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Veranstaltungsberichte

Wohin strebt die Linke?

von Stephan Georg Raabe, Eckhard Ruminski

Berichte zur KAS-Diskussion in Potsdam am 8. Februar 2012

Berichte zur Diskussion des Bildungswerkes Potsdam zur Frage: Wohin strebt die Linke? im Rahmen des Brandenburger Forums der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Neuen Deutschland und von der KAS-Potsdam.

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Brandenburg

CDU-Umfeld diskutiert Programm der Linkspartei

Veranstaltung bei der Potsdamer Konrad-Adenauer-Stiftung in sachlicher Atmosphäre

Von Wilfried Neiße

(Beitrag in der Tageszeitung Neues Deutschland vom 10. Februar 2012

Natürlich stand auf der Broschüre des Abends nicht „Aus leninschem Geist – von Stalin geschweißt“, so wie das berühmte Parteitagslied von Louis Fürnberg es behauptet. Dort stand vielmehr bezogen auf die Partei DIE LINKE: „Von Gysi geeint – von Lafontaine geschweißt“. Was die Parteienforscherin Viola Neu unter diesem Titel erarbeitet hat, war die Grundlage eines Diskussionsabends der brandenburgischen Konrad-Adenauer-Stiftung am Mittwochabend in Potsdamer Restaurant Le Manège. „Neuer Aufbruch zum Kommunismus oder radikale Opposition?“ lautete die Gretchenfrage einer Veranstaltung, die keineswegs rabiat angelegt war, sondern über weite Strecken sehr theoretisch, tatsächlich konstruktiv und mitunter sogar augenzwinkernd verlief.

Die Parteienforscherin bestätigte, dass kein einziges Programmziel der LINKEN ein Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt und sozialistische Vorstellungen nicht automatisch demokratiefeindlich daherkommen müssen. Allerdings nimmt Frau Neu Unschärfen im aktuellen Parteiprogramm wahr, u. a. beim Thema Enteignung. „Wo sind die Grenzen?“, fragte sie. Dies könne für undemokratische Tendenzen offen sein und sei nicht unter allen Umständen mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten vereinbar.

Die schöne Marxsche Formulierung von der „freien Entwicklung des Einzelnen als Vorbedingung für die freie Entwicklung der Gesellschaft“ – sie findet sich in der gesamten Programmatik der PDS/LINKEN - könne ein aufrechter CDU-Anhänger unterschreiben, befand Frau Neu. Allerdings stünden im Vorfeld dieses Satzes Formulierungen, die eine Bürgerkriegsmentalität von Marx nahelegen und als solches werde das eben indirekt fortgetragen.

Der einstige nd-Redakteur Tom Strohscheider, er arbeitet beim „Freitag“ und wechselt demnächst zur „TAZ“, vertrat im Podium das „linksliberale“ Element und hielt tapfer die Fahne des demokratischen Sozialismus hoch. Der LINKEN-Kreisverband Beeskow werde nicht die Post erobern, versicherte Strohschneider.

Die Linke strebe „keine neue Form des Kommunismus“ an, dergleichen historische Anknüpfung sei ihr fremd, die kommunistische Plattform eher unbedeutend und der im Schwange befindliche Begriff „Neokommunismus“ unbestimmt.

Bevor sich die Debatte in eine akademische Silbenstecherei verlief, sorgte der Generalsekretär der brandenburgischen CDU Dieter Dombrowski mit seinen erfrischenden Einwürfen für etwas Salz in der Suppe der Betrachtung. Denn was für Christentum und Demokratie zutrifft, das trifft für Marxismus, Sozialismus und Kommunismus allemal zu: Programmatik und praktische Politik fallen nicht selten auseinander. Programme sind das eine, ihre Auslegung und Umsetzung oft das andere. „Meine Erfahrungen sind nicht auf die vergangenen 20 Jahre beschränkt“, sagte der einstige politische Häftling im Hinblick auf die politische Herkunft der LINKEN aus der DDR-Staatspartei. Und die LINKE mit ihrer 40-jährigen Diktaturerfahrung wolle „daraus retten was zu retten ist“. In der DDR sei „auf dem Papier auch immer alles in Ordnung gewesen“.

