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"Kein Grund zur Euphorie in Nordkorea"

NACH AUSSETZUNG DES ATOMPROGRAMMS

Die Rahmenbedingungen für Nordkorea sind ideal, sagt Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der Konrad Adenauer Stiftung. Wahlkampf in den USA, Führungswechsel in China und leichter Reformwillen in Nordkorea. Aber von Entwarnung kann noch lange keine Rede sein.

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Herr Eschborn, Sie leben in Südkorea und befassen sich intensiv mit den Entwicklungen in Nordkorea. Ist der Stopp des Atomprogramms ein Zeichen für eine politische Wende?

So weit würde ich zurzeit noch nicht gehen. Wir haben einfach schon zu viele Enttäuschungen mit Nordkorea erlebt. Denn die Übereinkunft zu treffen ist das eine, sie einzuhalten ist aber etwas anderes. Die Reaktionen im Ausland sind zwar durchweg positiv, interessanterweise sind sie in Südkorea eher verhalten. An einen wirklichen Fortschritt glaube ich erst, wenn die Inspektoren wirklich im Land waren, einen Bericht geschrieben haben und wir wissen, was rund um den Atomreaktor Yongbyon los ist. Und selbst dann haben wir vermutlich keinen vollen Überblick über die atomaren Aktivitäten der Nordkoreaner. Es gibt also keinen Grund für Euphorie, aber eine Verhandlungsoffensive ist es schon.

Wie erklären Sie sich diese Offensive?

Die Rahmenbedingungen sprechen dafür. Da ist zum einen China. Dort wird es in Kürze einen Führungswechsel geben, und ich gehe davon aus, dass die neue chinesische Führung intern anders mit Nordkorea umgehen wird - pragmatischer und weniger ideologisch. Das heißt, man wird Nordkorea sicher nicht fallen lassen, aber ich glaube, sie werden das Land nicht völlig bedingungslos unterstützen. Ich bin überzeugt, dass die chinesische Koreapolitik der Zukunft auch andere Szenarien enthält als ein auf Dauer selbstständiges Nordkorea.

Auch in den USA könnte es in diesem Jahr einen Führungswechsel geben. Welche Rolle spielt das?

Das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Ein außenpolitischer Erfolg spielt Barack Obama in die Hände und die nordkoreanische Führung kann hoffen, dass die US-Administration dann etwas milder gestimmt ist und vor allem Hilfslieferungen unkomplizierter vonstatten gehen.

Ist Nordkorea am Wahlerfolg Obamas interessiert?

Sie können eher mit Obama und den Demokraten etwas anfangen als mit den Republikanern. Von allen republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist in Sachen Nordkorea, soweit bisher bekannt, nichts Revolutionäres zu erwarten. Von einem Zugehen auf Nordkorea ist nicht viel erkennbar und die Kriegsrhetorik ist bei allen präsent, was aber sicher auch dem Wahlkampf geschuldet ist. Außerdem ist die Bilanz des letzten republikanischen US-Präsidenten in Sachen Nordkorea auch nicht sonderlich beeindruckend.

Und Europa, spielt das in dem Konflikt eine Rolle?

Zumindest nicht auf den ersten Blick.

Ist das alles also nur verbales Blendwerk von Nordkorea oder sehen Sie nicht doch Anzeichen für eine politische Veränderung in dem kommunistischen Land?

Es gibt schon hoffnungsvolle Signale. In der mittleren Führungsebene gibt es durchaus den Willen, das Land etwas zu öffnen, ausländische Einflüsse zuzulassen. Es wird sicher sehr lange dauern und es ist auch keine rasche, radikale Veränderung zu erwarten. Aber das Potenzial zur Veränderung ist auf jeden Fall spürbar. Ob sich dieses Denken allerdings wirklich durchsetzt, muss noch abgewartet werden.

Wie schlimm ist die Versorgungslage in Nordkorea? Gibt es eine Hungersnot oder sogar eine Hungerkatastrophe? Müssen Kinder besonders notleiden?

Das ist schwer zu sagen, weil man als Ausländer häufig nur das sieht, was man sehen soll oder nur in der Vorzeigehauptstadt Pjöngjang ist. Meine offiziellen Begleiter sagten mir bei meinem letzten Aufenthalt im Dezember 2011 kurz bevor Kim Jong Il starb, heutzutage habe jeder Nordkoreaner 'mehr oder weniger' zu essen. Das war auch mein Eindruck: Essen ist da, aber keinesfalls übermäßig und nicht abwechslungsreich und nicht in gleichem Maße für alle. Selbst in dem Hotel, in dem ich wohnte, waren Frühstückszutaten limitiert. Als die Restaurants in der Umgebung um zwölf Uhr mittags öffneten, warteten schon zahlreiche Gäste, die sich ungeduldig hineindrängten. Man musste denken: Sind die Töpfe erst mal leer, gibt es wohl nichts mehr.

Welche Eindrücke sind von ihrem letzten Besuch noch haften geblieben?

Am nachhaltigsten waren die Eindrücke der dunklen Hauptstadt Pjöngjang, deren Einwohner unter extremem Energiemangel leiden. Mir wurde bestätigt, dass in den hunderten riesiger Wohnblocks mit 30 bis 40 Etagen oft nur zwei Stunden täglich Elektrizität verfügbar ist. Man kann sich vorstellen, welche Auswirkungen das auf alle Bereiche des menschlichen Lebens hat. Ich war in einem negativen Sinn von der Leidensfähigkeit vieler Menschen beeindruckt. Im kommenden April werde ich wieder dort sein und bin gespannt auf mögliche Veränderungen.

Immer sieht man die Führung Nordkoreas in Militäruniform. Können Sie erläutern, welche Rolle das Militär spielt?

Es spielt eine zentrale Rolle in Staat und Gesellschaft, übt maßgeblichen politischen Einfluss auf zahlreichen Ebenen aus und erhält den wohl größten Posten des Staatshaushalts. Man spricht von bis zu 25 Prozent. Diese starke Rolle geht auf den Staatsgründer und "ewigen Präsidenten" Kim Il Sung, den Großvater des gegenwärtigen Führers Kim Jong Un, zurück. Er sah im Militär das entscheidende Instrument zur Absicherung Nordkoreas nach außen und seiner eigenen Herrschaft nach innen. Das Militärische ist im Alltag allgegenwärtig, sei es in der Propaganda oder auch nur, weil vor einem landwirtschaftlichen Kombinat Soldaten Wache stehen.

Interview von Christian Tretbar. Mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten.

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