen Menschen ein und wirkt sich auch auf ihr Verhalten in der Schule aus.

Die Lösung auf die zunehmende Konfliktbereitschaft, so Seifried, sei effektive Präventionsarbeit. Lehrer müssen ihre Autorität zurückgewinnen und den Schülern Orientierung geben. Dazu notwendig sind eine klare Sprache, sowie eindeutige Grenzen. Außerdem sei es wichtig eine Konfliktkultur zu schaffen und lösungsorientierte Konfliktgespräche zu führen. Konflikte zu ignorieren oder aus dem Weg zu gehen potenziere das Problem.

Prävention aus polizeilicher Sicht

Jürgen Hoffmann, Vorsitzender der DPolG Thüringen beleuchtet die Rolle der Polizei in diesem Anliegen. Die Polizei ist sich der erhöhten Gewaltbereitschaft an Schulen bewusst und führt daher regelmäßig Präventionsgespräche an Schulen durch. Allerdings betont Hoffmann wiederholt die Hauptaufgabe der Polizei. Diese sei nicht an den Schulen, um die Konfliktparteien zu bestrafen, sondern sie mit ihrem Problem zu konfrontieren und zielgerichtet die Ursachen zu erkunden. Auch hier gilt: „Die Polizei, dein Freund und Helfer.“

Was können Lehrer aus rechtlicher Perspektive tun?

Rechtsanwältin Anne Hofemeier ging auf die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten ein. Neben den schulischen Maßnahmen, die aus ihrer Erfahrung oft eine abschreckende Wirkung haben, könnte ein Täter-Opfer Ausgleich angestrebt werden. Die Herausforderung bei Gewaltfällen gegen Lehrer sei die geringe Kooperationsbereitschaft der Eltern, die sich in solchen Fällen gegen die Lehrer und Schule positionieren.

Olweus Mobbing-Präventionsprogramm

Vanessa Jantzer, Diplom Psychologin und Daniel Hentschel, Lehrkraft, stellten das von einem schwedischen Professor ausgearbeitete Olweus Mobbing-Präventionsprogramm vor. Im Vergleich zu anderen Präventionsprogrammen bindet es sehr stark die Erwachsenen in den Präventionsprozess mit ein. Effektive Kommunikation ist der Schlüssel zu diesem Programm. Alle schulischen Mitarbeiter sind in diesen Prozess eingebunden, vom Schulleiter, bis hin zum Hausmeister, denn jeder kann aus verschiedenen Perspektiven Situationen beurteilen und helfen.

Auf eine Frage aus Publikum, wie sich das Programm von bisherigen Bemühungen der Lehrkräfte unterscheide, verwies Vanessa Jantzer im Besonderen auf die Vorteile des koordinierten Arbeitens aller schulischen Mitarbeiter, sowie die Zusammenarbeit mit den Schülern und dieser untereinander. Das autoritatives Erziehungsmodell setzt auf die Änderung von Einstellung und Verhalten, eine offene Kommunikation und einheitliche Abläufe. Dazu gehören gleichfalls ein konsequenter und fairer Umgang mit Schülerangelegenheiten. Daniel Hentschel beschrieb den Implementierungsprozess und warb für die Vorteile und positiven Veränderungen im Schul- und Klassenklima, welches durch klare Grenzen für inakzeptables Verhalten, konsequente Anwendung von positiven Verstärkern und negativen Sanktionen wenn angemessen (im Verhältnis 4:1) erreicht werden kann. Dennoch ist der Weg nicht einfach. "In erster Linie besteht die Herausforderung in der Überzeugung der Erwachsenen, weniger der Schülerinnen und Schüler! Lehrer sehen sich häufig als „Einzelkämpfer“ und fragen "Wird der Mehraufwand vergütet? Warum soll ich?

Sind traditionelle Handlungsweisen nicht lang bewährt? Aufforderung zum Umdenken werden häufig als persönliche Kritik verstanden? Lohnt sich die ganze Arbeit?Transparenz macht häufig Angst!Und somit ist der wichtigster Faktor für den Start eines Umdenkens: Das beispielhaftes Verhalten der Schulleitung!", so Hentschel.

Interaktive Podiumsdiskussion

Unter der Moderation von Steffen Quasebarth, Moderator des mdr Thüringen Journals und Trainer für Gewaltfreie Kommunikation, wurde anschließend gemeinsam über weitere Fragen diskutiert und tiefer in die Materie eingedrungen. Im Fokus stand unter anderem die Langwierigkeit juristischer als auch schulischer Maßnahmen. Um eine schulische Maßnahme, beispielsweise den Ausschluss eines Schülers am Unterricht zu bewilligen, bedarf es der Zustimmung des Schulrats. Allerdings erfordert dieser Antrag Zeit. Genauso sieht es mit juristischen Maßnahmen aus. Problem dabei ist, dass die Lehrer am kommenden Tag ihrem Peiniger gegenübertreten müssen und diesen weiterhin unterrichten müssen. Ferner wurden aus dem Publikum die Stimmen laut, dass schulische Maßnahmen kaum eine abschreckende Wirkung hätten. Die Schüler würden einen Wettbewerb daraus veranstalten, wer die meisten Strafmaßnahmen bekommen hat und freuen sich darüber, wenn sie vom Unterricht suspendiert werden. Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und die Erreichbarkeit des Schulpsychologischen Dienstes wurden als mangelhaft beschrieben. Der Schulpsychologische Dienst ist schlecht erreichbar und die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt funktioniere häufig nur in eine Richtung – von der Schule zum Jugendamt, so eine Stimme aus dem Publikum.

Seifert rät den Lehrern in Fällen psychischer Gewaltanwendung nicht zwangsläufig zur Strafanzeige, sondern zu einem effektiven Täter-Opfer Ausgleich. Wenn eine Anzeige notwendig wird, so sollte diese im Namen der Schulleitung passieren, um somit den Rückhalt der Schule zu demonstrieren.

Rolf Busch versuchte den Lehrern Mut zuzusprechen, indem er betonte, dass ein Gewaltvorfall nicht das Scheitern des Lehrers bedeutet. Viele Lehrer geben sich selbst die Schuld und reden sich ein, sie wären gescheitert und schämen sich. Busch verneinte diese Auffassung und kritisierte im gleichen Zug die schulpsychologische Ausstattung an deutschen Schulen. Im Durchschnitt gibt es einen Psychologen für 8000 Schüler. Das liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt. Er wiederholte dabei die tlv-Forderung nach multiprofessionelle Teams für Schulen. "Verbale oder tätliche Angriffe sind keine Bagatellen, zumal wenn sie quasi öffentlich erfolgen!

Betroffenen sollte daher immer psychologische Unterstützung angeboten werden, und zwar vonseiten des Vorgesetzten oder Dienstherren.", so Busch.

Jürgen Hoffmann brachte einen sehr relevanten Aspekt in die Diskussion ein, die Politik. Es sei mittlerweile allen bewusst, dass das Gewaltpotenzial an Schulen steigt. Wir brauchen keine weiteren Präventionsprogramme, so Hoffmann, sondern die Unterstützung der Politik. Sie muss aufzeigen, dass es sich bei der Gewalt gegen Lehrer um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das auf die politische Agenda gesetzt werden muss.

Die Podiumsdiskussion wurde mit dem Beitrag eines Gastes beendet, der darauf hinwies unter all diesem Trubel nicht diejenigen Schüler zu vergessen, die die tägliche Arbeit der Lehrer durch ihr positives Auftreten erleichtern und 90% der Schüler ausmachen. Vielleicht sei es an der Zeit diese Schüler zu loben.

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