Das wollte niemand von der Hand weisen und galt beispielsweise für die in der DDR-Verfassung garantierte Freiheit der Medien. Es gab in der DDR – übrigens im Unterschied zur damaligen Volksrepublik Polen – tatsächlich keine staatliche Zensurbehörde, aber es gab den inneren Aufbau der Verlage und Redaktionen, welcher eine strenge Zensur zweifellos ersetzte.

Dombrowski verwies auf den diesbezüglichen Programmpunkt der LINKEN und den dort platzierten Manipulationsverdacht gegenüber den Medien, der sich aus seiner Sicht durchaus zu einer Kontrollstruktur auswachsen könne.

Auch die Wissenschaftlerin Neu vertrat die Ansicht, dass im neuen Programm punktuell ein latentes Misstrauen in die Freiheit zum Ausdruck komme sowie immer noch die Neigung, persönliches Handeln dem Menschen vorzuschreiben zu wollen.

Die Notwendigkeit einer geheimdienstlichen Überwachung der ostdeutschen Volkspartei "DIE LINKE" indessen sah keiner der Gesprächsteilnehmer. Er sei in dieser Frage „leidenschaftslos“, sagte Dombrowski. Bei den LINKEN nehme er inzwischen vielen ab, dass sie „nicht wieder eine Diktatur wollen, wie die DDR sie darstellte“.

Überraschend bat der Leiter der Potsdamer KAS Stephan Raabe am Ende einen Gast, den Vorsitzenden der brandenburgischen Rosa Luxemburg Stiftung Detlef Nakath, um eine Einschätzung und das Schlusswort. Nakath zollte den Gesprächsteilnehmern Respekt für ihre tiefe Kenntnis des LINKEN-Programms. Dass treffe keineswegs auf jedes Mitglied seiner Partei zu. Die angesprochenen Fragen stünden durchaus auch bei den LINKEN weiter zur Debatte. Ihm bleibe, sich für eine faire und sachliche Diskussion zu bedanken.

Wohin strebt die Linke?

NEUER AUFBRUCH ZUM KOMMUNISMUS UND RADIKALE OPPOSITION?

Von Stephan Raabe und Eckhard Ruminski

Die neuere Geschichte lehrt uns Deutsche: Demokratie ist gewiss nicht alles, aber ohne Demokratie ist leicht alles nichts. Was versteht jedoch die Partei Die Linke, die am 16. Juni 2007 durch Verschmelzung von PDS und Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) entstanden ist, unter Demokratie? Was bedeutet es, wenn sie sich einen „Demokratischen Sozialismus“ auf die Fahnen schreibt, der – laut Parteiprogramm – „in einem großen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung“ unter „Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe“ erreicht werden soll? Wohin strebt die Linke also, wie hält sie es mit der Demokratie und mit den eigenen personellen Verstrickungen mit der SED-Diktatur? Immerhin sind sechs Landtagsabgeordnete der Links-Partei nach Feststellung der unabhängigen Stasi Untersuchungskommission des Brandenburger Landtags Stasi-Mitarbeiter gewesen.

Diese Fragestellung war Ausgangspunkt einer Diskussion, die am 8. Februar 2012 im Rahmen des „Brandenburger Forums“ des Bildungswerkes Potsdam der Konrad-Adenauer-Stiftung geführt wurde. Gesprächsteilnehmer waren Dr. Viola Neu, Leiterin der Arbeitsgruppe Empirische Sozialforschung der Adenauer-Stiftung und Autorin einer Analyse zum Parteiprogramm der Linken mit dem Titel: „Von Gysi geeint, von Lafontaine geschweißt“, Dieter Dombrowski, Generalsekretär der CDU Brandenburg und Katholik aus dem Haveland sowie Tom Strohschneider, Journalist der linksliberalen Wochenzeitung „Der Freitag“.

