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Veranstaltungsberichte

Karl Carstens: Bremens vergessener Sohn?

von Andreas Samuel Bösche, Sina Junker, Lena Langensiepen
Am 14. Dezember 2014 wäre der gebürtige Bremer Karl Carstens 100 Jahre alt geworden. Die kaum stattfindende öffentliche Erinnerung an den ehemaligen Bundespräsidenten nahm die Konrad-Adenauer-Stiftung zum Anlass, das Wirken des Politikers in Erinnerung zu rufen. Der Carstens Biograf Dr. Tim Szatkowski und der ehemalige Journalist und Weggefährte Karl Carstens, Wolfgang Wiedemeyer, erläuterten in Vorträgen sein Wirken für die Hansestadt Bremen sowie seinen Dienst für die deutsche und europäische Demokratie. Die anschließende Podiumsdiskussion nahm als Thema den Titel der Veranstaltung auf.

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Ralf Altenhof, Leiter des politischen Bildungsforums Bremen, eröffnete die Veranstaltung mit einigen Worten über Karl Carstens und die Erinnerung an ihn in Bremen. Dabei ging er unter anderem auf die Karl-Carstens-Brücke ein, die kaum jemand unter diesem Namen kennt. Deutlich bekannter ist die Brücke bis heute als „Erdbeerbrücke“. Dies veranschaulichte folgendes Beispiel: Im Weser-Kurier tauchte im Jahr 2014 der Begriff Karl-Carstens-Brücke ganze dreimal auf, davon zweimal mit dem erklärenden Zusatz „Erdbeerbrücke“. Die „Erdbeerbrücke“ selbst, fand dagegen 40-mal Erwähnung. Altenhof kritisierte mit deutlichen Worten, wie in Bremen mit Karl Carstens umgegangen werde. „Von Stil einer Freien Hansestadt würde es zeugen, wenn Bremen ihn herausgehoben gewürdigt hätte“.

Anschließend sprach Dr. Tim Szatkowski in seinem Vortag über die Verdienste Karl Carstens für die Hansestadt Bremen. Szatkowski betonte die dreifache Karriere Carstens als politischer Beamter, Bundespräsident und Wissenschaftler. Vom Landesbevollmächtigten Bremens stieg er die Leiter in seinem Berufsleben immer weiter hinauf. Neben Tätigkeiten im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium bekleidete Carstens Positionen bis hin zur Position des Chefs des Bundeskanzleramts. Er war Staatssekretär und Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Daraufhin wurde Carstens Präsident des Deutschen Bundestags und stieg zum Bundespräsidenten auf. Diese Karriere sei nicht vorhersehbar gewesen. Karl Carstens wuchs ohne Vater auf, da dieser im Ersten Weltkrieg fiel, wodurch die Familie in schwierigen finanziellen Verhältnissen leben musste. Für Szatkowski war dieser Hintergrund eine wichtige Motivation Carstens, sich dem Leben und seinen Herausforderungen mutig zu stellen und dem Vater Ehre zu erweisen.

Szatkowski betonte, dass Carstens sein ganzes Leben lang eine „fast liebevolle Zuneigung zu seiner Heimatstadt“ hegte.

Dem Vortrag von Dr. Tim Szatkowski folgte der Vortrag von Wolfgang Wiedemeyer über „Karl Carstens: Im Dienste der deutschen und europäischen Demokratie“. Der Journalist und ehemalige Sprecher der CDU hatte Karl Carstens auf seinen verschiedenen politischen Stationen begleitet und veröffentlichte 1980 eine Biographie über ihn.

In seinem Vortrag berichtete er, dass Carstens Arbeit stets von großem Respekt vor der deutschen Verfassung getragen gewesen sei und den Gründerjahren der Bundesrepublik neuen Glanz verschafft habe. Er schilderte die unterschiedlichen Karrierestationen, welche Carstens zu seinen Lebzeiten durchlaufen hatte. So sei er neben seinem Engagement in hohen politischen Ämtern auch im Zivilberuf ein „Völkerrechtler aus Leidenschaft“ gewesen. Erst 1973 nahm Karl Carstens seine Tätigkeit als Bundespolitiker wieder auf, als er im Plöner Wahlkreis in den Bundestag gewählt wurde. Daraufhin wurde er, wie Wiedemeyer betonte, zum „neuen innenpolitischen Star“ und begann seine steile Karriere innerhalb der Politik. Als Carstens im Mai 1973 als Nachfolger Rainer Barzels das Amt des Fraktionsvorsitzenden der CDU antrat, wurde er laut Wiedemeyer „vom Nothelfer zum Kapitän des Fraktionsschiffes“. In seiner nächsten bedeutenden politischen Phase wurde Carstens am 4. Dezember 1976 zum Bundestagspräsidenten gewählt. Wiedemeyer, der in dieser Zeit Pressesprecher der CDU war, beschrieb, wie Carstens sich problemlos in seine Rolle als wahrer Staatsmann einfand: „Er schlug eine versöhnlichere Linie ein und betrieb keine hemdsärmelige Politik“. Auf Vorschlag Helmut Kohls wurde Karl Carstens am 23. Mai 1979 schließlich ins höchste Staatsamt gewählt. Im Zuge seiner Wahl zum Bundespräsidenten wurde auch Carstens Mitgliedschaft in der NSDAP öffentlich diskutiert und, wie Wiedemeyer betonte, von politischen Gegnern instrumentalisiert. Eine aktive NSDAP-Mitgliedschaft Carstens habe es jedoch nicht gegeben.

