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Veranstaltungsberichte

„Wir brauchen Mut für neue Ideen“

Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum Brandenburgs

Mit einer Fachkonferenz hat das Bildungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung in Potsdam auf die zum Teil dramatischen Auswirkungen der Abwanderung, des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Verödung ganzer Landstriche im Land Brandenburg aufmerksam gemacht. In einem Gebiet, das laut UNO-Kriterien schon heute teilweise als unbesiedelt gilt, weil hier weniger als 30 Einwohner pro Quadratkilometer leben, wird die Bevölkerung in den kommenden 20 Jahren noch weiter massiv abnehmen.

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Bis zum Jahr 2030 werden in Brandenburg statt 2,5 nur noch 2,2 Millionen Menschen leben, etwa die Hälfte davon im sogenannten „Speckgürtel“ Berlins. Für eine Stadt wie Wittenberge, gut 150 km von der Hauptstadt entfernt, hat das zur Folge, dass sie dann statt 19.000 nur noch 13.000 Menschen zählt.

Mit gravierenden Folgen für die Zurückgelassenen. Zunächst gibt es keine Busverbindung mehr, dann schließen die Läden, die Schulen und schließlich die Arztpraxen. Derzeit fehlen in Brandenburg 700 niedergelassene Ärzte, in sieben Landkreisen besteht bereits eine Unterversorgung. Wenn der periphere Raum als eigenständiger Lebensraum erhalten werden soll, müssen dringend tragfähige Zukunftskonzepte insbesondere für die medizinische Versorgung her. Denn, so Björn Lakenmacher, Sprecher für ländlichen Raum und Demografie der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, sie sei „entscheidender Faktor in puncto Lebensqualität“. Zwar gibt es Lösungsvorschläge, wie etwa eine Anlockprämie für junge Ärzte, und auch erfolgversprechende Modellprojekte, Stichwort „Gemeindeschwester AGnES“, doch insgesamt herrscht insbesondere bei den Betroffenen „Ratlosigkeit“ wie Dr. Günter Dill berichten konnte.

Dr. Günter Dill: Die Situation des ländlichen Raumes im Bundesland Brandenburg:
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Der Kommunalwissenschaftler reiste zwei Jahre lang durch märkische Kommunen, um sich vor Ort ein Bild zu machen, mit den Betroffenen die Situation zu analysieren und Zukunftskonzepte zu besprechen. Wie Lakenmacher, kommt auch er zu dem Fazit, dass die Lage „prekär“ sei. Sie werde noch dadurch verschlimmert, dass bei den Bürgermeistern Schrumpfung als Makel und Versagen angesehen werde und „nur rudimentäre Kenntnisse“ darüber vorhanden seien, wie man dem Problem begegnen könne. Dabei habe der ländliche Raum durchaus eine Zukunft. Doch dazu müsse die Politik verstärkt auf eine aktive Zivilgesellschaft setzen. Er sei „vorsichtig optimistisch“, so Dill, dass das gelingen könne. Erste erfolgsversprechende Initiativen gebe es etwa im Bereich der Personenbeförderung. Der Bürgerbus im Landkreis Teltow-Fläming sei hierfür ein gutes Beispiel. Immer wieder passiere es aber leider, dass Bedenkenträger der Realisierung guter Ideen im Wege stünden. Die Politik müsse daher, so Dills Wunsch, flexibler werden und bestehende Gesetze an manchen Stellen durchlässiger machen. „Schlussendlich kann die Politik hiervon nur profitieren“, sagte Dill.

Die anschließende Podiumsdiskussion mit Experten und Betroffenen aus dem Gesundheitssektor bestätigte Dills Einschätzungen, dass es den „Mut aller für neue Ideen und Visionen erfordere, wenn tatsächlich eine Trendwende bei der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum eingeläutet werden soll. Gabriela Leyh vom Verband der Ersatzkassen sieht kein gesundheitspolitisches Problem und auch keinen Ärztemangel in Brandenburg. „Dafür sind wir zu nah an Berlin“, sagte sie. Die Ärzte sind seien in der Pflicht „loszulassen“ und „die Chance delegierbarer Aufgaben“ zu ergreifen. Zudem müsse, um die Region attraktiver zu machen, eine ressortübergreifende Lösung gefunden werden.

Ähnlich sieht es Hermann Schmitt, Landesgeschäftsführer der BARMER. Er lobte daher die begonnene Diskussion von Ärzten, Kassen und Politik: „Scheuklappen wurden abgelegt. Man redet miteinander statt übereinander“. Er habe den Eindruck gewonnen, dass die kassenärztliche Vereinigung in Brandenburg bereit sei, „über Denkmäler zu springen“. Wenn die Versorgung des Patienten im Mittelpunkt der Diskussion stehe, dann „bewegen sich auch gerne die Kassen“, so Schmitt.

Als einer der letzten seiner Art konnte der Nauener Gynäkologe, Dr. Victor Prott, von seinen Erfahrungen berichten. Seine Patientinnen hätten Angst vor einer Nicht-Versorgung, wenn er demnächst in den Ruhestand gehe. Er schlug vor, Nachwuchsmediziner schon während des Studiums für die Situation in den ländlichen Regionen stärker zu sensibilisieren, etwa mit Praktika. Zudem sei ein Bürokratieabbau dringend notwendig. Mit Hinweis auf das zum neuen Quartal startende Codiersystem sagte der 63jährige: „Das ist der Wahnsinn“.

Im kommenden Jahr wird sich das Bildungswerk Potsdam auf der 2. Fachkonferenz zur Entwicklung des ländlichen Raumes im Land Brandenburg dem Schwerpunkt Bildung widmen.

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