Programm und Politik

Viola Neu legte zunächst den ideologischen Bezugsrahmen des Programms der Linken dar, der nach wie vor die Kategorien der Überwindung des „Kapitalismus“ und in diesem Kontext auch der „bürgerlichen Demokratie“, also einen „Systemwechsel“ umfasse. Wie und mit welchem konkreten Zielen dieser Wechsel aber vollzogen werden solle, bleibe letztlich im Dunklen. Das Grundgesetz eröffne einen weiten Spielraum für politische Reformen, so Neu. Es setze aber gleichzeitig klare Spielregeln und Grenzen, etwa wenn es um die Eigentumsordnung und die Umverteilung von Vermögen gehe. Da in der Demokratie politische Macht immer nur auf Zeit verliehen werde und durch freie Wahlen wieder verloren gehen könne, stelle sich die Frage: Was geschieht, wenn der „Demokratische Sozialismus“ einmal tatsächlich in Angriff genommen oder erreicht werde? Würden bei den „revolutionären Umwälzungen“ die Grundprinzipien des Grundgesetzes berücksichtigt und würde auch eine Rückführung dieser Umwälzungen durch einen politischen Wechsel akzeptiert werden? Darauf gebe das Programm keine Antwort.

Tom Strohschneider, ehemaliger Redakteur des Neuen Deutschland und demnächst Redaktionsmitglied der linksalternativen Berliner taz, versuchte anhand von drei Thesen die kritische Fragestellung der Veranstaltung zu relativieren: Zunächst stellte er fest, dass die Linke keine neue Form des Kommunismus anstrebe und das Parteiprogramm eigentlich eine Absage an revolutionäre Umbrüche enthalte. Dem Einwurf von Viola Neu, dass in allen bisherigen Programmen von PDS oder Linkspartei Passagen aus dem „Kommunistischen Manifest“ zu finden seien, die auf den revolutionären Klassenkampf anspielten, diesen keineswegs ausschlössen, begegnete Strohschneider mit der Aussage, dass die Links-Partei dennoch eine Wende vollzogen habe: eine Abkehr vom revolutionären Prozess. Der Kommunismus sei bestenfalls noch in einigen Köpfen eine begriffliche Reminiszenz für eine Utopie, eine erhoffte gesellschaftliche Alternative. Sodann stellte er heraus, dass „Die Linke“ auch keine radikale Opposition, sondern ganz im Gegenteil Kooperation und wie in Brandenburg Regierungsbeteiligung anstrebe, die sie verantwortungsbewusst wahrnehme. Die Linke stehe für einen „Politikmix“, der abhängig sei von den jeweiligen politischen Bedingungen der Region und unterschiedlichen „Traditionsbezügen“ in der Partei. Zudem sei man wie andere Parteien auch auf Kompromisse angewiesen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Schließlich erklärte Strohschneider, die Linke wolle nicht die parlamentarische Demokratie abschaffen, aber eine andere, gerechtere Wirtschaftsform erreichen, womit sie mit Blick auf die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise nicht alleine dastehe. Zudem sei das Streben nach einer anderen Wirtschaftsform durchaus legitim, da das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsform vorschreibe. Demokratischer Sozialismus bedeute, Lösung der heutigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme und Zurückdrängung des dominierenden Profit-Prinzips.

Dieter Dombrowski verwies zunächst darauf, dass die heutige Linke Nachfolgepartei der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) sei. Bei der Lektüre des aktuellen Parteiprogramms seien ihm als ehemaligen DDR-Bürger etliche Formulierungen aus dem Staatsbürgerkundeunterricht aus der Schulzeiten in den Sinn gekommen: Begriffe wie „Vergesellschaftung“ zum Beispiel der Privatbanken und soziale Umverteilung als Allheilmittel für das „Wohl des Volkes“ weckten Erinnerungen an eine untergegangene Epoche. Der Bezug zur marxistischen Ideologie sei nach wie vor gegeben. Aussagen der Linken wie, die deutsche Wirtschaft schade mit ihrem Exportüberschuss anderen Ländern, gefährdeten den Wohlstand Deutschlands. Auch die Auffassung, die Medien stellten eine Gefahr für die Demokratie dar und bedürften stärkerer Kontrolle, zeigten ein Denken in alten Kategorien.

Schutz der Verfassung

Den Antrag auf dem bevorstehenden Landesparteitag der Linken Brandenburgs zur Abschaffung des Landesamtes für den Verfassungsschutz, nannte Dombrowski bedenklich und zugleich bezeichnend. Das bewog Viola Neu zu einem Plädoyer für die Beibehaltung des Verfassungsschutzes in Deutschland. Gerade die klare Trennung von Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einerseits und polizeilichen Aufgaben andererseits sei vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Nazi-Zeit und SED-Diktatur ein wichtiger Fortschritt und diene dem Schutz der Demokratie.