Persönlich bestätigte Wiedemeyer dem Präsidenten Carstens, dem er sich freundschaftlich verbunden gefühlt habe, eine unmittelbare Nähe zu den Bürgern: „Die Zuneigung zu ihm lässt sich kaum überbieten, allerdings mussten viele ihn erst kennenlernen. Dazu bekamen die Bürger vor allem auf seinen Wanderungen durch die Bundesrepublik Gelegenheit“. Als Bundespräsident, so Wiedemeyer, habe Carstens die Tugenden eines Großteils seiner Mitbürger widergespiegelt: „Fleiß, Ordnung und Zuverlässigkeit“.

Die anschließende Diskussion, moderiert von Friedrich Leist (NDR), stand unter zweierlei Vorzeichen. Zum einen ging es darum, dem Publikum den Menschen Karl Carstens und seine Lebensleistung näher zu bringen. Hierzu äußerten sich Weggefährten Carstens wie Pastor Jens Motschmann, der besonders die geistige Verwurzelung des ehemaligen Bundespräsidenten in der christlichen Ethik hervorhob. Carstens habe sich in der Ausübung seiner zahlreichen Ämter von einer biblisch begründeten Verpflichtung zum gerechten Handeln und zur Wahrung der Menschenwürde leiten lassen. Er tauge deshalb zum Vorbild, gerade für jüngere Politikergenerationen, denen das Wissen um diese letzten Verantwortlichkeiten oft abginge. Auch der ehemalige Bremer Bürgermeister Hartmut Perschau verdeutlichte diese Vorbildfunktion anhand persönlicher Begegnungen. Carstens sei ein stets „sortierter“ und nachdenklicher Mensch gewesen. Die oftmals „zu kritische Beurteilung“ des Politikers Carstens durch politische Gegner sei nicht zuletzt auf eine gewisse „Unkenntnis“ seiner Person zurückzuführen. Damit war bereits das zweite Diskussionsthema erschlossen, also die Frage, ob die Lebensleistung Carstens in der öffentlichen Wahrnehmung eine hinreichende Würdigung erführe? Hierzu gab es unterschiedliche Einschätzungen. Volker Kröning, Vorsitzender der Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung, verwies in diesem Zusammenhang auf eine Ehrung, die dem gebürtigen Bremer post mortem durch seine Heimatstadt zuteil geworden ist: „Im Senat ist neben Ebert und Heuss seine Büste aufgestellt – da kann man nicht von Vergessen sprechen!“ Eine andere Meinung vertrat Henning Albrecht, Vorstandsmitglied der Karl und Veronica Carstens-Stiftung. Albrecht berichtete von den Schwierigkeiten bei der organisatorischen Umsetzung einer Ehrung Carstens zu dessen 100. Geburtstag, die auf Initiative der Stiftung mit dem Bremer Senat durchgeführt werden soll. Er wollte die von der KAS Bremen gestellte Frage „Karl Carstens – Bremens vergessener Sohn?“ deshalb mit einem „Ausrufungszeichen“ versehen wissen.

Weitgehende Einigkeit bestand dagegen in der Beurteilung der politischen Leistungen Carstens für Bremen, Deutschland und Europa. Tim Szatkowski nannte ihn, auf seine Verdienste um die erfolgreichen Verhandlungen zu den Römischen Verträgen rekurrierend, einen „Wegbereiter der europäischen Union“ und Volker Kröning hob seine wichtige Rolle für die Wiederansiedlung der Schiffsindustrie in Bremen nach Kriegsende hervor. Dem Historiker Szatkowski gelang das wohl ausgewogenste Fazit des Abends. Auf die Frage, was ihn denn an dem Menschen Carstens interessiert habe, führte er, ein Zitat Helmut Kohls aufgreifend dessen „Sonderstellung“ in der bundesrepublikanischen Politiklandschaft an. Aufgrund der langen Karriere und der „Ämterhäufung“ Carstens in unterschiedlichen Berufszweigen sei es „erstaunlich und lohnenswert, sich mit ihm zu beschäftigten.“

Dieses Fazit nahm Ralf Altenhof in seinem Schlusswort auf, indem er für das Jahr 2015 eine Veranstaltungsreihe der KAS Bremen ankündigte: „Auf den Spuren von Karl Carstens in Bremen“.

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Kontakt

Dr. Ralf Altenhof

Dr

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

ralf.altenhof@kas.de +49 421 163009-0 +49 421 163009-9

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