Dombrowski machte weiter deutlich, dass in der praktischen Politik in Brandenburg die Links-Partei eigentlich keines ihrer programmatischen Vorhaben bisher umgesetzt habe und sie auch sonst kaum politische Prinzipien, zum Beispiel in der Energiepolitik, erkennen lasse. Zwischen Programm und tatsächlicher Politik gebe es riesige Unterschiede. Besonders kritisierte er, dass Brandenburg am längsten für die Bewältigung der DDR-Vergangenheit benötige und unterstrich dies mit dem Hinweis auf stasibelastete Landtagsabgeordnete der Linken und ehemalige Stasi-Diener im Justizbereich und Brandenburger Staatsschutz. Diese Vorgänge seien einzigartig in Deutschland.

Verständigung und offene Fragen

Tom Strohschneider brach anschließend eine Lanze für linke Alternativen in der Politik wie mehr Bürgerbeteiligung und genossenschaftliche Organisationsformen. Viola Neu ging auf das offenbar immer noch gestörte Verhältnis der Linken zur Freiheit und Selbstverantwortung der Bürger näher ein. Theoretisch wie praktisch kreiste die Diskussion um drei zentrale Regulative unseres demokratischen Staatswesens: das Menschen- und Gesellschaftsbild, das Prinzip des demokratischen Wechsels durch Wahlen und die freie wiewohl soziale Marktwirtschaft. Einig war man sich schließlich, dass man in diesem Rahmen füglich über den besseren politischen Weg streiten könne und müsse. Insofern erfüllte sich an diesem Abend in Potsdam das Wort des Staatsrechtlers Hans Kelsen aus seiner Schrift „Verteidigung der Demokratie“ (1932): „Die Demokratie ist die politische Form des sozialen Ausgleichs der Gegensätze, der gegenseitigen Verständigung auf einer mittleren Linie“.

In diesem Sinne zog auch der Anwesende Leiter der Potsdamer Rosa-Luxemburg-Stiftung Dr. Detlef

Nakath ein positives Fazit und dankte für die kritische, aber faire Debatte. Zugleich verwies er auf ein weiteres wichtiges Thema, die Europapolitik, bei der sich die Linke programmatisch noch schwer tue. Auch der Frage, inwieweit Die Linke trotz ihrer Wurzeln bei der SED/PDS nicht doch ein Stück weit eine neue Partei ist, in der sich bestimmte Veränderungen in Gesellschaft und politische Kultur zeigen, worauf die Wahlergebnisse hinweisen, konnte nicht weiter nachgegangen werden.

Die Linke ernst nehmen

Am Ende blieb jedenfalls ein Dissens bestehen: Auf die Frage, ob Die Linke denn nun durch den Verfassungsschutz beobachtet werden solle oder nicht, antwortete Tom Strohschneider mit einem klaren Nein und sprach sich für die Auflösung des Verfassungsschutzes aus. Dagegen befürworteten die beiden anderen Diskutanten eine Beobachtung soweit das Programm und Organisationen der Linken dazu Anlass gäben. Konsens ist letztendlich eben doch kein demokratisches Ideal und demokratische Vorsicht besser als im Nachhinein das Nachsehen zu haben. Und solange Die Linke programmatisch einen Systemwechsel offen anstrebt, sollte man sie diesbezüglich auch ernst nehmen und wachsam sein. Schon einmal, so Dieter Dombrowski, sei mit den Nationalsozialisten eine Bewegung in ihrer Programmatik nicht ausreichend ernst genommen worden – mit fatalen Folgen.

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Kontakt

Stephan Georg Raabe

Stephan Georg Raabe bild

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Brandenburg

Stephan.Raabe@kas.de +49 331 748876-0 +49 331 748876-15
Dieter Dombrowski KAS Potsdam
Dr. Viola Neu, Leiterin Team Empirische Sozialforschung der KAS Konrad-Adenauer-Stiftung
Tom Strohschneider KAS Potsdam

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